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Niebel: "Fragilität zu bekämpfen braucht einen langen Atem"

Sven Pöhle8. Juli 2013

Gute Entwicklungszusammenarbeit brauche ein stabiles Sicherheitsumfeld, sagt Entwicklungsminister Dirk Niebel. In fragilen Staaten wie Mali dürfe man daher auch den Aufbau der Sicherheitsstrukturen nicht vernachlässigen.

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Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) spricht am 25.05.2013 auf dem Washingtonplatz in Berlin beim ersten Deutschen Entwicklungstag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Schwerpunkt des Programms ist Afrika. (Foto: Maurizio Gambarini/dpa)
Bundesentwicklungsminister Dirk NiebelBild: picture-alliance/dpa

DW: Herr Minister, nach ressortübergreifenden Leitlinien der Bundesregierung ist "das Engagement gegenüber fragilen Staaten prioritär dem Ziel wirksamer Krisenprävention verpflichtet". In Mali ist das gescheitert. Hat man von Seiten der Bundesregierung in Mali Fehler gemacht?

Dirk Niebel: Ich glaube kaum, dass man das Einfallen von Terroristengruppen in Mali der Bundesregierung anlasten kann. Im Gegenteil: Mali hat das gemacht, was sich Entwicklungspolitiker wünschen. Dort hat man die wenigen finanziellen Mittel in die Entwicklung von Menschen investiert und nicht in das Militär. Das Ergebnis zeigt ganz deutlich, dass auch Entwicklungsländer ihre Staatsaufgaben wahrnehmen müssen, um den territorialen Schutz und den Schutz der eigenen Bürger sicherstellen zu können. Dazu war Mali offenkundig zu schwach. Deswegen ist es wichtig, dass im konzertierten Ansatz der Bundesregierung und der internationalen Staatengemeinschaft neben der Entwicklungszusammenarbeit, die mit Sicherheit das schärfste Schwert gegen Terrorismus ist, auch die Qualifizierung von Sicherheitskräften ein Bestandteil des deutschen Engagements in Mali ist.

Hätte es mehr militärische Hilfe für Mali geben müssen?

Im Falle von Mali hätte man neben dem Aufbau des Landes auch dem Aufbau der Sicherheitsstruktur Rechnung tragen müssen. Ich weiß, dass die Bundeswehr seit vielen Jahren malische Offiziere ausbildet.

Welcher Zusammenhang besteht zwischen Sicherheits- und Entwicklungspolitik?

Alle guten Entwicklungsideen bringen ohne ein stabiles Sicherheitsumfeld relativ wenig. Das sieht man daran, dass Fragilität und das Scheitern beim Erreichen von Entwicklungszielen unmittelbar zusammenhängen. Fragile Staaten tun sich beim Erreichen der Millenniumsentwicklungsziele merklich schwerer.

Sie haben mehrfach betont, dass Entwicklungspolitik auch interessengeleitet ist. Worin besteht das deutsche Interesse an Mali?

Von Mali bis zum Mittelmeer gibt es nur eine Staatsgrenze. Beim Blick auf die afrikanische Karte kann man von Mauretanien bis Somalia einen Gürtel zunehmender Fragilität feststellen. Dort gibt es politische und religiöse Extremisten, die sich gegen die liberale freiheitliche Lebensweise in Europa und Nordamerika richten. Diese Bedrohung einzudämmen ist ein fundamentales eigenes Interesse für Deutschland.

Was hat man getan, um die Krisenregion im Norden Malis zu stabilisieren?

Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit hat sich bemüht, dass die Tuareg im Norden angemessen an staatlichen Tätigkeiten und Programmen teilnehmen können und dass wir sie - wie alle anderen Personengruppen auch - in unsere Projekte mit einbeziehen. Das ist von zentraler Bedeutung, damit nicht aufgrund von Ausgrenzung oder besonderer Unterstützung einzelner Gruppen zusätzliche Spannungen auftreten. Aber die deutsche Entwicklungszusammenarbeit kann das Land natürlich nicht alleine entwickeln. Im Gegenteil: Wir geben immer nur Hilfestellungen, dass die malischen Strukturen so stark werden können, dass malische Eliten ihr Land selbst führen können. Und da müssen wir wohl noch was machen.

Welche Weichen müssen gestellt werden, um Mali nachhaltig wiederaufzubauen?

Die malischen Autoritäten müssen den Fahrplan zur Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung umsetzen. Dazu gehören vor allem freie und faire Wahlen, die im gesamten Territorium stattfinden müssen. Die Menschenrechte müssen geachtet und ein Versöhnungsdialog durchgeführt werden. Rechtsstaatlichkeit ist eine zentrale Voraussetzung. Zudem muss das Militär wieder zivil kontrolliert werden. Dann haben wir mit einer entwicklungsorientierten Regierung die Möglichkeit, auch wieder entsprechende Entwicklungserfolge zu erzielen. Das bedarf der Transparenz der malischen Regierung und der Korruptionsbekämpfung. Und hier haben wir auch in der internationalen Gebergemeinschaft klare Verabredungen getroffen: Wenn das nicht gewährleistet ist, können die Mittel nicht fließen, die wir zugesagt haben.

Sie haben Mali für die kommenden Jahre 100 Millionen Euro in Aussicht gestellt. Von 2009 bis zum Putsch im März 2012 wurde Mali von deutscher Seite mit Entwicklungsprojekten im Umfang von 125 Millionen Euro unterstützt. Wofür wurden diese Mittel verwendet und was ist in Zukunft geplant?

Wir haben uns besonders im Bereich der ländlichen Entwicklung und der Dezentralisierung engagiert, dann aber aufgrund der Putsch-Situation die Zusammenarbeit mit Regierungsstellen eingestellt. Regierungsfern und bevölkerungsnah haben wir in Mali aber weitergearbeitet. Und wir setzen genau dort wieder an: Wir unterstützen die Dezentralisierung, um von unten eine demokratisch tragfähige Struktur aufzubauen. Und wir nehmen die Entwicklung ländlicher Räume und damit auch die Ernährungssicherung in den Blick. Wir unterstützen den Fahrplan der malischen Regierung zurück zu demokratischen Verhältnissen. Daher haben wir unsere Zusagen konditioniert: Für die Jahre 2013 und 2014 sind wir bereit, bis zu 100 Millionen Euro zu investieren, wenn der Fahrplan entsprechend umgesetzt wird.

Die derzeitige Lage in Ägypten ähnelt in Ansätzen der in Mali im März 2012: Das Militär bringt eine gewählte Regierung zu Fall. Unter welchen Bedingungen kann die Zusammenarbeit mit Ägypten - Deutschland ist der zweitgrößte Geber von Entwicklungshilfe für das Land - fortgesetzt werden?

Es ist zu früh, das abschließend zu beurteilen - dazu wissen wir noch zu wenig über die Ausrichtung der Übergangsregierung. Besonders wichtig wird sein, dass die Übergangsregierung rasch auf den Weg zur Demokratie zurückkehrt. Im Übrigen gilt: Deutschland ist langjähriger verlässlicher Partner der Menschen in Ägypten und bleibt das auch. Wir werden die Menschen in Ägypten nicht allein lassen.

Wie lässt sich das Scheitern eines Staates überhaupt verhindern?

Das Scheitern von Staaten kann in erster Linie nur von den Staaten selbst und nicht von außen verhindert werden. Wir können aber dazu beitragen, indem wir Perspektiven aufzeigen, die Staaten mehr Stabilität ermöglichen. Das hat nicht nur mit Geld zu tun. Das hat viel mit Rahmenbedingungen zu tun und damit, ob Korruption bekämpft wird, die eines der größten Entwicklungshemmnisse überhaupt ist. Insgesamt gilt: Fragilität zu bekämpfen braucht einen langen Atem. Unser zentrales Anliegen ist es, die Zivilgesellschaft stark zu machen. Überall wo es eine schwache Zivilgesellschaft gibt, findet man auch schwache Staaten.

Dirk Niebel (FDP) ist seit 2009 Bundesminister für wirt­schaft­liche Zu­sam­men­ar­beit und Ent­wick­lung.

Das Gespräch führte Sven Pöhle.