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Neues Zeitalter für Deutschlands Landesbanken

Christof Polzer19. Juli 2005

Zeitenwende im deutschen Bankensektor: Auf Weisung der EU entfällt für die Landesbanken die "Gewährträgerhaftung" der Länder und Kommunen. Das war ein großer Vorteil gegenüber Privatbanken.

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Aus für die Sparkassen?Bild: dpa zb

Der Bankensektor in Deutschland steht auf drei Säulen: Es gibt private, genossenschaftliche und öffentlich-rechtliche Kreditinstitute. Zu der letzteren gehören die Landesbanken und Sparkassen. Der öffentlich-rechtliche Bereich hat von jeher hohes Gewicht und eine Sonderstellung aufgrund der staatlichen Haftungsgarantien.

Wozu staatliche Haftungsgarantien?

Mit diesen Haftungsgarantien konnten sich die Geldinstitute zu extrem günstigen Konditionen refinanzieren und dies an die Kunden weitergeben. Begründet wurde die Sonderstellung mit gesellschaftlichen Aufgaben, zum Beispiel flächendeckender Versorgung der Bevölkerung mit Finanzdienstleistungen, und Förderaufgaben, zum Beispiel der Vergabe von Krediten für kleine und mittlere Unternehmen. Vom 19. Juli an gibt es die staatlichen Haftungsgarantien nur noch für Spezialanbieter wie die "Kreditanstalt für Wiederaufbau". Für alle anderen Banken des öffentlich-rechtlichen Sektors sind die Länder und Kommunen ab sofort keine automatischen Bürgen mehr.

Harte Zeiten für die Landesbanken

WestLB Zentrale in Düsseldorf
Ungewisse Zukunft: WestLBBild: AP

Ohne die Haftungsgarantien werden wahrscheinlich nur wenige der Landesbanken überleben. Denn damit fällt der entscheidende Vorteil gegenüber den privaten Banken. "Diese Aufhebung ist sicherlich sinnvoll, denn es war schon in Teilbereichen ein wettbewerbsverzerrendes Element", sagt Thomas Hartmann-Wendels von der Universität Köln. "Für die normale Sparkasse wird es kaum Konsequenzen haben, denn die Sicherheit der Spareinlagen ist ohnehin gewährleistet durch die Institutssicherung, die vom Sparkassensektor aufgebracht wird." Anders sei das bei den Landesbanken, die nicht über ein Filialgeschäft verfügen, die sich nicht durch Spar- oder Termineinlagen der Kundschaft refinanzieren, sondern sich in hohem Maße durch Aufnahme von Fremdkapital an den internationalen Kapitalmärkten refinanzieren. "Die werden spürbar höhere Kreditkonditionen bezahlen müssen, da dieses erstklassige Rating, das sie aufgrund der Gewährträgerhaftung hatten, in Zukunft nicht mehr gelten wird", vermutet Hartmann-Wendels.

"Bedarf an lokaler Präsenz"

Zudem gibt es seitens der EU herbe Kritik an der deutschen Bankenlandschaft: Die bestehende Trennung in private Banken und Sparkassen sei im Zeitalter der Globalisierung nicht mehr zeitgemäß. Aber: "Auch im Zeitalter der Globalisierung gibt es einen Bedarf an lokaler Präsenz und auch an lokaler Kenntnis der Gegebenheiten vor Ort", sagt Hartmann-Wendels. "Das wird gerade durch die Genossenschaften und Sparkassen gut vertreten." Trotzdem steht die deutsche Bankenlandschaft vor Veränderungen. Die nordrhein-westfälische Landesregierung denkt ernsthaft über einen Verkauf ihrer Anteile an der WestLB nach. Damit wäre es erstmals möglich, dass sich Privatbanken an dem öffentlich-rechtlichen Institut beteiligen könnten.

Verkauf an private Konkurrenz?

Zur Debatte steht, ob ein Verkauf der Anteile an derzeit schwächelnde deutsche Institute wie die Commerzbank sinnvoll wäre, um die Commerzbank ihrerseits vor einer Übernahme zu bewahren. Das ist aber eher schwierig. "Die WestLB gehört zu gut 60 Prozent den Sparkassenverbänden Rheinland und Westfalen-Lippe und nur zu knapp 40 Prozent dem Land Nordrhein-Westfalen", erklärt Hartmann-Wendels. "Die Sparkassen brauchen die WestLB als Ergänzung für ihren Geschäftsbereich." Außerdem wäre das Konzept für die Commerzbank unvorteilhaft. "Warum soll eine privatwirtschaftlich organisierte Privatbank wie die Commerzbank bei der WestLB einsteigen, wenn sie dort nur einen Minderheitsanteil hätte", hinterfragt Hartmann-Wendels die Idee. "Sie säße dann mit den Sparkassen - also ihren Konkurrenten - im Aufsichtsrat an einem Tisch."

Neue Übernahmekandidaten?

Ein anderes Szenario ist dagegen wahrscheinlicher: der Verkauf von Sparkassen an private Banken. Schließlich sind die Sparkassen auf lokaler und regionaler Ebene gut positioniert und stellen eine starke Konkurrenz für die Privatbanken dar. Ist also in den nächsten Monaten mit weiteren Übernahmen im deutschen Bankensektor zu rechnen? "Ich sehe die deutschen Banken nicht sehr von Übernahmen gefährdet", schätzt Hartmann-Wendels die Lage ein. "Das ist zwar bei der HypoVereinsbank der Fall, aber das ist ein Sonderfall." Der deutsche Bankenmarkt sei nicht allzu attraktiv für ausländische Banken, weil es hier aufgrund des harten Wettbewerbs relativ niedrige Margen gebe. Trotzdem werden nach der Übernahme der HypoVereinsbank durch die italienische Unicredito die Spekulationen darüber weitergehen, welche Bank denn wohl die nächste Übernahmekandidatin sein könnte ...