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Nigerias Frauen wollen in die Politik

2. April 2011

In Nigeria beginnt am Samstag ein Wahlmarathon. Erst finden Parlamentswahlen statt, eine Woche später die Präsidentenwahl, eine Woche darauf die Gouverneurswahlen. Vor allem Frauen fordern mehr politische Mitsprache.

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Nigerianerinnen beim Trocknen von Cassava (Foto: Gänsler)
Viele Nigerianerinnen wollen nicht nur Cassava trocknen, sondern auch in der Politik ernstgenommen werdenBild: DW/Katrin Gänsler

Weltweit sind rund 19 Prozent aller gewählten Mandatsträger Frauen. Von dieser Zahl ist das westafrikanische Nigeria noch weit entfernt. Wenn dort Frauen in die Politik wollen, müssen sie einiges einstecken. Häufig werden sie schon lange vor den Wahlen gestoppt und nicht einmal als Kandidatinnen nominiert. Aber auch körperliche Gewalt wenden männliche Kontrahenten immer wieder an um sie aus der politischen Arena fernzuhalten. Trotzdem lassen einige Frauenrechtsorganisationen nicht locker und fordern die Einführung einer Quote für das Parlament und Regierungsämter.

Wahlhelfer zählen in Ibadan Stimmzettel aus (Foto: AP)
Wahlhelfer zählen in Ibadan Stimmzettel ausBild: dapd

Princess Tayo ist im Moment ständig unterwegs. Seit mehr als 30 Jahren ist die Nigerianerin politisch aktiv und jetzt macht sie Wahlkampf für Action Congress of Nigeria – den ACN. Sie selbst kandidiert zwar nicht. Aber sie spricht überall in ihrer Nachbarschaft in Ebute Meta, einem quirligen Stadtteil im Herzen von Lagos, mit Freunden und Bekannten über die Ziele ihrer Partei. Schließlich werden in Nigeria ab Samstag (02.04.2011) binnen drei Wochen ein neues Parlament, der Präsident und die Gouverneure der 36 Bundesstaaten und des Hauptstadtdistrikts Abuja gewählt.

Nur geringe Chancen

Frauen werden auf den Wahllisten aber nur selten auftauchen. „Frauen haben in Nigeria nur hauchdünne Chancen. Afrikaner glauben einfach, dass einige Posten nicht von uns besetzt werden können", sagt Princess. Über diese Vorurteile ärgert sich die Aktivistin oft. Besonders hätten Politikerinnen aber in den Phasen der Militärherrschaft leiden müssen, die sich in dem westafrikanischen Land immer wieder mit zivilen Regierungen abgewechselt hat. Die Militärjahre waren für viele von extremer Willkür geprägt.

Einen Funken Hoffnung hatten die Nigerianer jedoch am 12. Juni 1993 als Moshood Abiola zum Präsidenten wurde. Doch das Militärregime erkannte das Ergebnis nicht an. Princess Tayo zog mit anderen Frauen auf die Straßen von Lagos und protestierte. Soldaten verhafteten sie und brachten sie für eine Nacht ins Gefängnis. Über dieses traumatische Erlebnis spricht Princess Tayo auch viele Jahre später nur ungern: "Ich danke Gott, dass ich noch lebe. Was wir unter dem Militär erlebt haben, kann ich nicht in Worte fassen. Es war so fürchterlich."

Frauengruppen fordern Mitsprache

Heute hat sich das politische Klima grundlegend gewandelt. Seit 1999 ist wieder eine Zivilregierung an der Macht. Außerdem pochen immer mehr Frauenrechts-Organisationen auf politische Mitbestimmung. Doch auch heute noch kommt es immer wieder zu Gewalt gegenüber Politikerinnen. Erst vor drei Wochen ist eine Frau, die für die Senatswahlen kandidiert, im Beisein von anderen Parteimitgliedern verprügelt worden. Diese wollten sie los werden und einen Mann ins Rennen schicken. Dabei hat Nigeria bereits 1985 das UN-Abkommen gegen jede Art von Frauendiskriminierung (CEDAW) unterzeichnet – aber Papier ist bekanntlich geduldig.

Er kandidiert für die Opposition bei der Präsidentenwahl - der frühere Anti-Korruptionsexperte Nuhu Ribadu (Foto: AP)
Er kandidiert für die Opposition bei der Präsidentenwahl: Der frühere Anti-Korruptionsexperte Nuhu RibaduBild: AP

Genau solche Angriffe sind für Alvana Ojukwu ein Grund, weshalb Frauen in politischen Ämtern so unterrepräsentiert sind. Die junge Frau arbeitet für das Zentrum für Demokratie und Entwicklung, das mehrere Büros in Nigeria unterhält und sich für Demokratieförderung einsetzt.

"Gerade einmal sieben Prozent aller politischen Mandatsträger sind weiblich", sagt Alvana Ojukwu. "Die Statistik zeigt, dass im Parlament von 360 Abgeordneten 27 weiblich sind." Der Senat habe insgesamt 109 Abgeordnete, aber nur neun von ihnen seien Frauen.

Quote überfällig

Um das zu ändern, fordern Frauenrechts-Organisationen im ganzen Land die Einführung einer Quote per Gesetz. Durch sie soll sichergestellt werden, dass mindestens 35 Prozent aller politischen Ämter an Frauen gehen. Auch politische Parteien werden aufgefordert, auf ihren Wahllisten mindestens jede dritte Kandidatur mit einer Frau zu besetzen. Im vergangenen Jahr hätte es eine einmalige Chance gegeben dieses in der Verfassung zu verankern.

Doch die Frauen scheiterten, sagt Rabi Musa Abdullahi. Sie arbeitet in der renommierten Frauenrechtsorganisation Wrapa und ist dort für politische Aufklärung zuständig. "Wir hatten Pech. Zwar hat das Komitee 60 Prozent unserer Vorschläge aufgegriffen, aber die Einführung der Quote hat der Gesetzgeber abgelehnt." Die engagierten Frauen seien aber nicht müde und würden weiter machen: "Auch in Zukunft bringen wir Frauen-Themen auf die Tagesordnung und kämpfen für die Quote."

Männer lächeln mitleidig

Doch der Kampf hilft wenig, weil die gesetzliche Quote für Frauen vielen Menschen unbekannt ist. Keine einzige nigerianische Partei hat sie zum Wahlkampfthema gemacht. Männer, die sich trotzdem ein wenig damit beschäftigt haben, lächeln meist mitleidig darüber. Auch um die weibliche Solidarität zu dieser Frage ist es nicht gerade gut bestellt. So erhielt Sarah Jibril am 13. Januar genau eine Stimme, als sie innerhalb der People's Democratic Party um das Präsidentschaftsamt kämpfte. Es war ihre eigene.

Amtsinhaber Jonathan Goodluck gilt als Favorit bei der Präsidentenwahl (Foto: AP)
Amtsinhaber Jonathan Goodluck gilt als Favorit bei der PräsidentenwahlBild: AP

Warum haben Frauen nicht für sie gestimmt, spötteln viele Männer und unterstellen, sie sei eben nicht gut genug für den Posten. Dennoch wird Amina Ibrahim Yusuf nicht müde, sich auch weiterhin für die Quote einzusetzen. Sie gehört zu den 100 Frauen, die im ganzen Land Werbung dafür gemacht haben. Selbst in ihrer eigenen Partei erntete sie dafür nur Schulterzucken. "Manche wissen gar nicht, was die 35 Prozent bedeuten", betont sie, "als mein Parteivorsitzender im Bundesstaat Delta ein Informationsschreiben zur Empfehlung der Quote bekommen hat, fragte er: Was ist das für ein Brief?"

Im Männer-dominierten Nigeria müsste sich – neben der Einführung der Quote – vor allem eines ändern: die Einstellung gegenüber Politikerinnen. Diese hat Amina Ibrahim Yusuf in den vergangenen Wochen oft traurig gemacht. Anfang des Jahres gewann sie die Vorwahlen für die Senatskandidatur in ihrer Heimat. Doch am Samstag wird ein Mann antreten. Der Parteivorstand begründete die Entscheidung damit, dass es eine Frau nicht schaffen wird und deshalb eine andere Partei den Wahlkreis holen würde.

Autorin: Katrin Gänsler
Redaktion: Reinhard Kleber/Pia Gram