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Nigerias Wortakrobat

13. Juli 2009

Der Nigerianer Wole Soyinka gehört zu Afrikas bedeutendsten Schriftstellern. 1986 wurde er als erster Afrikaner überhaupt mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet. Nun ist er 75 Jahre alt geworden.

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Wole Soyinka steht an einem Rednerpult. Er trägt eine randlose Brille und eine schwarze Jacke
Der erste afrikanische LiteraturnobelpreisträgerBild: AP

Die Verbindung von Kunst, Politik und Aktivismus zieht sich wie ein kompromissloser roter Faden durch das Leben und Werk von Wole Soyinka. "Ich akzeptiere den Umstand, dass ich ein sehr politisches Tier bin. Politisch zu denken, ist die Pflicht eines jeden Bürgers. Nur verbinde ich eben meine künstlerische Tätigkeit mit politischer Vehemenz, das ist alles", stellt Soyinka fest. Er liebt Nigeria und leidet gleichzeitig am Auf und Ab der postkolonialen Geschichte seiner Heimat. Seit Soyinkas Kindheit, ist die Sprache sein Werkzeug.

Aus einer Familie von Wortjongleuren

1934 wird Akinwande Oluwole Soyinka in Abeokuta im Westen Nigerias geboren und nimmt schon mit vier Jahren am Schulunterricht teil. Er spürt schon früh, dass er Schriftsteller werden will. "Ich komme aus einer Familie von Wortjongleuren, alles drehte sich um das Wort, um Sprache, um Geschichten", erzählt Soyinka. "Meine Tanten und Onkel, mein Vater und seine Freunde, alle haben zu Hause immer viel erzählt, und ich habe alles aufgesogen. Sprache war ein wichtiger Teil der Kultur in unserer Familie."

Die Kultur des Yoruba-Volkes prägt ihn ebenso wie seine christliche Erziehung. An der Universität von Ibadan studiert er Griechisch, Englisch und Geschichte und schreibt erste Theaterstücke. 1954 geht Soyinka schließlich nach Großbritannien, wo er sich ganz der Theater- und Literaturwissenschaften widmet. Sechs Jahre später kehrt er nach Nigeria zurück. Soyinka ist bald in allen literarischen Bereichen zu Hause. Doch seine ersten bissig gesellschaftskritischen Nigeria-Romane bezeichnet er eher als Zufallsprodukte.

Das Guerilla-Theater

Das Buchcover von Wole Soyinkas Buch "Die Ausleger" zeigt die Innenfläche einer Hand vor einem schwarzen Hintergrund.
Seit einem halben Jahrhundert schreibt Soyinka Romane, Kurzgeschichten, Gedichte, Essays und Theaterstücke

Der 75-Jährige sieht sich selbst weniger als Romancier, Lyriker oder Essayist, sondern vor allem als Dramatiker. Wie am Fließband entstehen wegweisende Stücke. Das Theater ist für Wole Soyinka keine theoretisch-ästhetische Angelegenheit. Er nennt es vielmehr die revolutionärste aller Kunstformen. Das Theater könne unmittelbar reagieren, so Soyinka. "Ich nenne das Guerilla-Theater. Manche nennen es das lebende, andere das Zeitungstheater oder das Straßentheater. Wie auch immer: Das Theater vermag es, auf Ereignisse und die Veränderung, die Dynamik von Situationen zu antworten."

Das bedeutet auch die politischen Verhältnisse zu kritisieren, besonders in seiner Heimat Nigeria. So wie es auch seine Zeitgenossen Chinua Achebe und Ken Saro-Wiwa tun. "Ich fürchte, mein Vater hat mir ein starkes Selbstbewusstsein mitgegeben – und ich denke, das ist dem erwachsenen Wole Soyinka dann ja auch zum Verhängnis geworden", stellt Soyinka fest. "Das Gefühl, dass man sein Ziel erreichen kann, wenn man fest daran glaubt und alles dafür zu tun bereit ist. Dass man den starken Willen hat, zu handeln."

Zwischen Haft und Literaturnobelpreis

Zu Beginn des Bürgerkrieges, im Jahre 1967, wird Soyinka wegen mutmaßlicher Unterstützung der Biafra-Rebellen verhaftet und verbringt zwei Jahre in Isolationshaft. Seine Gefängnis-Aufzeichnungen veröffentlicht er später in dem Band "The Man Died". Es ist ein Dokument seines unbeugsamen Lebenswillens. Danach verlässt der Schriftsteller Nigeria für mehrere Jahre, um schließlich als treibende Kraft der intellektuellen Literaturszene seines Landes Mitte der 1970er Jahre zurückzukehren.

1981 erscheinen unter dem Titel "Aké" Soyinkas autobiografische Kindheitserinnerungen. Fünf Jahre später wird Wole Soyinka als erstem Afrikaner überhaupt der Literaturnobelpreis verliehen. Mit der Begründung, er gestalte in "breiter kultureller Perspektive und mit poetischen Obertönen das Drama des menschlichen Seins". Seine Dankesrede widmet er, dem damals noch inhaftierten, Nelson Mandela. Soyinka weiß, dass Literatur keine kugelsichere Weste ist. Und so flieht er 1994 erneut – diesmal vor dem totalitären Regime des Sani Abacha. Seitdem sind die USA seine zweite Heimat geworden.

Die Freiheit des Menschen

Wole Soyinka schaut seitlich in die Kamera. Er trägt ein weiß-gestreiftes Hemd und darüber eine dunkle Jacke.
Soyinka kämpft gegen das "Machtsyndrom" afrikanischer DiktatorenBild: AP

Wole Soyinkas literarisches Werk ist bis heute geprägt von Flucht und Rückkehr, der Auseinandersetzung mit Menschenrechtsverletzungen, der eigenen Erfahrung von Militarismus, Diktatur und Korruption. "Ich habe eine Religion", sagt Soyinka, "an der ich beharrlich festhalte – die Freiheit des Menschen. Ich trage sie in mir, eine brennende Leidenschaft, die sich immer wieder auflehnt gegen die unausrottbare Neigung des Menschen, andere zu versklaven."

Autor: Alexander Göbel

Redaktion: Jana Pareigis