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Nie wieder Schuldenkrise

8. Dezember 2011

Eine strengere Kontrolle der nationalen Haushalte und eine enge wirtschafts- und finanzpolitische Abstimmung sollen in Europa künftig Schuldenkrisen verhindern. Doch wie dieses Ziel erreicht werden soll, ist unklar.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einer Pressekonferenz zur Euro-Rettung (Foto: dapd)
Bild: dapd

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy fordern eine Verankerung der entsprechenden Regelungen in den EU-Verträgen. Dagegen sieht EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy die Forderung nach Vertragsänderungen skeptisch.

Hürdenlauf Vertragsänderung

Van Rompuys Skepsis ist nicht ganz unbegründet: Ist doch eine "ordentliche" Vertragsänderung mit einem langwierigen Verfahren verbunden. Das Europaparlament, die EU-Kommission und die nationalen Parlamente müssen beteiligt werden. Das Prozedere sieht auch einen Konvent und eine Regierungskonferenz vor. Am Ende müssen die Mitgliedstaaten die Vertragsänderung ratifizieren. In einigen Staaten wären auch Volksabstimmungen notwendig. Deren Ausgang ist unsicher. Erinnert sei an ähnliche, gescheiterte Abstimmungen, zum Beispiel in Irland.

Eine zerbrochene Euro-Münze (Foto: picture alliance/ZB)
Der Euro darf nicht auseinanderbrechen - darin sind sich Europas Politiker einigBild: picture-alliance/ZB

Das Verfahren "ist sehr kompliziert, das dauert", sagt auch Matthias Ruffert, Europarechtler an der Universität Jena. Die von Merkel und Sarkozy angedachte Umsetzung der Vertragsänderungen bis März 2012 sei "sehr ambitioniert".

Auch der Chef der sozialistischen Fraktion im Europaparlament, der Deutsche Martin Schulz, warnt vor überzogenen Hoffnungen auf die rasche Verabschiedung eines neuen EU-Vertrags. Das Verfahren werde wegen der notwendigen Beteiligung des Europaparlaments und des Ratifizierungsprozesses "mindestens eineinhalb Jahre" dauern, sagte Schulz. Der SPD-Politiker bezweifelt, dass die Finanzmärkte so beruhigt werden können.

Zweifelhaftes Schnellverfahren

Der SPD-Politiker Martin Schulz (Foto: dpa)
"Die Währungsunion kann nur von der EZB stabilisiert werden." Der SPD-Politiker Martin SchulzBild: picture alliance / dpa

Um den Prozess abzukürzen, könnte die EU versuchen, anstelle eines "ordentlichen" ein so genanntes "vereinfachtes Vertragsänderungsverfahren" durchzuführen. In diesem Fall wäre nur ein Beschluss der EU-Länder und eine Ratifizierung in den Mitgliedstaaten notwendig. Das Europaparlament würde übergangen. Der Europapolitiker Martin Schulz kündigte für diesen Fall bereits Widerstand an.

Auch rechtlich gibt es Zweifel an einer Vertragsänderung im Schnellverfahren. Das vereinfachte Vertragsänderungsverfahren, erklärt der Europarechtler Ruffert, dürfe nicht zu einer Ausdehnung der Kompetenzen der EU führen. Genau das sei aber bei einer Erweiterung der Kontrolle der nationalen Haushalte durch die EU der Fall.

Unklar ist auch, ob alle 27 EU-Länder den geplanten Vertragsänderungen zustimmen. Großbritannien hat bereits Ablehnung signalisiert, fordert "Schutzmaßnahmen" für den Finanzplatz London. Der tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg warnt vor einer Vertragsänderung, die Referenden erfordern würde. Notfalls, so die Pläne von Merkel und Sarkozy, könnten die Vertragsänderungen aber auch nur von den 17 Euro-Staaten eingeführt werden.

Alternative Selbstverpflichtung

EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy (Foto: AP)
EU-Ratspräsident Herman Van RompuyBild: AP

EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy schlägt angesichts all dieser Probleme einen anderen Weg vor. Vertragsänderungen, so schreibt Rompuy in einem Bericht zur Vorbereitung des Gipfels, seien nicht unbedingt notwendig. Stattdessen plädiert Rompuy für eine stärkere Selbstverpflichtung der Staaten zu ausgeglichenen Haushalten.

Machbar sei dies über eine Ergänzung des Lissabon-Vertrags, schreibt Van Rompuy. "Diese Entscheidung benötigt keine Ratifizierung auf nationaler Ebene", so Rompuy und könne "somit zu schnellen und bedeutenden Änderungen führen." Es genüge ein einstimmiger Beschluss des Rates auf Vorschlag der EU-Kommission, das Europäische Parlament und die Europäische Zentralbank müssten konsultiert werden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel will aber auf den geforderten Änderungen der EU-Verträge bestehen. Es würden bei dem Treffen am Donnerstag und Freitag (08./09.12.2011) keine faulen Kompromisse gemacht, sagten hohe Regierungsbeamte am Mittwoch in Berlin. Auch der Europarechtler Ruffert hält eine eine Verschärfung der Verträge für den Königsweg. Europa brauche "einen neuen glaubwürdigen Mechanismus zur Haushaltskontrolle".

Autor: Nils Naumann
Redaktion: Julia Elvers-Guyot