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Nicht von Pappe

Karl Harenbrock 5. Januar 2003

Was sind internationale Wirtschaftsbeziehungen? DW-TV-Reporter sind unterwegs und berichten über Länder und Leute, Tops und Flops, Berater und Geldgeber. Thema heute: Bosnien-Herzegowina - ein Land sucht Investoren.

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Kartons für Coca-Cola aus Maglaj in BosnienBild: DW

"Sarajevo, 170 Kilometer" steht auf dem Schild mit blauem Untergrund. Etwa eine Stunde dauert die Fahrt mit dem Auto durch die selbsternannte Serbenrepublik Srbska. Links und rechts der Straße Richtung Sarajevo eine vom Krieg zerstörte Landschaft. Abgebrannte Häuser. Die Hausfassaden erzählen grausame Geschichten von Tod, Vergewaltigung und Vertreibung.

"Dobre dan! – Guten Tag!"

DW-TV Made in Germany 31.10.2002 Bosnien Innenstadt Sarajewo
Die Innenstadt SarajevosBild: DW

Nach Doboj ändert sich die Landschaft. Hier, in Bosnien, haben die millionenschweren Aufbauhilfen der internationalen Staatengemeinschaft Wirkung gezeigt. Überall renovierte Häuser aus rotem Klinker, Hotels mit Restaurants, die in grellen Neonfarben für ihre Angebote werben. Jetzt gilt es nur noch, die Wirtschaft dauerhaft anzukurbeln. Eine Aufgabe, für die Privatisierungsagenturen die Vorarbeit leisten: Rentable Unternehmen ausfindig machen, Konzepte entwickeln, private Investoren auftreiben. "Das Schlimmste ist das schlechte Image des Landes", meint Unternehmensberater Dieter Henningsen. "Die typische Reaktion ist: Bosnien, Herzegowina? Moment mal, da ist doch Krieg!"

Henningsen arbeitet für eine Münchener Consultingfirma, die im Auftrag der Europäischen Union die Privatisierung in Bosnien-Herzegowina voran bringen soll. Der Mann hat Erfahrung: Mehr als zehn Jahre hat er im Raum Sankt Petersburg russische Staatsunternehmen in private Hände überführt. Doch dort, im Norden Europas, ist die meiste Arbeit getan. Mit einem dicken Adressbuch und vielen Telefonnummern potenzieller Investoren in der Tasche hat der 62-Jährige nun den Job im wärmeren Süden des Kontinents übernommen.

Mutige Unternehmer aus dem Westen gesucht

DW-TV Made in Germany 31.10.2002 Bosnien EU-Beauftragter Henningsen
Unternehmensberater Dieter HenningsenBild: DW

Etwa 35 Prozent der Betriebe in der Föderation Bosnien und Herzegowina sind inzwischen in privater Hand. Für kleinere staatliche Unternehmen, für den Handel und die Bauindustrie ist es kein Problem, Käufer zu finden. Kopfzerbrechen bereiten nach wie vor die großen Staatsunternehmen, die Flagschiffe des ehemaligen Jugoslawiens. In Wirtschaftszeitungen und Fachblättern auf der ganzen Welt hat Henningsen einen dieser Mammutbetriebe, die Natron-Papierfabrik in Maglaj, zum Kauf angeboten. Doch nach drei Monaten hat sich noch kein Interessent gemeldet.

Mit 1500 Mitarbeitern stellt die Fabrik Papierverpackungen her: Pappkartons für Zigaretten, Verpackungen für bekannte Marken, wie Coca Cola und 7Up, Einkaufstüten für die Supermarktkette Lidl. Die Hallen sind groß und lichtdurchflutet. Die grün gestrichenen Maschinen der verschiedenen Produktionslinien sind alle "Made in Germany". Gut gewartet verrichten sie seit Jahrzehnten ihre Dienste, zerschneiden die Papierbahnen in passende Stücke und kleben daraus 50 Kilogramm Zementsäcke oder Brottüten für Bäckereien. Alte Maschinen machen Henningsen nichts aus. "Sie sind branchenüblich und warum soll man immer den letzten Standard der Technik haben", fragt er sich.

Nur "alles in allem" im Angebot

DW-TV Made in Germany 31.10.2002 Bosnien Papierfabrik Arbeiter
Die Papierfabrik in MaglajBild: DW

´Doch es gibt Ausnahmen: Hinter der Altpapierverladestelle steht das Herz der Fabrik, hiermit wird Geld verdient. Mehr als eine Millionen Euro hat die neue Verpackungsmaschine gekostet, die drei Farben auf die Kartons drucken kann. "Die einzige ihrer Art auf dem ganzen Balkan", versichert Henningsen und fängt gleich an, eine dieser flachen Zigarettenkartons, die stapelweise aus der Maschine kommen, sinnvoll zusammenzufalten. Für diese Produktionslinie ließe sich leicht ein Käufer finden, doch Enver Karamehic, Chef des Leitungsgruppe der Natron-Papierfabrik, macht sofort klar: "Einzeln wollen wir gar nichts verkaufen und schon gar nicht diese Produktionslinie. Sie ist eine wahre Perle. Wenn jemand kaufen will, dann alles." Doch für die ganze Fabrik einen Käufer zu finden ist fast unmöglich. Allerdings müsste überhaupt erst einmal einer kommen und sich für diese vergessene Ecke in Europa interessieren.