1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Neues Gewässer für Fischer

Gerda Meuer15. Januar 2003

In Brüssel und Berlin kochen unter Politikern und Journalisten Spekulationen über die politische Zukunft Joschka Fischers hoch. Sie fragen sich: Wird er vom deutschen zum europäischen Außenminister?

https://p.dw.com/p/3Alt

Es war schon deutlich mehr als ein Gerücht. Seit etwa einem Jahr wird in Brüssel mehr oder weniger öffentlich darüber geredet, dass der deutsche Außenminister Ambitionen auf ein hohes EU-Amt hege. Zwar hatte Joschka Fischer selbst kein Sterbenswörtchen zu einem möglichen Jobwechsel verlauten lassen. Aber alleine Fischers Engagement für die Integration Europas und sein Kenntnisreichtum gaben Gesprächen über eine hohe Position für Fischer in Brüssel immer wieder neue Nahrung.

"Blödsinn"

Und jetzt ist die Diskussion auch schwarz auf weiß festgehalten. In einem Zeitungsbericht hieß es, Fischer wolle im kommenden Jahr EU-Kommissionspräsident Romano Prodi ablösen und damit Chef der Brüsseler EU-Verwaltung werden. Das Auswärtige Amt ließ den Bericht sofort als "Blödsinn" dementieren. Aber wer sich erinnert, dass Fischer noch 1997 bestritt, Außenminister werden zu wollen, gibt auf seine Dementis nicht mehr viel.

Doch man könnte den Bericht über Fischers EU-Ambitionen auch anders deuten, als gewollt gestreute Indiskretion nämlich, als Testballon, um zu sehen, was öffentlich akzeptabel ist. Denn Fischer, das ist unbestritten und auch legitim, denkt über seine Zukunft nach.

Die Ausgangslage

In Deutschland, sprich in Berlin, wird für ihn nach dem Amt des Außenministers nicht mehr viel folgen: Bundeskanzler kann er nach politischem Ermessen als Mitglied einer kleinen Partei nicht werden und auch als Nachfolger von Bundespräsident Rau werden Fischer keine rechten Chancen eingeräumt - zumal, abgesehen davon, dieses Amt dem Wunsch des Grünen nach Gestaltung und Mitmischen nicht Rechnung trüge.

Da liegt es nahe, dass die Gedanken in Richtung Brüssel schweifen. Und dass Fischer hier für ein hohes Amt in Frage kommt, das hat er in den letzten viereinhalb Jahren bewiesen. Angefangen mit der Humboldt-Rede zur Zukunft Europas bis hin zu seiner Mitarbeit im Europäischen Konvent, der zur Zeit an einer Verfassung für Europa bastelt - immer wieder hat sich Fischer in die europäische Debatte eingeschaltet und sie mitgestaltet. Und nebenbei bemerkt: Fischer fehlt so gut wie nie, wenn die EU-Außenminister sich treffen, was mindestens einmal im Monat der Fall ist. Das heißt, die Arbeit an Europa ist dem Außenminister wichtig.

Neuer EU-Außenminister?

Doch welches Amt käme für ihn in Frage? Etwa einer der Posten der künftigen EU-Doppelspitze, über die sich Kanzler Schröder und Präsident Chirac jetzt in Paris verständigten? Doch da ist die Konkurrenz nicht weit und vor allem hat sie Gewicht: Auch Spaniens Ministerpräsident Aznar und Großbritanniens Premier Blair werden in Brüssel für Spitzenjobs dieser Qualität gehandelt. Bleibt noch die neue Aufgabe eines EU-Außenministers, der geplanten Zusammenlegung der Tätigkeit des Chefdiplomaten Solana und des Außenkommissars Patten, das zudem zum EU-Vizepräsidenten aufgewertet werden soll. Im Moment scheint dies angesichts der Machtverhältnisse in Europa der realistischste Posten für Fischers Karrierepläne. Aber bis es soweit ist, wird es sicherlich noch einige Dementis aus Berlin geben.