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"Nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen"

Anja Kiessling17. August 2006

Den rhetorischen Rundumschlag Baschar Al-Assads soll man nicht allzu wörtlich nehmen, heißt es auf syrischer Seite. Interpretationsversuche seiner Rede im Kongresszentrum

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Syriens Präsident Bashar Al-Assad bei seiner umstrittenen RedeBild: AP

"Man darf jetzt nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen", sagt Salem El Hamid, Generalsekretär der Deutsch-Syrischen Gesellschaft, nach dem Eklat um die geplatzte Syrienreise des deutschen Außenministers. Frank-Walter Steinmeier hatte am Dienstag im jordanischen Amman spontan entschieden, das Reiseziel Damaskus von seiner Nahost-Route zu streichen. An Bord der startbereiten Regierungsmaschine flog der SPD-Politiker gleich nach Saudi-Arabien weiter: Seine Reaktion ist ein diplomatisches Statement zu der viel beachteten Rede des syrischen Präsidenten Baschar Al-Assad.

In einer Ansprache im Damaszener Kongresszentrum hatte Assad ein Loblied auf die libanesische Schiitenorganisation Hisbollah mit antiisraelischen Äußerungen verbunden. Den rhetorischen Rundumschlag bezeichnete Steinmeier als "negativen Beitrag, der den gegenwärtigen Herausforderungen im Nahen Osten nicht gerecht wird".

Arabische Kritik

Der Zeitpunkt der Ansprache Assads provozierte auch in arabischen Staaten Kritik. Mit einer Rakete in der Waffenruhe verglich ein Sprecher der oppositionellen ägyptischen Wafd-Partei den Auftritt des syrischen Präsidenten. Der Leitartikler der jordanischen Zeitung "Al Ghad" beobachtete, dass Assad gegenüber der eigenen Bevölkerung und der des Libanons den starken Mann spiele. In der Selbstinszenierung des syrischen Staatsoberhaupts sieht Hajo Funke, Politikprofessor an der FU Berlin, "vor allem Populismus". Der Präsident habe in seinem Land vorherrschende Meinungen ausgedrückt, um innenpolitisch zu punkten.

Vor dem Hintergrund des Libanon-Konflikts erfährt die in Assads Rede gepriesene radikal-islamische Hisbollah-Miliz wachsende Unterstützung in der syrischen Bevölkerung. "In den Städten protestieren heute selbst die Christen mit dem Bild Hassan Nasrallahs", berichtet El Hamid. Diese Aktionen hätten allerdings wenig mit religiösem Fanatismus zu tun. "Damaskus ist nicht Teheran", betont Funke. Assads Diktatur sei keineswegs radikal muslimisch, sondern laizistisch geprägt, so der Politikwissenschaftler. Sunniten, Alawiten, Christen, Schiiten und Drusen leben nebeneinander auf syrischem Boden. Präsident Assad, ein Augenarzt, der in London studiert hat, sei durchaus zu pragmatischer Politik fähig.

Steinmeier will Dialog nicht abbrechen

Steinmeier will den Dialog mit Syrien nicht abbrechen, wie er am Donnerstag bekräftigte. Dem syrischen Präsidenten könne nach wie vor eine Schlüsselrolle in der Nahost-Krise zufallen. Allerdings nannte der deutsche Außenminister die Bedingung einer syrischen "Bekenntnis zur Beilegung regionaler Interessensunterschiede".

Uneinigkeit zwischen Israel und Syrien herrscht traditionell bezüglich der Golanhöhen. 1981 hat Israel das seit dem Sechstagekrieg besetzte Hochplateau zwischen Damaskus und See Genezareth annektiert. Mit den Jordanquellen entspringt in der Hügelkette ein wichtiges Element der israelischen Wasserversorgung.

Assad beharrt auf einem syrischen Anspruch auf die Golanhöhen und fordert, Gespräche aus den 1990er Jahren wieder aufzunehmen. Unter dieser Vorraussetzung sei ein dauerhafter Frieden möglich. El Hamid: "Wenn Israel die Golanhöhen aufgibt, wird Syrien den Staat anerkennen."