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Niederländer stehen vor Regierungswechsel

9. Juni 2010

Bei der Parlamentswahl in den Niederlanden haben die Bürger nach bisherigen Auszählungen für einen Regierungswechsel gestimmt. Stärkste Parteien wurden danach die Liberalen und die Sozialdemokraten.

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Wahlplakate (Foto: DW-TV)
Die vorgezogene Neuwahl in den Niederlanden könnte einen Regierungswechsel bingenBild: DW-TV

Den Zahlen aus Den Haag zufolge liegt die liberale Partei für Demokratie und Freiheit (VVD) mit 31 Parlamentssitzen vorne, unmittelbar gefolgt durch die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (PvdA) mit 30 Mandaten. Die Christdemokraten des bisherigen Ministerpräsidenten Jan Peter Balkenende stürzten von einst 41 Mandaten auf 21 Sitze ab. Balkenende trat nach Bekanntgabe der ersten Wahlergebnisse vom Amt des Parteivorsitzenden zurück.

Rechtspopulisten legen deutlich zu

Aufgetrumpft hat die rechtspopulistische "Partei für die Freiheit" von Geert Wilders. Sie konnte die Zahl ihrer Mandate von neun auf 24 steigern. Die Partei hatte unter anderem einen Einwanderungsstopp für Muslime und die Kürzung der Sozialhilfe für neue Immigranten verlangt.

Porträt Rutte (Foto:AP)
Konnte zuletzt mit Wirtschaftsthemen punkten: Liberalenchef Mark RutteBild: AP

Rund zwölf Millionen Niederländer waren aufgerufen, über die Zusammensetzung der 150 Sitze zählenden Volksvertretung zu entscheiden. Der Wahlkampf war vor allem von Maßnahmen zur Überwindung der Schuldenkrise und des Haushaltsdefizits dominiert worden. Die Liberalen traten mit einem radikalen Sparprogramm an, das auch vor der Kürzung von Sozialleistungen nicht haltmachte. Die Sozialdemokraten hatten dies im Wahlkampf als Politik der sozialen Kälte kritisiert.

Streit über die Afghanistan-Politik

Die Neuwahl war notwendig geworden, nachdem Balkenendes Mitte-Links-Regierung im Februar am Streit über eine Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes zerbrochen war.

Als möglicher neuer Regierungschef wurde vor der Wahl der 43-jährige Ex-Manager Mark Rutte von der VVD gehandelt. Er wird als «Wilders light» bezeichnet - seine Haltung zur Zuwanderung sei ebenso hart wie die Wilders', nur nicht so bösartig, heißt es.

Foto: dpa
Zusammenkunft im Wahlkampf: die Parteichefs (v.l.n.r.) Mark Rutte (VVD), Geert Wilders (PVV), Job Cohen (PVDA) und Jan Peter Balkenende (CDA) vor Beginn einer FernsehdebatteBild: picture alliance/dpa

Doch Rutte dürfte es schwer haben, eine funktionierende Koalition zu schmieden. Zu Sozial- und Christdemokraten gibt es tiefgreifende Differenzen, und ein Bündnis mit Wilders schließen so gut wie alle Parteien aus.

Im Wahlkampf hatte Rutte erklärt, bis zum 1. Juli eine Regierung aufstellen zu wollen. Sie soll nach seinen Worten die Staatsausgaben kürzen, die Verwaltung verkleinern und die Unterstützung für Immigranten reduzieren. Dagegen wollen die Sozialdemokraten unter Führung des langjährigen Amsterdamer Bürgermeisters Job Cohen, 62, an den Sozialausgaben nicht rütteln.

Sollte die VVD in die Regierungsverantwortung kommen, dann wäre es das erste Mal seit 1913, als ihre Vorgängerpartei dies schaffte. Als Juniorpartner war sie allerdings schon an mehreren Regierungen unter Führung der Arbeiterpartei und der Christdemokraten beteiligt.

Wilders-Partei schon bei Kommunalwahl überraschend stark

Die PvdA will an den Sozialausgaben nicht rütteln, die Steuern erhöhen und Einwanderer besser integrieren. Ihr Spitzenkandidat Job Cohen trat 2004 als Bürgermeister von Amsterdam nach der Ermordung des Filmemachers Theo van Gogh durch einen islamischen Extremisten gemeinsam mit dem damaligen Stadtrat Ahmed Aboutaleb der verbreiteten anti-islamischen Stimmung im Land entgegen.

Die Freiheitspartei schnitt bereits bei der Kommunalwahl im März überraschend stark ab und lag bei einer landesweiten Probeabstimmung unter Schulkindern in dieser Woche ganz vorne. Ihrem 46 Jahre alten Parteichef Wilders drohen strafrechtliche Ermittlungen wegen Anstiftung zum Rassenhass. Er hat unter anderem den Koran als faschistisches Buch bezeichnet und dessen Verbot gefordert. Da Wilders immer wieder mit dem Tod bedroht worden ist, lebt er ständig unter Polizeischutz.

Autor: Marko Langer (apn, dpa, rtr)
Redaktion: Michael Wehling