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Nicht ohne den Bundestag

Nina Werkhäuser16. Juni 2015

Der Bundestag behält bei bewaffneten Auslandseinsätzen der Bundeswehr das letzte Wort. Das empfiehlt die Rühe-Kommission in ihrem Abschlussbericht. Die Opposition hatte Einschränkungen befürchtet.

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Bundeswehr-Soldaten während einer Gelöbnisfeier vor dem Bundestag, Foto: dpa
Bild: picture-alliance/dpa

Nach einem guten Jahr Arbeit ist Volker Rühe zufrieden: Der Vorschlag seiner Expertenkommission stärke nicht nur die Rechte des Parlaments, sondern auch die Bündnisfähigkeit Deutschlands, resümiert der frühere Verteidigungsminister. "Es gab aus unserer Sicht überhaupt keinen Grund, Parlamentsrechte einzuschränken", so der Christdemokrat. Genau das hatte die Opposition befürchtet, als das Gremium aus Politikern, Militärs und Fachleuten im Frühjahr 2014 seine Arbeit aufnahm. Linke und Grüne verweigerten deswegen die Mitarbeit in der von CDU/CSU und SPD eingesetzten Kommission, die an diesem Dienstag Bundestagspräsident Norbert Lammert ihren Abschlussbericht überreichte.

Armee unter parlamentarischer Kontrolle

In der Tat ist das Thema sensibel: Will die Regierung deutsche Soldaten ins Ausland schicken, muss sie zuerst das Parlament um Zustimmung bitten. Das kann dauern, und es kann kontroverse Debatten mit sich bringen. Dennoch: Dieser sogenannte Parlamentsvorbehalt, hergeleitet aus leidvoller historischer Erfahrung, galt bisher als unantastbar - und dabei wird es bleiben. Festgehalten ist dieses Recht des Bundestags in einem Gesetz aus dem Jahr 2005. Das wiederum basiert auf einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1994, also aus der Zeit, als Volker Rühe Verteidigungsminister war und die Bundeswehr in die ersten Auslandseinsätze seit ihrer Gründung schickte.

Der frühere Verteidigungsminister Volker Rühe, CDU, Foto: imago
Leitete die Kommission: Volker RüheBild: imago

Auf Deutschland ist nicht immer Verlass

Zwar hat das Parlament bisher keinem einzigen Auslandseinsatz die Zustimmung verweigert. Aber ist das einschlägige Gesetz, so fragte sich die Kommission, heute noch zeitgemäß? Ist es weitreichend genug, um der fortschreitenden Integration der Bundeswehr in die Verteidigungsstrukturen der NATO und der EU gerecht zu werden? Nein, befanden die Experten, die während ihrer Recherchen auch diverse multinationale Stäbe und Kommandos besuchten, darunter den AWACS-Verband in Geilenkirchen. Dort kam es überhaupt nicht gut an, dass die deutschen Besatzungen der NATO-Überwachungsflugzeuge bereits in zwei Fällen abgezogen wurden, weil die Bundesregierung sich an einer NATO-Mission aus bestimmten Gründen nicht beteiligen wollte. "Wir stellen ein Drittel der Besatzungen, und wenn wir rausgehen, machen wir die Anderen handlungsunfähig", beklagte Rühe.

Die militärische Zukunft ist multinational

Zwar konnte das Parlament daran nichts ändern, es soll aber künftig von der Regierung einmal jährlich einen Bericht über diese sogenannten "militärischen Verbundfähigkeiten" bekommen. Dadurch, so die Hoffnung der Kommission, werde sich die Regierung stärker an ihre Bündnisverpflichtungen gebunden fühlen. "Die Bundeswehr ist nicht nur die Armee Deutschlands, sondern sie hat Fähigkeiten, auf die Andere sich verlassen", erklärte Rühe. "Da können wir nicht sagen: steht nicht zur Verfügung."

Seit einigen Jahren verzichten immer mehr europäische Länder aus Kostengründen auf bestimmte militärische Fähigkeiten, etwa die Niederländer auf ihre Panzertruppe, und verlassen sich auf die vergleichsweise große Bundeswehr. In diesem Sinne, ergänzte Rühes Stellvertreter in dem Gremium, der Sozialdemokrat Walter Kolbow, sei die Kommission "ihrer Zeit voraus". Die Neufassung des Gesetzes soll daher auch explizit den Passus enthalten, dass der Bundestag der Entsendung deutscher Soldaten in multinationale Stäbe und Hauptquartiere nicht eigens zustimmen muss.

KSK: Geheimhaltung lockern

Weitere Änderungsvorschläge betreffen die Einsätze des Kommandos Spezialkräfte, kurz KSK. Sie unterliegen einer so strengen Geheimhaltung, dass selbst die Fachpolitiker im Bundestag bisher nur wenig darüber erfuhren. Anders als etwa in den USA würden in Deutschland "sehr bemerkenswerte Einsätze versteckt", sagte Rühe. "Dafür sehe ich keinen Grund." Geht es nach der Kommission, dann sollen der Auswärtige- und der Verteidigungsausschuss des Bundestags über die KSK-Einsätze unterrichtet werden - natürlich nach deren Abschluss und ohne die Preisgabe operativer Details.

Zwei Soldaten des Kommandos Spezialkräfte während einer Übung, Foto: dpa
Operieren streng geheim: Die Elite-Soldaten des Kommandos SpezialkräfteBild: picture-alliance/dpa/P. Seeger

Klarheit schaffen will die Kommission auch bei den Ausbildungsmissionen der Bundeswehr - hier gab es in der Vergangenheit immer wieder Diskussionen, ob sie dem Parlament zur Zustimmung vorgelegt werden müssen oder nicht. Künftig soll der Bundestag zunächst davon ausgehen, dass diese Einsätze keine bewaffneten Auseinandersetzungen mit sich bringen - und damit nicht zustimmungspflichtig sind. Das missfällt der Opposition. "Nicht praxistauglich", monierten die Grünen. Damit werde der Parlamentsvorbehalt "zum Schweizer Käse", kritisierte Alexander Neu, der Verteidigungspolitiker der Linksfraktion. Insgesamt zeigte sich die Opposition aber erleichtert, dass die Rechte des Parlaments in punkto Auslandseinsätze gewahrt bleiben. Große Zustimmung zu den Ergebnissen der Kommission, so berichtete Rühe, hätten die NATO-Botschafter in Brüssel geäußert. Die haben mit der Zuverlässigkeit Deutschlands - Beispiel Libyen-Einsatz - bekanntlich schon einschlägige Erfahrungen gemacht.