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Neues Licht auf NS-Verbrechen

25. Juli 2002

Ohne großes Aufsehen wurde eine Novelle des Bundesarchivgesetzes verabschiedet, die für Furore sorgen könnte: Sie eröffnet völlig neue Möglichkeiten in der Erforschung von NS-Wirtschaftsverbrechen.

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Brisante Informationen sollen nun ans Tageslicht tretenBild: Illuscope

Immer noch verbergen sich wertvolle und aufschlussreiche Informationen über die Verbrechen der NS-Zeit in Archiven, ohne dass Historikern der Zugang zu ihnen gewährt würde. Der Aufarbeitung der NS-Verbrechen waren dadurch bislang klare Grenzen gesetzt. Das könnte sich jetzt ändern.

Hintergrund ist eine am 13. Juni 2002 in Kraft getretene Novelle des Bundesarchivgesetzes. Was sich trocken anhört, ist es nicht: Die Gesetzesänderung - von Bundestag und Bundesrat im Gegensatz zur öffentlich lang debattierten Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes ohne große Diskussionen verabschiedet - könnte sich als wahrer Zündstoff erweisen.

Unangenehme Wahrheit

Brisant ist die Novelle, weil sie erstmals die Einsicht in Unterlagen aus der NS-Zeit gewährt, die bislang unter das Steuer-, Bank-, Kredit- oder Sozialgeheimnis fielen. Klaus Lankheit, stellvertretender Archivleiter des Münchner Instituts für Zeitgeschichte, erwartet für die kommenden Jahre interessante Veröffentlichungen.

So sei es beispielsweise aufschlussreich, "detailliert zu verfolgen, wie sich die Nazis der zweiten und dritten Garnitur an den Juden bereicherten." Lankheit prophezeit den Zusammenbruch alter Mythen; seien doch bestimmte Firmeninhaber bis heute der Ansicht, den Besitz ihres Betriebes der Tatsache zu verdanken, dass ihre Familie diesen in der NS-Zeit von Juden gekauft hätte, die dann hätten emigrieren können.

Die Wirklichkeit sehe hingegen in vielen Fällen ganz anders aus: Manchen dieser ursprünglichen Besitzer seien nämlich ihre Betriebe nicht abgekauft, sondern sie selbst ganz einfach enteignet und ins KZ abtransportiert worden. Eine unangenehme Wahrheit, deren Enthüllung sicherlich für manchen sehr unangenehm werden dürfte.

Deutlich gewachsenes Interesse

Klaus Oldenhage, Vizepräsident des Koblenzer Bundesarchivs, hofft auf neue Erkenntnisse: "Nun ist auch die Aufklärung von NS-Wirtschaftsverbrechen und medizinischen Versuchen an Menschen in der NS-Zeit weitgehend möglich. Ich hoffe auf einen neuen Schub bei der Forschung."

Auch die Nachkommen von NS-Opfern haben nun die Möglichkeit, mehr Akten einzusehen, Familienforschung zu betreiben und etwa der Frage nachzugehen, wie ihr jüdischer Großvater von den Nazis beraubt wurde.

Laut Oldenhage gab das in den letzten Jahren deutlich gewachsene Interesse an der Aufklärung von NS-Wirtschaftsverbrechen den Anstoß zu der Gesetzesänderung. Der Zusammenhang mit der Debatte um die Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter scheint offensichtlich. dpa/ (fgö)