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Jochen Kürten
6. Januar 2002

In Caroline Links dritten Kinofilm geht es um die Themen Heimatlosigkeit, Vertreibung und Exil. Der Film basiert auf dem gleichnamigen, autobiographischen Roman von Stefanie Zweig.

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Reginas Familie ist nach Kenia emigriert.Bild: AP

"Rongai, Kenia, 2. Dezember 1937. Meine geliebte Jettel, ich kann mir denken, in welche Aufregung Dich dieser Brief stürzen wird, aber ich bitte Dich, jetzt stark zu sein! Die jüdische Gemeinde in Nairobi hat sich letzte Woche bereit erklärt, auch die Gebühren für Eure Einwanderung zu bezahlen. Nun ist es also nach sechs Monaten endlich soweit, und ich kann Regina und Dich hierher nachkommen lassen."

Walter Redlich ist Jude und Jurist, aus Nazi-Deutschland geflüchtet, nach Kenia, auf eine kleine Farm, die er für einen Engländer mehr schlecht als recht bewirtschaftet. Jettel, seine Frau, und die gemeinsame Tochter, die kleine Regina, können nun nachkommen. Nach der mühseligen Überfahrt aus Europa, kommt für Jettel allerdings schnell die Ernüchterung. Unsicher blickt die junge Frau auf ihre neue Heimat, in die unendliche Weite der afrikanischen Landschaft, die karg und staubig, aber auch lichtdurchflutet und voller Farben, vor ihr liegt. Auf ihrem Gesicht spiegeln sich Unsicherheit, Verzweiflung, aber auch Faszination.

"Hier können wir doch nicht leben..."

Jettels erste Reaktion fasst schon zusammen, wie sich das Schicksal ihrer Familie von nun an gestalten wird. Hin- und Hergerissen zwischen der Erleichterung über die gelungene Flucht und den vielfältigen Anpassungsschwierigkeiten in der neuen Heimat muß der Familienverbund zahllose Konflikte durchschreiten. Caroline Link setzt damit - ganz am Anfang ihres Films - schon ein deutliches Zeichen für die Genreausrichtung: "Nirgendwo in Afrika" ist einerseits ein melodramatischer Afrikafilm vor beeindruckend schöner Naturkulisse, erzählt andererseits aber auch eine Geschichte über Exil, Vertreibung und Heimatlosigkeit.

Caroline Link gelingt es, gleich mehrere Erzähl- und Handlungsstränge überzeugend miteinander zu verknüpfen.
Die Bedrohung in der Heimat Deutschland wird im Prolog des Films mit kurzen, knappen Strichen gezeichnet. Die erste Sequenz, die noch in Deutschland spielt, zeigt Jettel und Regina beim ausgelassenen Spiel im Schnee. Jettel rutscht aus, die ihr zur Hilfe hingestreckte Hand schlägt sie aus. Die Kamera zieht auf, der kurz geschorene Kopf eines Jungen aus der Hitlerjugend sagt dem Zuschauer, warum Jettel auf die Hilfe verzichtet und um was es von nun an geht.

In the middle of nowhere

Nirgendwo in Afrika
Bild: AP

Im Mittelpunkt des Films stehen dann aber die innerfamiliären Konflikte in Afrika. Link widmet sich sowohl den familiären Spannungen als auch den interkulturellen Konflikten. Die Begegnung mit den schwarzen Einwohnern vor Ort läuft bei den Familienmitgliedern jeweils unterschiedlich ab: Walter behandelt sie respektvoll und korrekt, aber auch distanziert, Jettel zunächst arrogant, nach einem längeren Annäherungsprozess aber liebevoll und zuvorkommend, Regina offenherzig und unvoreingenommen.

Mit "Nirgendwo in Afrika" ist Caroline Link erneut ein kraftvolles Melodrama gelungen, dass durchaus in der Tradition ihrer früheren Werke steht. Wie in "Jenseits der Stille" und "Pünktchen und Anton" steht der Familienverbund im Zentrum des Films. Familiäre Konflikte treiben die Handlung voran. Caroline Links stupendes Talent, kraftvolle melodramatische und poetische Sequenzen zu entwickeln, ohne dabei in Sentimentalität oder gar Kitsch abzugleiten, wird erneut sichtbar. Hinzu kommen ihr sicheres Gespür für den Umgang mit Schauspielern und der perfekte Einsatz der filmtechnischen Mittel. "Ein Kammerspiel vor afrikanischer Kulisse" habe sie machen wollen - Caroline Links hat sich diesen Wunsch mit "Nirgendwo in Afrika" erfüllt.