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Nicht mehr als vorsichtiger Optimismus angebracht

Matthias von Hein19. September 2005

Zwei Jahre lange zermürbende Verhandlungen haben am Montag (19.9.05) in Peking zu einem ersten Ergebnis geführt: Nordkorea hat den Verzicht auf sein Atomprogramm erklärt. Matthias von Hein kommentiert.

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Endlich haben sich Pjöngjang und Washington bewegt. Endlich, denn die Verhandlungspartner drohten nach vier ergebnislosen Gesprächsrunden innerhalb von zwei Jahren die Geduld zu verlieren - mit unabsehbaren Folgen. Jetzt aber scheint der konfliktträchtigste Brennpunkt Nordostasiens zumindest vorerst entschärft. Alle an den Sechs-Parteien-Gesprächen beteiligten Staaten verpflichteten sich zum gemeinsamen Ziel einer atomwaffenfreien koreanischen Halbinsel.

Noch im Juni 2005 hatte Nordkorea erklärt, bereits über einen Vorrat an Atombomben zu verfügen. Jetzt will es sein Atomprogramm aufgeben. Im Gegenzug versprechen die USA die schrittweise Normalisierung ihrer Beziehungen zu Nordkorea. Dass die USA nach den Verheerungen des
Wirbelsturms "Katrina" jetzt vermehrt nach innen schauen, wird mit dazu beigetragen haben, in Washington nicht mehr von "Regimewechsel" in Pjöngjang zu sprechen. Pjöngjang hatte sein Atomprogramm immer wieder mit den angeblich feindlichen Absichten der USA begründet und als Beweis die Verortung Nordkoreas auf der "Achse des Bösen" durch
US-Präsident Bush genannt - gemeinsam mit dem Irak unter Saddam Hussein und dem Iran.

Für den Vermittler China bedeutet die Einigung einen gewaltigen diplomatischen Erfolg. Viel Prestige hatte Peking in die Sechser-Gespräche investiert: Jetzt kann sich das Land als internationaler Friedensstifter feiern lassen. Vermutlich wird die Welt nie erfahren, wie Chef-Unterhändler Wu Dawei Pjöngjang dazu bewegt hat, die Vereinbarung zu unterzeichnen. Denn dass zum Beispiel Nordkorea künftig einen Großteil seiner Elektrizität aus Südkorea beziehen soll, wird dem - offiziell immer noch dem Ideal der Autarkie verpflichteten - Norden nicht gefallen haben. Die weitgehende Abhängigkeit Nordkoreas von chinesischen Hilfslieferungen hat bei der notwendigen Überzeugungsarbeit sicherlich eine hilfreiche Rolle gespielt.

Zwar weist die Übereinkunft von Peking in die richtige Richtung. Für mehr als vorsichtigen Optimismus aber gibt das Grundsatzabkommen von Peking keinen Anlass. Denn das Verhältnis zwischen Washington und Pjöngjang ist weiterhin von tiefem Misstrauen geprägt. Und die wirklich schwierigen Fragen blieben für die nächste Gesprächsrunde im November 2005 ausgeklammert. Vor allem bei der Überprüfung der Aufgabe des nordkoreanischen Atomwaffenprogramms wird man sich auf Tricks, Irreführungen und Blockaden der nordkoreanischen Seite einstellen müssen. Und auch der Bau eines von Pjöngjang geforderten Leichtwasser-Reaktors in Nordkorea wird frühestens im November behandelt werden.

Der Bau eines solchen Reaktors war Nordkorea schon einmal durch die USA und Japan zugesichert worden. Das war 1994 - damals hatte sich Pjöngjang das letzte Mal zur Aufgabe seines Atomwaffenprogramms verpflichtet.

Vielleicht hat Nordkorea aber inzwischen dazu gelernt. Im wirtschaftlichen Bereich folgt es bereits seinem großem Nachbarn China und führt vorsichtig marktwirtschaftliche Elemente in seine strikt planwirtschaftlich organisierte Wirtschaft ein.

Vielleicht setzt sich - ähnlich wie beim libyschen Staatschef Ghaddafi - die Erkenntnis durch, dass durch Zusammenarbeit mit dem Ausland mehr zu gewinnen ist als durch martialisches Auftreten.