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Komplizierter Kampf gegen Korruption

Katrin Gänsler16. Dezember 2015

In Nigeria steht ein Ex-Politiker vor Gericht - wegen Korruption im ganz großen Stil. Der Fall soll Aufklärung bringen, denn bestechliche Beamte und Wirtschaftsbosse haben vermutlich Milliarden von Euro kassiert.

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Nigeria Plakate und Aufkleber gegen Korruption (Foto: DW/Katrin Gänsler)
Bild: DW/K. Gänsler

Taxifahrer Umar Aliyu erinnert sich noch ganz genau: Am Yar'Adua-Centre mitten in der nigerianischen Hauptstadt Abuja war er falsch abgebogen, prompt stoppten ihn drei Polizisten. Doch anstatt ein Knöllchen zu schreiben, seinen Führerschein einzukassieren oder ihn mit aufs Revier zu nehmen, wollten sie sofort Bargeld sehen. "Ich habe ihnen gesagt, dass ich nur 200 Naira bei mir habe", sagt Aliyu. Er habe um einen Strafzettel gebeten, aber das hätten die Beamten abgelehnt. "Dann habe ich gebettelt, weiterfahren zu dürfen. Schließlich haben sie entschieden, das Geld zu nehmen." 200 Naira - das ist umgerechnet ein knapper Euro.

Undurchsichtige Verstrickungen

Für Korruption auf allen Ebenen ist Nigeria berüchtigt. Im aktuellen Ranking von Transparency International liegt das Land auf Platz 136 von 175. Seit ein paar Wochen gibt es allerdings eine neue Dimension. Grund dafür ist der Skandal um Sambo Dasuki. Der nationale Sicherheitsberater von Ex-Präsident Goodluck Jonathan steht seit Montag mit fünf weiteren Politikern vor Gericht. Ihnen wird vorgeworfen, umgerechnet 89,8 Millionen Euro veruntreut zu haben.

Zum ersten Mal zeigt eine Untersuchung recht detailliert, wohin völlig unkontrolliert Gelder geflossen sind. Es gibt unter anderem Verbindungen zu einem Radio-Sender, der nigerianischen Zentralbank und dem Finanzministerium. Jede Woche kommen neue Verstrickungen hinzu. "Das ist wie ein Geschwür, das sich öffnet", sagt Soji Apampa, Mitbegründer von "Integrity". Seine Organisation entwickelt seit 20 Jahren Instrumente gegen Korrumpierbarkeit. Außerdem würde der Fall der Bevölkerung zeigen, wie weit die ehemalige Regierung möglicherweise gegangen wäre, um einen Wahlsieg zu erreichen.

Soji Apampa, Mitbegründer der Beratungsfirma Integrity " (Foto: DW/Katrin Gänsler)
Soji Apampa, Mitbegründer der Beratungsfirma "Integrity"Bild: DW/K. Gänsler

Gelder für Stimmenkauf veruntreut

Es gilt als wahrscheinlich, dass zumindest ein Teil des verschwundenen Geldes zum Kauf von Wählerstimmen genutzt wurde. Schon Monate vor der Wahl, die von Februar auf Ende März verschoben wurde, wirkten Ministerien und Behörden wie ausgeblutet. Auch im Kampf gegen die Terrorgruppe Boko Haram tat sich nichts, obwohl einige Gelder für die Armee vorgesehen waren. Dort kamen sie, schätzt Apampa, zwar an, wurden aber nicht in bessere Ausrüstung investiert.

Nigeria Präsident Muhammadu Buhari Plakate (Foto: DW/Katrin Gänsler)
Präsident Buhari hat ein hartes Vorgehen gegen Korruption versprochenBild: DW/K. Gänsler

Doch die Verantwortlichen hatten die Rechnung damals ohne die Wähler gemacht, die Herausforderer Muhammadu Buhari gleich im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit bescherten. Neben Terrorbekämpfung und Wirtschaftsförderung war die Korruptionsbekämpfung sein zentrales Wahlkampfthema. Doch obwohl nun immer mehr Namen von mutmaßlich bestechlichen Politikern auftauchen, fehlt vielen Nigerianern eine klare politische Strategie. "Offenbar möchte man nicht vorher mitteilen, in welche Richtung Ermittlungen laufen", verteidigt Soji Apampa das Vorgehen des neuen Präsidenten Buhari. "Niemand weiß, wer als nächstes an der Reihe ist".

Undichte Stellen stopfen

Für Eze Onyekpere, Direktor des nichtstaatlichen "Zentrums für soziale Gerechtigkeit" ist die Taktik aber nicht ausreichend: "Wenn es nur um politische Machtspiele geht, macht es keinen Sinn." Wichtig sei deshalb, bestechliche Politiker nicht nur anzuklagen und verschwundene Gelder zurück zu fordern - sondern herauszufinden, warum es in Nigeria offenbar so einfach ist, Millionen von Euro zu stehlen.

Nigeria Eze Onyekpere Zentrum für soziale Gerechtigkeit (Foto: DW/Katrin Gänsler)
Eze Onyekpere von der NGO "Zentrum für soziale Gerechtigkeit"Bild: DW/K. Gänsler

Eine Maßnahme könnte nun das neu eingeführte Zentralkonto der Regierung sein. Bisher verfügten Ministerien und Behörden über unzählige Konten. Niemand hatte den Überblick, wie viel Geld für welche Zwecke überwiesen oder ausgezahlt wird. Falsch verbucht wurden häufig auch Einnahmen, etwa aus dem Ölgeschäft. Das Zentralkonto sei ein guter Schritt, findet Eze Onyekpere. Aber es könne anfangs auch Schwierigkeiten bringen: "Behörden werden mitunter Probleme haben, an ihr Geld zu kommen. Aber das dürfte daran liegen, dass das System noch neu ist."

Vorsichtige Polizisten

Alltagskorruption, wie etwa die von Polizisten und Grenzbeamten, wird damit freilich nicht erfasst. Trotzdem ist Taxifahrer Umar Aliyu zuversichtlich. In Sachen Bestechlichkeit würde sich gerade viel zum Besseren wandeln, sagt er - obwohl er mal wieder 200 Naira abdrücken musste. "Die Polizisten sind schon vorsichtiger geworden. Vorher hätten sie mich das Auto abstellen lassen und viel Lärm gemacht. Sie hätten keine Angst gehabt, offen nach Geld zu fragen. Jetzt ist das anders, deshalb habe ich das Geld in ein Notizbuch gelegt." Aus dem hat es einer der Polizisten genommen und Umar Aliyu weiter fahren lassen.