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Nigers Pressefreiheit auf dem Prüfstand

Hilke Fischer23. Januar 2015

Die nigrische Regierung scheint mit den Protesten im Land überfordert. Sie schaltet SMS-Dienste ab und geht brutal gegen Journalisten vor. Dabei gilt Niger als afrikanisches Musterland in Sachen Pressefreiheit.

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Journalist aus Niger Foto: Wolfgang Kumm/dpa
Bild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Auf einmal kommen sie alle an, die SMS, Facebook- und WhatsApp-Nachrichten. Die junge Nigrerin Hadiza ist erleichtert: "Das ist für mich die preiswerteste Möglichkeit, zu kommunizieren. Als die Verbindung unterbrochen war, war das wirklich unangenehm. Ich habe mich gar nicht mehr als Teil dieser Welt gefühlt!"

Mehrere Stunden lang hatte die Regierung im Niger am Donnerstag (22.01.2015) die digitalen und mobilen Kommunikationskanäle gesperrt - aus Angst vor erneuten Protesten. Denn vergangene Woche, unmittelbar nach dem Freitagsgebet, war es im Niger zu gewaltsamen Demonstrationen gekommen. Aufgebrachte Menschen zündeten mehrere Kirchen an, mindestens zehn Menschen starben. Am 11. Januar hatte der nigrische Präsident Mahamadou Issoufou an dem Trauermarsch für die Opfer des Anschlags auf das Satiremagazin "Charlie Hebdo" in Paris teilgenommen. In seiner Heimat, in der mehr als 90 Prozent der Bewohner Muslime sind, war das auf heftige Kritik gestoßen.

Parallel zu den Protesten kam es zu zahlreichen Übergriffen auf Medienhäuser: Berichten zufolge stürmte die Polizei den regierungskritischen Sender "Radio Télévision Ténéré" während diese über die Demonstrationen berichteten, griffen die Mitarbeiter an und unterbrachen die Ausstrahlung. Am gleichen Tag soll die Polizei im Hauptsitz der regierungsnahen Dounia-.Mediengruppe Tränengas eingesetzt haben. Als am Folgetag die Opposition demonstrierte, ging die Polizei mit Schlagstöcken und Tränengas gegen Journalisten von fünf privaten TV-Kanälen und einem Radiosender vor. Auch die regierungskritische Bonférey-Mediengruppe bekam Besuch von der Polizei. Zwei Mitarbeiter sollen geschlagen und kurzzeitig verhaftet worden sein.

Frankreich Niger Präsident Mahamadou Issoufou in Paris bei Francois Hollande Foto: MATTHIEU ALEXANDRE/AFP/Getty Images
Präsident Issoufou mit Amtskollege Hollande in ParisBild: M. Alexandre/AFP/Getty Images

Mehr Pressefreiheit als Italien

In vielen anderen Staaten sind solche Methoden an der Tagesordnung. Angesichts der jüngsten Proteste in der Demokratischen Republik Kongo wurden dort ebenfalls kurzerhand Internetseiten und SMS-Dienste gesperrt. Doch gerade der Niger hatte sich in den vergangenen Jahren zu einem afrikanischen Musterland in Sachen Presse- und Informationsfreiheit entwickelt: Im Ranking der Organisation "Reporter ohne Grenzen" (RoG), die sich weltweit für Pressefreiheit einsetzt, belegt das Land im Jahr 2014 den 48. von 180 Plätzen und liegt damit noch vor Italien und Japan.

Im Niger gibt es eine große Vielzahl von weitgehend freien und meinungsfreudigen privaten Zeitungen, Radio- und Fernsehsendern. Nach dem Sturz des ehemaligen Präsidenten Mamadou Tandja im Jahr 2010 folgten zielstrebige Reformen für mehr Presse- und Meinungsfreiheit. Haftstrafen und Untersuchungshaft für Mediendelikte wurden abgeschafft, die Branchenaufsicht neu geregelt und ein Recht auf Zugang zu staatlichen Informationen eingeführt. Verletzungen der Pressefreiheit sind RoG zufolge selten geworden.

Anzeige gegen den Innenminister

Mit Blick auf die jüngsten Übergriffe sagt Cléa Kahn-Sriber, Afrika-Expertin bei Reporter ohne Grenzen: "Wir hoffen wirklich, dass es eine einmalige Aktion war. Wohlmöglich ist die Panik der Regierung den Demonstrationen geschuldet und nicht Zeichen einer langfristigen Entwicklung." Es sei wichtig, dass die Politik keine feindliche Einstellung gegenüber der Presse entwickle sondern seiner Vorbildfunktion weiter gerecht werde. Der Versuch, die Presse mundtot zu machen und den Informationsfluss zu behindern, könne leicht nach hinten losgehen, so Kahn-Sriber. "Damit heizt man Gerüchte und Spekulation noch weiter an und das bringt die Regierung schnell in Misskredit."

Proteste gegen Charlie Hebdo im Niger Foto: REUTERS/Tagaza Djibo
"Ich bin nicht Charlie": Die Mohammed-Karikaturen der Satire-Zeitschrift haben im Niger zu gewaltsamen Protesten geführtBild: Reuters/T.Djibo

Am Dienstag (21.01.2015) hatten rund ein Dutzend TV- und Radiosender ihr Programm für fünf Minuten unterbrochen, um gegen die Polizeigewalt zu protestieren. "Die Pressefreiheit ist eingeschränkt worden, weil der Innenminister gesagt hat, dass einige Zeitungen und Medien Feinde der Regierung sind", empörte sich Omaru Aliyu Modibbo von der Zeitung "Canard Déchaine" gegenüber der DW. "Wir werden eine Anzeige wegen Verleumdung erstatten und den Innenminister vor Gericht bringen."

Bei einem Treffen mit Medienvertretern am Freitag (23.01.2015) versuchte der nigrische Informationsminister, Yahouza Sadissou, zu beschwichtigen. "Ich habe bestätigt, dass die Errungenschaften der Pressefreiheit irreversibel sind", sagte er anschließend im Interview mit der DW. Aber: "Auf dem Weg eines Staates gibt es Höhen und Tiefen und keine Freiheit ist absolut." Denn nicht erst seit den jüngsten Unruhen ist die Diskussion um die Pressefreiheit im Niger davon geprägt, dass Journalisten nicht nur Freiheiten, sondern auch Verantwortung haben. Wo hört die Freiheit, allen Meinungen ein Forum zu geben, auf? Wo fängt die Verantwortung, Unruhen vorzubeugen, an? Das interpretiert in diesen Tagen jeder anders.