1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Nigerianischer Blick auf die Wahl

24. September 2009

19 Wissenschaftler aus 18 Ländern fahren zur Bundestagswahl nach Berlin. Der Weg dorthin führt sie quer durch die Republik - und jeder Wahlbeobachter zieht seine eigene Erkenntnis aus der Reise.

https://p.dw.com/p/Jo47
Ndidi Nnoli-Edozien ist Präsidentin der nigerianischen "Growing Business Foundation" (Foto: DW Philipp von Bremen)
Ndidi Nnoli-Edozien aus Nigeria an einem Wahlkampfstand der Grünen in Mannheim.Bild: DW

Wahlkampf in Deutschland. Auf dem Willy-Brandt-Platz vor dem Mannheimer Hauptbahnhof steht eine kleine Bühne. Die Jugendorganisation der Gewerkschaft Verdi hat zur Podiumsdiskussion eingeladen. Gekommen sind die Mannheimer Direktkandidaten der Grünen, der SPD und der Linken. Im Publikum sitzen viele junge Wähler.

"Mit der Stimme etwas beeinflussen"

Ndidi Nnoli-Edozien und Makato Ida bei einer Podiumsdiskussion vor dem Mannheimer Hauptbahnhof. (Foto: Philipp von Bremen)
Aufmerksam zuhören: Ndidi Nnoli-Edozien und Makoto Ida bei einer Podiumsdiskussion.Bild: DW

Auch die Nigerianerin Ndidi Nnoli-Edozien hat auf einer der wackeligen Bierbänke Platz genommen. In Nigeria, so Nnoli-Edozien, seien die Menschen schon sehr interessiert an Politik: "Aber das Gefühl, dass man mit einer Stimme etwas beeinflussen kann, das haben wir in Nigeria noch nicht hingekriegt." Die Präsidentin der nigerianischen "Growing Business Foundation" interessiert sich besonders für alternative, kreative Wahlkampfformen, die auch ohne großes Budget auskommen. In Deutschland hat sie das bisher aber nicht gefunden. "Wir müssen kreativer werden in unserer Politik", fordert sie - für Nigeria und für Deutschland. Dann könnten auch die Schichten angesprochen werden, die sonst nicht zur Wahl gehen würden. Obama habe das in den USA gezeigt.

"Deutsche Politiker arbeiten professioneller"

Makoto Ida und Banjerd Singkaneti an einem Wahlkampfstand der Grünen. (Foto: Philipp von Bremen)
Makoto Ida und Banjerd Singkaneti lernen Straßenwahlkampf in Deutschland kennen.Bild: DW

Makoto Ida aus Japan ist Professor für Strafrecht und Vize-Präsident der Tokioter Keio Universität. Er verfolgt die Diskussion ebenfalls sehr aufmerksam. Ihm fällt auf, dass deutsche Politiker viel professioneller arbeiten. "Sie denken viel exakter, viel rationaler" sagt Ida. In Japan hingegen werde in der Politik nur eine vereinfachte Diskussion geführt. Dort könnten daher auch Schauspieler, Sänger oder Journalisten in der Politik erfolgreich sein. Ida reist derzeit quer durch die Republik. Er und Ndidi Nnoli-Edozien sind zwei von 19 Deutschlandexperten, die auf Einladung des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) die Bundestagswahl beobachten. Die Wissenschaftler aus 18 verschiedenen Ländern haben alle bereits in oder über Deutschland geforscht. In dieser Woche führen sie Gespräche mit Wirtschaftsvertretern, analysieren Streitgespräche der Spitzenkandidaten, lassen sich die Wahlkampfstrategien der Parteien erklären und besuchen Medienhäuser.

Die Macht der kleinen Parteien

Marcos Nobre und Alesander Yu.Chepurenko an einem Wahlkampfstand der Grünen in Mannheim. (Foto: Philipp von Bremen)
Marcos Nobre und Alesander Yu.Chepurenko im Gespräch mit einem grünen Wahlkämpfer.Bild: DW

Marcos Nobre aus Brasilien interessiert sich dafür, wie kleinere Programmparteien zur Öffnung des politischen Systems beitragen können. In Brasilien gebe es seit den neunziger Jahren zwar eine stabile Mitte, die das Land führe. Das politische System, so Nobre, verschließe sich jedoch gegenüber neuen sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungen. In Deutschland könne man hingegen beobachten, wie soziale Bewegungen und Programmparteien neue Themen in die politische Diskussion einbringen. Der brasilianische Philosophieprofessor hofft auf vergleichbare Prozesse in seinem Land. Die grüne Politikerin Marina Silva könne dazu beitragen, glaubt er. Mit einem Umweltschutzprogramm bewirbt sie sich um das brasilianische Präsidentschaftsamt. Dass sie gewinnt, sagt Nobre, sei dabei gar nicht wichtig. Wichtig sei vielmehr, dass durch die Kandidatur neue Probleme in der Öffentlichkeit diskutiert werden.

Autor: Philipp von Bremen

Redaktion: Dirk Bathe