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Nitrofen - der erste Skandal der Öko-Landwirtschaft

Georg Ehring30. Mai 2002

Die ökologische Landwirtschaft hat ihren ersten Skandal. In Öko-Tierfutter werden giftige Rückstände gefunden, Eier und Geflügel von Bio-Höfen sind belastet. Georg Ehring kommentiert:

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Eine erste Umfrage deutet darauf hin, dass jetzt viele Verbraucher wieder zu konventionell erzeugter Ware greifen werden - sie ist zwar nicht sicherer, aber wenigstens billiger. In vielen Geschäften bleibt ihnen nichts Anderes übrig: Große Lebensmittel-Ketten haben Bio-Eier und -geflügel aus den Regalen genommen, sie bieten vorerst nur noch konventionelle Ware an.

Der Skandal um das krebserregende und seit langem verbotene Pflanzengift Nitrofen hat womöglich weitreichende Folgen. Denn die Bundesregierung, allen voran die grüne Verbraucherschutz-Ministerin Renate Künast, setzt vehement auf einen massiven Ausbau der ökologischen Landwirtschaft. Die traditionelle Agrarlobby und die Opposition reiben sich die Hände. Ihnen passt die ganze Richtung nicht. Jetzt zeige sich, dass die einseitige Bevorzugung der Öko-Landwirtschaft falsch sei, hier wie da kämen schließlich Gesetzesverstöße vor. Die beiden Sparten der Landwirtschaft seien einander ähnlicher als die Regierung es wahr haben möchte.

In der Tat: Der Umgang der Öko-Lobby mit dem Agrargift ist alles andere als überzeugend. Über Monate wurde versucht, die Sache intern zu regeln: Es gab Untersuchungen, doch deren Ergebnisse wurden nicht an Behörden und Öffentlichkeit weitergeleitet, belastete Produkte wurden stillschweigend vom Markt genommen. Vertuschen und verheimlichen - dieses Vorgehen kennen wir aus den Skandalen der konventionellen Lebensmittel-Industrie.

Doch bei genauerem Hinsehen zeigt sich ein anderes Bild: Das giftige Pflanzenschutzmittel konnte in Öko-Ware nur deshalb gefunden werden, weil hier die Kontrollen strenger sind. In Produkten aus konventionellem Anbau wird seit Jahren nicht mehr nach Nitrofen gesucht. Ob auch in konventionell erzeugtem Weizen Verunreinigungen mit der gleichen Substanz vorkommen, das weiß niemand.

Man kann also aus den Giftfunden im Öko-Getreide gerade nicht schließen, dass Bio-Produkte weniger sicher sind als die Erzeugnisse der konventionell arbeitenden Landwirte. In der Bio-Landwirtschaft ist die Verwendung chemischer Pflanzenschutzmittel generell untersagt. Wenn trotzdem ein seit langem verbotenes Gift in Bio-Produkten gefunden wird, dann liegt der Verdacht nahe, dass hier Kriminelle am Werk waren - die Untersuchungen der Behörden konzentrieren sich zur Zeit auf das Futtermittel-Werk, aus dem der belastete Weizen kam.

Die Bio-Branche hat mit dem Skandal um Nitrofen viel Vertrauen verspielt. Sie wird ihre Strukturen ändern müssen, wenn sie ihre Glaubwürdigkeit und verlorene Kunden zurückgewinnen will. Bio-Bauern und Hersteller ökologischer Lebensmittel, das sind inzwischen nicht mehr nur die Idealisten, die nichts anderes im Sinn haben als gesunde Nahrung und eine intakte Natur. Diese Öko-Pioniere allein könnten die Mengen gar nicht liefern, die derzeit nachgefragt werden. Es ist gut, dass jetzt auch Landwirte nur deshalb auf Bio umstellen, weil sie eine Marktlücke gefunden haben, in der sich Geld verdienen lässt und es ist unvermeidlich, dass auch einige schwarze Schafe mit krimineller Energie dabei sind.

Mehr Kontrollen und offeneres und professionelleres Krisenmanagement sind jetzt dringend gefragt, wenn die Agrarwende nicht im Ansatz stecken bleiben soll. Das gilt für die Öko-Landbauverbände gleichermaßen wie für die Bundesregierung. Denn auch die Bundesanstalt für Fleischforschung, eine Einrichtung im Bereich von Renate Künasts Verbraucherschutz-Ministerium, behielt brisante Informationen für sich, anstatt sie zur Chefsache zu machen.

Nitrofen wird sicher nicht der letzte Skandal in der Ökologischen Landwirtschaft sein. Es ist eher ein erster Testfall, aus dem die Verantwortlichen jetzt Konsequenzen ziehen müssen, damit unsere Nahrung wirklich sicherer und Vertrauen zurückgewonnen wird.