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Niederländische Minderheitsregierung vereidigt

14. Oktober 2010

Erstmals seit Jahrzehnten haben die Niederlande wieder eine Minderheitsregierung. Das Kabinett von Ministerpräsident Rutte ist aber auf die Hilfe der Freiheitspartei des Islam-Kritikers Wilders angewiesen.

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Das neue niederländische Kabinett mit Königin Beatrix (Foto: AP)
Das neue niederländische Kabinett mit Königin BeatrixBild: AP

Monatelang haben die Parteien nach der vorgezogenen Parlamentswahl vor 127 Tagen verhandelt, nun haben die Niederländer endlich wieder eine Regierung. Es ist die erste Minderheitsregierung des Landes seit dem Zweiten Weltkrieg. Und erstmals seit 1918 steht mit Mark Rutte von den Liberalen ein Mitglied seiner Partei an der Kabinettsspitze. Rutte und seine Minister legten am Donnerstag (14.10.2010) vor Königin Beatrix ihre Eide ab. Die Minderheitsregierung von Liberalen und Christdemokraten kann jedoch nur mit der Duldung durch die Freiheitspartei des radikalen Islam-Gegners Geert Wilders arbeiten. Beobachter bezweifeln, dass die Regierung eine volle Legislaturperiode überstehen wird.

Ministerpräsident Rutte (links) nach der Vereidigung durch die Königin (Foto: AP)
Ministerpräsident Rutte (links) nach der Vereidigung durch die KöniginBild: AP

Nach der Vereidigung machte Rutte sofort klar, wohin die Reise der neuen Koalition führen soll. Zwar versicherte er, sein Land werde "für Asylsuchende immer offen sein", kündigte aber im gleichen Atemzug eine Beschränkung der Einwanderung an. "Wir können nicht weiterhin so viele Menschen einreisen lassen, die keine Perspektive haben", sagte der 43-jährige Rechtsliberale in Den Haag.

Nur eine Stimme Mehrheit

Über die Unterstützung seiner Regierung aus Rechtsliberalen (VVD) und Christdemokraten (CDA) durch die Wilders-Partei PVV zeigte sich Rutte "glücklich". Hinsichtlich des Islams gebe es aber unterschiedliche Ansichten. "Für die CDA und die VVD ist der Islam eine Religion, für die PVV eine politische Ideologie, das ist ein grundlegender Unterschied", so Rutte.

Die rechtsliberale Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) und der Christdemokratische Appell (CDA) verfügen im niederländischen Parlament - genauer gesagt Tweede Kamer - mit insgesamt 150 Sitzen nur über 52 Abgeordnete und sind daher auf die 24 Stimmen der rechtspopulistischen Freiheitspartei (PVV) von Wilders angewiesen, um eine knappe Mehrheit von 76 Sitzen zu erreichen.

Welche Rolle spielt der Senat?

Das neue Triumvirat in Den Haag: die Parteichefs Rutte, Maxime Verhagen (CDA) und Geert Wilders (Foto: dpa)
Das neue Triumvirat in Den Haag: die Parteichefs Rutte, Verhagen und WildersBild: picture-alliance/dpa

Im Senat, der Gesetzesvorlagen zurückweisen kann, sind die Regierungsparteien von einer Mehrheit noch weit entfernt. Die PVV ist in dem mit dem Bundesrat in Deutschland vergleichbaren Gremium bisher nicht vertreten. Das könnte sich aber nach den Senatswahlen im März ändern.

Dem neuen Kabinett gehören je sechs Minister der Koalitionsparteien an. Der bisherige Außenminister Maxime Verhagen (CDA) wurde zum Ressortchef für Wirtschaft, Landwirtschaft und Innovation ernannt, er ist zudem stellvertretender Ministerpräsident. Die Führung des Außenministeriums übernimmt der 65-jährige VVD-Politiker Uri Rosenthal.

Glückwünsche von der EU

Die Europäische Union gratulierte Rutte zu seinem neuen Amt. Kommissionspräsident José Manuel Barroso schrieb, er freue sich "auf die Zusammenarbeit zur Lösung der Probleme, mit denen Europa konfrontiert ist". EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy wünschte Rutte "vollen Erfolg für die Zukunft". Auf die Duldung der Regierung durch die Rechtspopulisten gingen beide Politiker in ihren Schreiben nicht ein.

Wilders muss sich wegen Hetze gegen Muslime vor Gericht verantworten (Foto: AP)
Wilders muss sich wegen Hetze gegen Muslime vor Gericht verantwortenBild: AP

Im Koalitionsvertrag hat das neue Regierungsbündnis Einsparungen im Staatshaushalt in Höhe von 18 Milliarden Euro vereinbart. Zugleich sollen aber 3000 neue Polizisten eingestellt werden. Zusätzliche Mittel fließen in den Bau von Schnellstraßen, und das Tempolimit auf Autobahnen soll von 120 auf 130 Stundenkilometer steigen.

Gemäß dem Duldungsabkommen mit der PVV soll in den Niederlanden nun ein generelles Verbot des Ganzkörperschleiers Burka erlassen werden. Die Einwanderung von Menschen aus islamischen und anderen nichtwestlichen Ländern werde um 50 Prozent zurückgedrängt, kündigte Wilders an.

Autor: Reinhard Kleber (dpa, afp, dapd)
Redaktion: Sabine Faber