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"Nicht nur Hänsel und Gretel"

Lisa Häuser19. September 2002

Es war einmal ... eine Stadt im Ruhrpott. 1986 fand in Bottrop das erste Internationale Märchenfestival statt. Jetzt treffen sich dort zum siebten Mal Märchenerzähler und Darsteller aus aller Welt.

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"Dr. Frankenstein, haben Sie etwas mit den Morden in der Nachbarschaft zu tun?"Bild: presse

"I have a dream", brüllt Professor Doktor Geheimrat Frankenstein. Den Traum von einer Welt der Schönheit und Glückseligkeit für alle Menschen. Eine Welt, in der Frauen nicht mehr die "Last der Geburt" tragen müssen. Für diesen Traum geht er über Leichen. Um Material für seine Schöpfungen zu bekommen, schlachtet er mit Hilfe seines Assistenten Tausende von Menschen aus. Doch seine Kreaturen sind traurige Gestalten.

Monster Hermann soll die Krönung Frankensteins Schöpfung werden. Das Monster mit der blutunterlaufenen Maske ist unendlich traurig und redet von Kälte und Schnee. Chef Inspektor Cornermann, ein abgebrühter Polizist, der schon so einiges gesehen hat, nimmt die Ermittlungen im unheimlichen Labor auf und bezieht das Publikum mit ein: "Sie sind auf eigenes Risiko hier heute Abend. Niemand kann später sagen, er hätte von nichts gewusst."

"Vom Schenkelklopfen bis Gehirnsport"

Beim Stück "Re: Frankenstein" vom Stuffed Puppet Theatre aus den Niederlanden, das am 16. September 2002 im Josef Albers Gymnasium aufgeführt wurde, taucht der Zuschauer ein in eine dunkle Welt voller Schmerz, Sehnsucht nach Liebe und großer Utopien. Mit einfachen Mitteln erzeugt das Stück eine unbehagliche Atmosphäre, die den Zuschauer vollkommen in den Bann zieht. Neville Tranter, der Frankensteins Assistenten spielt und alle übrigen Puppen bewegt und spricht, macht die Figuren durch seine wandlungsfähige Stimme lebendig. Gewürzt ist das Ganze mit einer kruden Mischung aus englischer Sprache und deutschen "Brocken", viel Wortwitz und schaurig-schöner Musik - ein Höhepunkt bei den 7. Internationalen Bottroper Märchentagen.

Harz
Hexen und Zwerge im Pott unterwegsBild: DW

Über 70 Veranstaltungen stehen auf dem Programm, von Gruppen unter anderem aus Polen, Österreich und Tatarstan. Für alle Altersklassen ist etwas dabei. "Dem Menschen begegnen Märchen ein Leben lang", sagt Gerd Heinemann, Organisator und künstlerischer Leiter des Festivals. Ihm ist es besonders wichtig, Kinder für diese Art von Live-Unterhaltung zu begeistern: "Kinder entwickeln dadurch ein Qualitätsbewusstsein für Kreativität, das muss man schon früh lernen". Den Märchenbegriff fasst er sehr weit, er beinhalte alles, was über die Realität hinausgehe, nicht nur Hänsel und Gretel. "Vom Schenkelklopfen bis Gehirnsport reicht die Bandbreite, auch aktuelle Probleme wie das Klonen spielen eine Rolle", so Heinemann.

Wirklichkeit oder Utopie?

Die Zuschauer auf jeden Fall waren von "Re: Frankenstein" begeistert, vor allem von der Thematik: "Als das Buch geschrieben wurde", so ein Besucher, "war das alles noch Utopie, heute ist es durch das Klonen schon Wirklichkeit geworden."