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Mali ist gespalten

Katrin Gänsler10. April 2012

In Mali soll bis Mitte Mai ein neuer Präsident gewählt werden. Damit steckt das Land im Dilemma. Denn im Norden spitzt sich die Lage weiter zu. An einen friedlichen Urnengang ist daher nicht zu denken.

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Dioncounda Traore in der Mitte ist der Parlamentspräsident Malis.(Foto:Harouna Traore/AP/dapd)
Bild: AP

Mit einem so schnellen Ende der Militärjunta hatte in Mali wohl niemand gerechnet. Gerade einmal zwei Wochen haben sich Kapitän Amadou Sanogo und das eilig gegründete “Nationalkomitee zur Aufrechterhaltung der Demokratie und zur Wiederherstellung des Staates“ (CNRDRE) nach dem Putsch vom 21. März an der Macht gehalten. Jetzt machen sie den Weg für eine Übergangsregierung frei. Nachgeholfen hat dabei sicherlich der Druck von Seiten der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas, die dem ohnehin schon sehr ärmlichen Binnenland massive Sanktionen aufgedrückt hatte. Gebildet werden soll die Übergangsregierung vom einstigen Präsidenten der Nationalversammlung, Dioncounda Traoré. Am Mittwoch (11.04.2012) wird er offiziell mit dieser Aufgabe betraut werden.

Mit diesem friedlichen Abgang haben die Putschisten das wahrgemacht, was sie von Anfang an angekündigt hatten: Sie wollten gar nicht dauerhaft an der Macht bleiben. Das hatten auf den Straßen Bamakos in den vergangenen Wochen auch viele ihrer Anhänger gefordert. So wollten auch freie und faire Wahlen. “Mit einer neuen Regierung ist das nun möglich“, hofft beispielsweise Ousmane Cissoko, Präsident der neu gegründeten Bewegung “Neue afrikanische Kraft“ (NFA). Eins dürfe jedoch nicht außer Acht gelassen werden. Erst einmal müsse die Lage im Norden, wo die Tuareg-Armee MNLA (Bewegung zur Befreiung von Azawad) am 6. April ihren eigenen Staat Azawad ausgerufen hat, befriedet werden.

Neuwahlen innerhalb der nächsten 40 Tage

Genau das könnte nun zum großen Widerspruch werden. Hauptaufgabe der Übergangsregierung um Dioncounda Traoré ist es nämlich, innerhalb der kommenden 40 Tage freie, faire und demokratische Präsidentschaftswahlen zu organisieren. Da in Bamako, aber auch in der restlichen Welt niemand die Spaltung Malis akzeptieren will, müsste theoretisch zeitgleich im Norden wie im Süden gewählt werden. Im ausgerufenen Staat Azawad leben zwar nur rund zehn Prozent der insgesamt 14 Millionen Malier. Doch das würde die Einheit des Staates betonen und könnte signalisieren: Die Regierung im fernen Bamako nimmt die Tuareg im Norden ernst.

Plakat mit dem Bild von Modibo Sidibé, dem einstigen Premierminister Malis. (Foto: Katrin Gänsler)
Ein einsames Wahlplakat von Modibo Sidibé, dem einstigen Premierminister Malis.Bild: DW/K. Gänsler

Doch wie soll in einer Region gewählt werden, in der es kaum noch eine Infrastruktur gibt, die Tuareg-Rebellen die Macht übernommen haben und wo sich möglicherweise jetzt auch noch die islamistische Gruppe “Ansar Dine“ ausbreitet? Die Gruppe kämpfte ebenfalls gegen die Regierungstruppen und will nun die Scharia einführen und angeblich besonders scharf auslegen.


"Sie kamen und plünderten"

Ein bisher ebenfalls ungelöstes Problem sind die vielen Flüchtlinge. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen haben bis zu 200.000 Menschen ihre Heimatdörfer verlassen. Zum Teil sind sie in die Nachbarländer Mauretanien, Niger und Burkina Faso geflohen oder haben Schutz im Süden von Mali gesucht. Der Student Mamoudou Sidibé hat all das schon erlebt. Er hat im Norden die Schule besucht, nun aber Unterschlupf bei seiner Familie in Mopti, dem wichtigsten Wirtschaftsstandort in Zentral-Mali, gefunden. “Sie kamen und plünderten“, erinnert er sich. Ob es Soldaten waren oder Anhänger der MNLA, weiß er nicht genau. Vielleicht waren es auch völlig unpolitische Trittbrettfahrer. Eins haben sie aber trotzdem geschafft: Sie haben dem jungen Mann so viel Angst eingejagt, dass er nicht länger dort leben wollte.

Menschen auf den Straßen von Malis Hauptstadt Bamako. (Foto: Katrin Gänsler)
Auch das eilig eingeführte Nationalkomitee CNRDRE gehört der Vergangenheit anBild: DW/K. Gänsler

Demokratische Wahlen in einem solchen Klima zu organisieren, klingt eher unwahrscheinlich. Damit ist man wieder dort angekommen, wo das Land schon vor dem Putsch stand. Denn eigentlich waren bereits für den 29. April die Wahlen um das Präsidentschaftsamt angesetzt. Für Hamidou Konaté, Direktor des privaten Rundfunksenders Radio Jamana, galt schon das als unmöglich. "Wenn jetzt gewählt wird, grenzt man eine ganze Region aus", sagte er. Vier Wochen später hat sich diese Situation nicht geändert.

Mali darf nicht auseinander brechen

Allerdings könnte nun sogar noch einmal gekämpft werden. 3000 Soldaten hat die Ecowas bereit gestellt, falls die Waffenruhe von den Tuareg-Rebellen nicht eingehalten wird. Ohnehin wollen die 15 Staaten auf jeden Fall vermeiden, dass Mali auseinander bricht – zur Not mit Gewaltanwendung. In einem neuen Staatsgebilde könnten dann nämlich nicht nur die Tuareg-Nomaden eine Heimat finden, die vor allem mehr Autonomie von der Zentralregierung in Bamako wollten, sondern auch radikal-islamische Gruppen. Dabei geht es um “Ansar Dine“, aber auch AQMI, Al Qaida im Islamischen Maghreb, soll in der Region mittlerweile eine Basis haben. Und vielleicht gibt es sogar Unterstützung von Boko Haram, der islamistischen Terror-Sekte aus Nigeria. Medienberichten zufolge sollen einige ihrer Anhänger derzeit in der Stadt Gao sein.

Hafen mit Schiff in Mopti in Zentral-Mali. (Foto: Katrin Gänsler)
Viele Menschen könnten bei neuen Kämpfen nach Mopti in Zentral-Mali flüchtenBild: DW/K. Gänsler