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Niederlande Wahlen

9. Juni 2010

Die Niederlande galten immer als weltoffen und liberal. Doch dies könnte sich ändern. Bei den Wahlen an diesem Mittwoch steht Rechtspopulist Wilders möglicherweise vor seinem nächsten Triumph.

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Porträt Geert Wilders (Foto: EPA/DPA DENNY HENRY)
Geert WildersBild: picture-alliance/ dpa

Die Niederlande standen lange im Ruf, ein fremdenfreundliches Land zu sein. Sie waren bekannt für ihre erfolgreiche Politik zur Integration von muslimischen Einwanderern. Amsterdam galt als Musterstadt für das Zusammenleben verschiedener Kulturen. Aber das ist lange vorbei. Die Ablehnung vor allem des Islams in der niederländischen Gesellschaft wächst und das wird auch bei den Parlamentswahlen zu spüren sein, die am Mittwoch (09.06.2010) stattfinden.

Vorgezogene Neuwahlen

Jan Peter Balkenende Porträt vom 20 February 2010 (Foto: EPA/VALERIE KUYPERS dpa)
Seit 2002 ist Balkenende Ministerpräsident. Wird er es bleiben?Bild: picture-alliance/dpa

Die vorgezogene Neuwahl wurde notwendig, als die große Koalition von Jan Peter Balkenende aus Christ- und Sozialdemokraten im Februar auseinander brach. Die Koalitionspartner hatten sich nicht auf eine gemeinsame Linie beim Afghanistan-Einsatz der niederländischen Soldaten einigen können.

Nun steht das Land vor einem Rechtsruck. In den Umfragen liegt zurzeit die rechtsliberale Partei VVD unter Führung von Mark Rutte ganz vorne. Eine absolute Mehrheit dürfte die Partei aber kaum erreichen. Sie lockt vor allem mit dem Versprechen, in den kommenden Jahren 400.000 neue Jobs zu schaffen und gleichzeitig den Staatshaushalt in Ordnung zu bringen. Aber auch der ehemalige VVD-Abgeordnete Geert Wilders liegt gut im Rennen und hat mit seiner 2004 gegründeten Freiheitspartei PVV als der zurzeit viertstärksten Kraft gute Chancen, an der zukünftigen Regierungskoalition in Den Haag beteiligt zu werden.

Geert Wilders, leader of Dutch far-right party PVV speeches to his followers during a meeting in Almere, Netherlands, 03 March 2010 to celebrate the outcome of the municipal elections. The PVV, who only took part in the elections in Almere and the Hague, became the biggest party in Almere. Foto: EPA/DPA ROBIN VAN LONKHUIJSEN)
Wilders beim WahlkampfBild: dpa

Rechtspopulist mit Erfolgschancen

Geert Wilders gibt sich bei seinen Wahlkampfauftritten am liebsten bürgernah, selbstsicher und 100-prozentig niederländisch. Er will sich als Alternative verkaufen zur etablierten Politiker-Elite aus Den Haag. Seine Botschaft ist genauso einfach wie plump: Er will die Einwanderung von nicht-westlichen Migranten in die Niederlande stoppen. Am liebsten sofort. Das ist sein wichtigstes Wahlziel. Dabei sieht er auch keine Probleme mit den europäischen Vorgaben. "Es gibt Länder, die sind viel strenger als die Niederlande, zum Beispiel Dänemark. Die Maxime, dass wir einfach alle reinlassen, die tut den Niederlanden jedenfalls nicht gut“, sagt Wilders und erntet dafür Applaus bei seinen potentiellen Wählern, die ihm zujubeln. Geert Wilders macht Wahlkampf bis zur letzten Minute; zum Beispiel in dem Städtchen Zwolle in der Provinz Overijssel und er hat Erfolg. „Ich will Wilders als Premierminister“, sagt eine Blumenhändlerin auf dem Markt. „Ich finde, die Einwanderer müssen sich besser an unsere niederländische Kultur anpassen.“

Niederländer sollen sich abgrenzen

Muslimin mit Fahrrad (Foto: AP Photo/ Arie Muller)
Einwanderer müssen sich zunehmend rechtfertigenBild: AP

Die Niederlande verändern sich und Wilders macht sich die Anti-Islam-Stimmung zu Nutze, sagt auch der Politik- und Sozialwissenschaftler André Krouwel von der Freien Universität Amsterdam: „Wilders zeichnet das Bild von einem internationalen Krieg: Der Islam gegen das Christentum. Er macht die Einwanderer für die Krise verantwortlich. Sie zerstören unsere christlichen Werte.“

Solche Sprüche ziehen bei den niederländischen Wählern, gerade jetzt in der Wirtschaftskrise. Die will Wilders sich zu Nutze machen. Er hat eine Studie in Auftrag gegeben, die belegen soll, wie viel Geld die Einwanderungspolitik den niederländischen Steuerzahler kostet. Das private Institut für wirtschaftliche Studien "Nyfer" kommt zu dem Schluss, dass das Land jährlich rund 7,2 Milliarden Euro für die Einwanderer ausgibt. Diese Menschen würden überdurchschnittlich viel Arbeitslosen- oder Sozialhilfe bekommen, weniger Steuern zahlen und dem Staat höhere Kosten bei der Bekämpfung von Kriminalität verursachen, heißt es in der Untersuchung.

Sparen bei Integration

Einkaufsstraße in Amsterdam
Wahlfang auf Kosten von MinderheitenBild: picture-alliance / HB Verlag

Wilders fordert nun, dass nach den Wahlen nicht an den Renten oder an der Studienfinanzierung der Niederländer gekürzt werden soll, sondern vielmehr bei der Unterstützung der Einwanderer und bei der Entwicklungshilfe.

Längst gelten solche Forderungen nicht mehr als rechtsextrem oder rassistisch. Eine immer größer werdende Zurückhaltung gegenüber Fremden beobachtet auch der marokkanische Schriftsteller Fouad Laroui, der seit 20 Jahren in Amsterdam lebt und arbeitet: "Ich muss mich heutzutage ständig rechtfertigen. Die Leute interessiert nur, ob ich ein braver, integrierter Einwanderer bin oder ein potentieller Bombenleger.“

Fouad Laroui glaubt nicht, dass Wilders Chancen hat, tatsächlich der nächste Premierminister der Niederlande zu werden. Aber er befürchtet sehr wohl, dass sich das Land auch in den kommenden Jahren weiter in eine nationalistische, fremdenfeindliche Richtung bewegen wird. Und davon könnte Wilders dann schon bei den nächsten Wahlen weiter profitieren.

Autor: Ruth Reichstein
Redaktion: Gero Rueter/Reinhard Kleber