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Nizza-Gipfel der EU

8. Dezember 2002
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Der Vertrag von Nizza änderte auch die Sitzverteilung im EU-ParlamentBild: AP
Auf dem Gipfel im südfranzösischen Nizza im Dezember 2000 haben sich die Staats- und Regierungschef der Europäischen Union auf eine neue Stimmenverteilung im Europäischen (Minister-)Rat und im EU-Parlament geeinigt. Die Vorschläge müssen jedoch von allen Ländern einstimmig angenommen werden.

Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien erhalten im Rat die gleiche Stimmengewichtung, 29 Stimmen. Bisher waren es jeweils zehn. Spanien und - nach einem Beitritt - Polen bekommen beide 27 Stimmen. Die Niederlande bekommen eine Stimme mehr (13) als Belgien. Grundlage für die Gewichtung ist die Bevölkerungszahl der einzelnen Mitgliedsländer. Der so genannte demographische Faktor wird künftig stärker berücksichtigt - ein Vorteil für das bevölkerungsreiche Deutschland.

Eine Entscheidung des Rates ist künftig aber erst dann gültig, wenn die Bevölkerungszahl der zustimmenden Länder zusammen mindestens 62 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU ausmacht. Das würde Deutschland zusammen mit zwei anderen großen EU-Staaten eine Blockade von Entscheidungen ermöglichen. Die kleinen Länder haben dafür die Möglichkeit der Blockade bei einer Reihe von Entscheidungen, bei denen zwei Drittel der Staaten zustimmen müssen.

Im bisher 20 Mitglieder zählenden Brüsseler Spitzengremium, der Kommission, verzichten die bevölkerungsreichsten Länder Frankreich, Spanien, Italien, Großbritannien und Deutschland ab 2005 auf ihren zweiten Kommissar. Jedes neue Land bekommt dagegen einen Kommissarsposten - nach dem Motto "Ein Kommissar pro Land". Wenn die Union auf 27 Mitglieder angewachsen ist, wird über eine Verkleinerung entschieden; eine Zahlenvorgabe dafür gibt es nicht. Die Stellung des Kommissionspräsidenten wird gestärkt.

Die Ausweitung von Mehrheitsentscheidungen ist nach Überzeugung des Gipfels die Schlüsselfrage für die künftige Handlungsfähigkeit der EU. Für rund 35 von 73 Artikeln der EU-Politik gilt künftig, dass per Mehrheitsbeschluss und nicht wie bislang einstimmig entschieden wird. So soll nun der Kommissionspräsident per Mehrheitsvotum bestimmt werden.

In zentralen Bereichen wird aber die Veto-Möglichkeit aufrecht erhalten. Beim Asylrecht wurde der deutschen Forderung entsprochen, wonach das Vetorecht erst fällt, wenn die Staaten einstimmig eine gemeinsame Asyl- und Einwanderungspolitik festgelegt haben.

Bei der Steuer bleibt das Vetorecht unangetastet - hier setzte sich vor allem Großbritannien durch. In der milliardenschweren Strukturpolitik bleibt es bis 2007 beim Zwang zur Einstimmigkeit, was Spanien entgegenkommt. Bei der gemeinsamen Handelspolitik bleibt das von Frankreich gewünschte Vetorecht bei kulturellen Fragen weitgehend bestehen.

Einer Gruppe von EU-Mitgliedern (mindestens acht) soll es möglich sein, in Einzelfragen intensiver zusammenzuarbeiten als andere. Die übrigen Länder können allerdings jederzeit aufschließen. Diese Form der Zusammenarbeit kann künftig nicht mehr mit einem Veto eines einzelnen Staates verhindert werden.

Das Abkommen von Nizza tritt in Kraft, wenn alle EU-Länder den Vertrag ratifizieren. Die Iren haben ihn bereits per Volksabstimmung abgelehnt - hier soll ein weiteres Referendum zum Erfolg führen. In der BRD hat der Bundestag dem Vertragswerk seine Zustimmung gegeben.