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Was Jugendliche bewegt

6. Juni 2010

"Eine Sprache – viele Kulturen" – unter diesem Motto treffen sich Schüler in einer Schule in Duisburg-Marxloh mit dem Autor Selim Özdogan. Die multikulturellen Jugendlichen schreiben über das, was sie beschäftigt.

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Kinderzeichnungen mit Gesichtern verschiedener Nationalitäten (Foto: Sonja Gillert)
Bild: S. Gillert

Türkisch, arabisch und deutsch wird hier gesprochen – die Straßenbahn hält in Duisburg-Marxloh Pollmann. Nahe der Straßenbahnstation ist ein kleines Cafe, vor dem ältere Männer ihren Tee trinken. Frauen mit Kopftüchern gehen spazieren. So sieht der Weg zum Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium aus – eine Schule, die ebenfalls die Internationalität ihres Stadtteils wiederspiegelt.

Sieben Schülerinnen sitzen hier in einem Klassenzimmer mit dem Autor Selim Özdogan zusammen. "Was fällt euch zu dem Thema 'das letzte Mal' ein?", fragt Özdogan. Dazu sollen die Schüler heute etwas schreiben. Was, das ist ihnen überlassen. Sie alle nehmen an einer Schreibwerkstatt im Rahmen der Ruhr 2010 teil.

Sieben Jugendliche nehmen an dem Projekt teil(Foto: Sonja Gillert)
In der SchreibwerkstattBild: S. Gillert

Verschiedene Herkunft, gemeinsame Themen

"Freundschaft beschäftigt mich in meinen Texten", erzählt die 14-jährige Olida, deren Eltern aus der Türkei kommen. Dem stimmen die anderen Mädchen zu. Erinnerungen, Liebe, aktuelle Erlebnisse, aber vor allem Freundschaft sind für sie ein Thema. Ein Großteil der Schülerinnen oder deren Eltern sind nicht in Deutschland geboren. Aus Russland, der Türkei, dem Kosovo und Polen kommen sie.

Die Tatsache, dass sie einen Migrationshintergrund haben, spiele in ihren Texten bisher allerdings keine Rolle, erzählt Selim Özdogan. "Sie wählen in der Regel altersgemäße Themen, was sie so in ihrem Alltag beschäftigt", meint er. Özdogan hat das Gefühl, dass die multikulturelle Situation und die eigene Herkunft für die Schüler so gewohnt seien, dass sie das deswegen gar nicht thematisieren.


Manchmal wird die Herkunft doch zum Thema

Auch für die 14-jährige Christina, die ihre Kindheit in Russland verbrachte, hat die Heimat beim Schreiben bisher keine Rolle gespielt. Das müsse aber nicht so bleiben: "Wenn ich zum Beispiel über ein Land schreiben soll, würde ich auf jeden Fall Russland nehmen, weil ich mich selber damit verbinde und weil ich mich da auskenne", erzählt sie. Auch Etritane glaubt, dass sie manchmal über ihre Heimat Kosovo schreiben würde: "Wenn es jetzt zum Beispiel um Gewalt geht, dann denke ich direkt an meine Heimat. Aber sonst nicht so".

(Foto: Sonja Gillert)
Christina beschäftigt das Thema "FreundschaftBild: S. Gillert
Ein Kinderhand schreibt einen Text (Foto: Sonja Gillert)
Bild: S. Gillert

Persönliche Erfahrungen prägen Schreiben

Selim Özdogan greift seine Herkunft, die Türkei, in seinen Werken auf. Sein Buch "Die Tochter des Schmiedes" spielt zum Beispiel in Anatolien. Für ihn ist das ein normaler Vorgang: "Ich glaube, man schreibt in der Regel aus persönlicher Erfahrung heraus. Man schreibt irgendetwas, was einen beschäftigt und berührt. Und das ist nun mal ein Teil meiner inneren Realität". Aber es sind auch andere Bereiche ihrer Realität, die die Schüler beschäftigen: Nach einer Stunde sind Geschichten über den Wunsch, wieder ein Kind zu sein, über eine vergangene Liebe und über das Schicksal einer jungen Krebspatientin entstanden.


Schreiben lernen bringt einen anderen Blick

Die Mädchen haben in den letzten Wochen mit Selim Özdogans Hilfe gelernt, strukturierter zu schreiben. Ihm geht es bei dem Projekt darum, den Schüler eine andere Wahrnehmung der deutschen Sprache zu vermitteln. Dabei stehen nicht Rechtschreibung und Zeichensetzung im Mittelpunkt.

(Foto: Sonja Gillert)
Jennifer liest ihren Text vorBild: S. Gillert
(Foto: Sonja Gillert)
Selim Özdogan geht mit Schülerinnen ihre Texte durchBild: S. Gillert

Die besten Texte der Schreibwerkstätte werden im Herbst in einem Buch veröffentlicht. Neben diesem greifbaren Ergebnis erhofft sich Selim Özdogan aber noch einen anderen Effekt des Projektes: "Eine Möglichkeit, die ich für die Schüler schön und möglicherweise wichtig finde, ist eine andere Perspektive auf sich selbst zu bekommen".


Autorin: Sonja Gillert
Redaktion: Hartmut Lüning