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Neoliberal oder grün oder was?

6. Juli 2009

Vor dem G8-Treffen in Italien stimmt EU-Kommissionspräsident Barroso die Europäer auf einen tiefgreifenden Wandel ein. Doch wieviel davon ist wohl PR in eigener Sache?

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Barroso vor EU-Fahne (Archivfoto: ap)
Barroso, genannt "das Chamäleon"Bild: AP

José Manuel Barroso hat sich vor wenigen Tagen öffentlich gegen das Etikett neoliberal gewehrt. Es wird ihm vor allem jetzt wieder von seinen sozialdemokratischen und grünen Gegnern im Europaparlament angeheftet. Sie wollen verhindern, dass er erneut Chef der Kommission wird. Für sie dürfte es nach dem jüngsten Auftritt Barrosos am Montag (06.07.2009) in Brüssel argumentativ schwieriger werden. Eine Kostprobe: "Wahrscheinlich werden wir nicht mehr zu dem Wachstumspotential wie in den Jahren vor der Krise zurückfinden." Bisher hörte man Vertreter der Kommission vor allem über die Frage spekulieren, wann das gewohnte Wachstum zurückkehren werde, und nicht, ob überhaupt. In dieser Radikalität ist das neu.

Subventionen gegen afrikanische Lebensmittel

Radikal mutet auch ein anderer Satz an. Auf die Probleme Afrikas gerade jetzt in der Wirtschaftskrise angesprochen, sprach Barroso über die Verantwortung der reichen Länder. Doch es gehe um mehr als um Hilfe. "Es geht darum, Afrika zu helfen, die Welt zu ernähren. Das ist, glaube ich, nicht völlig utopisch. Es ist möglich." Doch wenn Barroso afrikanischen Lebensmitteln den Weg nach Europa ebnen will, müsste er die EU-Agrarsubventionen abbauen und sich mit wichtigen europäischen Erzeugerländern wie Frankreich und Spanien anlegen. Die Subventionen sind nämlich auch dazu da, Konkurrenz aus ärmeren Ländern abzuwehren.

Martin Schulz am Redner-Pult (Archivfoto: dpa)
Der sozialistische Fraktionschef Martin Schulz will Barroso verhindernBild: picture-alliance/ dpa

"Ich bin bereit"

Jeder Auftritt Barrosos in diesen Tagen und Wochen wird auf die Frage abgeklopft, ob er erneut Kommissionspräsident werden wird. Die Staats- und Regierungschefs wollen ihn haben, aber auch das Europaparlament muss zustimmen, und dort ist eine Mehrheit keineswegs sicher. Die Mitgliedsstaaten drängen auf eine Entscheidung des Parlaments, doch mehrere Fraktionen lassen sich bewusst Zeit. Es schien in diesem Machtkampf wie eine erste Kapitulation der Mitgliedsstaaten, als der schwedische Ministerpräsident und Ratsvorsitzende Fredrik Reinfeldt vergangenen Freitag in Stockholm andeutete, es werde wohl noch dauern: "Die Fraktionen des Europaparlaments werden auf uns zukommen und sagen, was sie beschlossen haben." Ebenso gelassen gab sich jetzt Barroso: "Wenn sie bereit sind, ich bin es jedenfalls." In der Zwischenzeit kann der Kandidat im Parlament Überzeugungsarbeit leisten. Die Sätze vom grünen Wachstum und von einem Afrika, das die Welt ernährt, könnten also vor allem an seine sozialdemokratischen und grünen Gegner unter den Abgeordneten gerichtet gewesen sein.

Autor: Christoph Hasselbach

Redaktion: Hartmut Lüning