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Neuer Zeitplan für Wahlen in Afghanistan

Said Musa Samimy10. Juli 2004

Die für September geplante Parlamentswahl in Afghanistan wird erneut verschoben - auf 2005. Angeblich aus logistischen Gründen. Die Trennung der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen ist im Land durchaus umstritten.

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Die Afghanen werden Parlament und Präsident getrennt wählen - und später als geplantBild: AP

Es ist nicht das erste Mal, dass in Afghanistan Präsidentschafts- oder Parlamentswahlen verschoben werden. Die ursprünglich für Juni/Juli 2004 vorgesehenen Wahlen wurden bereits vorher aufgrund der schleppenden Namensregistrierung auf September/Oktober verschoben. Schon das sorgte für einigen Wirbel. Am Freitag (9.7.) kündigte die afghanische Regierung an, dass die Präsidentschaftswahlen am 9. Oktober 2004 stattfinden, die Parlamentswahlen hingegen erst im März
oder April 2005. Die genauen Termine sollen noch bekannt gegeben werden.

UN-Generalsekretär Kofi Annan hat den neuen Zeitplan für die Wahlen in Afghanistan begrüßt. Die zusätzliche Zeit bis zur Parlamentswahl werde für Wähler und Kandidaten bessere Voraussetzungen schaffen, erklärte ein Sprecher von Annan am Freitag am Sitz der Vereinten Nationen in New York. Auch die USA haben die Entscheidung der staatlichen Wahlkommission in Kabul begrüßt. Die Wahl sei ein wichtiger Schritt Afghanistans hin zur Demokratie, erklärte US-Präsident George W. Bush am Freitag. Die Entscheidung zeige, dass sich das afghanische Volk seine Zukunft nicht von den Taliban oder anderen Terroristen diktieren lassen wolle. Auch der afghanische Präsident Hamid Karsai begrüßte am Samstag die Entscheidung.

Eigenmächtiges Handeln

Politische Parteien und Vertreter der Zivilgesellschaft beklagen jedoch, dass die Bildung eines legitimierten Regierungssystems am Gebirge Hindukusch hinausgeschoben werde. Zudem werfen Kritiker dem Präsidenten Hamid Karsai vor, dass er es darauf anlege, ohne ein parlamentarisches Kontrollorgan eigenmächtig handeln zu können.

Die Entscheidung der Wahlbehörden von Dienstag, (6. Juli 2004), die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen aus angeblich logistischen Gründen getrennt abhalten zu wollen, kam keineswegs überraschend. Schon seit Wochen kursierten Gerüchte, dass eine nochmalige Verschiebung der Wahlen angepeilt sei, und dass diese Verschiebung den Gegnern einer nachhaltigen Demokratisierung zugute käme. Freie und faire Wahlen zu einem möglichst baldigen Zeitpunkt dagegen würden wohl helfen, der Macht von Warlords, Provinzfürsten und anderen demokratisch nicht legitimierten Machthabern zumindest engere Grenzen zu setzen. Bereits Anfang Juli 2004 hatten die Vereinten Nationen (UN) eine Verschiebung der Wahlen nicht ausgeschlossen. Vor allem die Entwaffnung militanter Gruppen komme nicht so schnell voran wie vorgesehen.

Verfassungsrechtliche Bedenken

Nach Artikel 160 der afghanischen Verfassung sollen umfassende Anstrengungen für gleichzeitige Präsidentschafts- und Parlamentswahlen unternommen werden. Unter Hinweis auf diesen Passus kritisiert Mohamed Isamil Qasemyar, afghanischer Verfassungsrechtler und Präsident der außerordentlichen Stammesversammlung Loya Dschirga 2002, die jüngste Entscheidung der Wahlbehörden sogar als verfassungswidrig: "Diese Entscheidung ist vielmehr politisch begründet. Die Behörden behaupten, dass die Voraussetzungen für Parlamentswahlen noch nicht vorhanden seien. Aber die Frage ist doch: Wenn die Voraussetzungen für die Präsidentschaftswahlen erfüllt sind, wäre es dann nicht angebracht, gleichzeitig auch die Parlamentswahlen abzuhalten?"

Unbestritten ist: Die Abhaltung freier und fairerer Wahlen im vom Krieg zerstörten Afghanistan ist eine Herkulesaufgabe. Nicht einmal die Bevölkerungszahl ist genau bekannt, ebenso wenig die Anzahl der Wahlberechtigten. Die Wahlkommission kann nur schätzen und kommt dabei auf eine Gesamtbevölkerung von rund 28 Millionen Menschen, darunter etwa 10,5 Millionen Wahlberechtigte. Bislang sind allerdings erst etwa fünf Millionen potenzielle Wähler registriert.

US-Interessen im Wahlkampf

Dass Präsidentschafts- und Parlamentswahlen nun getrennt abgehalten werden sollen, hat aber vermutlich noch einen weiteren Grund - Rücksichtsnahme auf die Interessen der US-Regierung. Trotz starker Konkurrenz gilt Präsident Karsai als Favorit für die Präsidentschaftswahlen. Aber seine Position bei den Parlamentswahlen ist sehr schwach. Beobachter gehen davon aus, dass Karsai im Falle seiner Wahl mit einem Parlament konfrontiert sein würde, das trotz parteipolitischer Zersplitterung gemeinsam gegen ihn opponieren würde. Afghanistan würde somit ein Bild des politischen Chaos abgeben. US-Präsident George W. Bush dagegen hätte sicher Interesse, mit einem erfolgreich agierenden Partner Karsai in den amerikanischen Wahlkampf zu ziehen. Gut möglich, dass ein unbotmäßiges Parlament dabei als Störfaktor empfunden würde.