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Deutsche Nobelpreise

23. Januar 2012

Medizin, Physik, Chemie: Jahrelang arbeiten Spitzenforscher in abgeschotteten Labors, um Lösungen zu finden, die das Leben leichter und besser machen. Aber nur die wenigsten kriegen am Ende den noblen Ritterschlag.

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Ein Wissenschaftler schüttet eine Flüssigkeit in einen Erlenmeyerkolben (Foto: Fotolia/Franz Pfluegl)
Bild: Fotolia/Franz Pfluegl

Die neuesten Hits per download immer sofort am Ohr haben und das Notebook überall dabei haben: das ist für viele Menschen eine große Selbstverständlichkeit. Kaum jemand denkt beim Einschalten der Geräte an die Menschen, die uns das alles beschert haben. Wer verbindet schon den mp3-Spieler mit dem Namen Peter Grünberg? Wer weiß, was Handy-Display und Auto-Lack mit Klaus von Klitzing zu tun haben? Und wer weiß spontan, wer Harald zur Hausen ist und was er erforscht hat?

Der "jüngste" deutscher Nobelpreisträger

Der Heidelberger Krebsforscher erhielt 2008 den Medizin-Nobelpreis für seine Entdeckung zur Entstehung von Gebärmutterhalskrebs. Er fand heraus, dass humane Papillomviren (HPV) zur Entstehung dieser dritthäufigsten Krebserkrankung bei Frauen beitragen. Die Erreger werden beim Geschlechtsverkehr übertragen. Harald zur Hausens Erkenntnisse führten zur Entwicklung einer vorbeugenden Impfung.

Harald zur Hausen, Krebsforscher in Heidelberg, steht lächelnd in seinem Labor. (Foto: AP)
Harald zur HausenBild: AP

Die Impfung vor dem ersten Sexualkontakt soll junge Mädchen vor der Infektion schützen. "Der HPV-Impfstoff wurde in sehr umfangreichen Zulassungsstudien getestet und ist weltweit 70-millionen Mal verimpft." Es habe sich dabei gezeigt, erklärt Dr. Yvonne Delere vom Robert-Koch-Institut, dass der Impfstoff gut verträglich sei. Die Expertin für Impfprävention weist Kritik wegen etwaiger Risiken und Nebenwirkungen zurück.

In Deutschland kostet die HPV-Impfung inklusive Arzthonorar knapp 500 Euro. Sie ist inzwischen zur umsatzstärksten Arznei Deutschlands avanciert. Den größten finanziellen Gewinn macht aber nicht der Forscher, sondern die Pharmaindustrie.

Klein wie ein Daumen, groß sein Innenleben

Immerhin - die Lizengebühren für die Innovation Peter Grünbergs spülte seinem Arbeitgeber, dem Forschungszentrum Jülich, zweistellige Millionenbeträge in die Kassen. Denn Grünberg meldete seine Erfindung als Patent an. Er saß damals vor raumfüllenden Computern und fragte sich: "Wie nur kommt die zunehmende Datenflut auf die Speicher?" Grünberg erinnerte sich an eine Entdeckung des britischen Physikers Lord Kelvin aus dem Jahr 1857. Kelvin hatte nachgewiesen, dass Magnetfelder den Stromfluss durch ein Stück Metall verändern. Je nach Richtung des Magnetfeldes im Metall erhöht oder reduziert sich der elektrische Widerstand um etwa ein Prozent. Die Physik spricht vom Magnetowiderstand.

Der Physiker Peter Grünberg im Labor im Forschungszentrum Jülich bei Aachen. (Foto: dpa)
Peter GrünbergBild: picture-alliance/ dpa - Bildfunk

Peter Grünberg und dem französische Physiker Albert Fert gelang es getrennt voneinander, diesen Magnetowiderstand erheblich zu erhöhen, indem sie das Metall in millimeterdünnen Schichten anordneten. Der Effekt macht das exakte Lesen von unendlich vielen magnetisch gespeicherten Daten möglich. Die Erfindung dieser Mini-Festplatten hat Handys, ipods, Videogeräte, Notebooks, Digitalkameras und sogar Waschmaschinen klüger und bezahlbarer gemacht.

Die deutsche Industrie profitierte kaum von diesen Erforschungen, sondern Computer-Firmen wie IBM in den USA oder die Musikgeräteindustrie in Asien. Grünberg erfuhr 2007 im Alter von 68 Jahren die Würdigung als großartiger Wissenschaftler. Aber er hatte 20 Jahre warten müssen, um mit dem Physik-Nobelpreis geehrt zu werden.

In Nachtarbeit zur Nanotechnologie

Klaus von Klitzing dagegen war gerade 42 Jahre alt, als das Nobel-Komitee 1985 bei ihm durchklingelte. Nur fünf Jahre zuvor hatte der Physiker, mitten in einer Februar-Nacht bei einem Forschungsaufenthalt im französischen Grenoble, eine bahnbrechende Entdeckung gemacht. Er forschte damals an Transistoren der Firma Siemens, um zu verstehen, wie die Elektronen in einem elektronischen Schalter fließen - wie schnell sie sich bewegen und wo sie anstoßen.

Prof. Klaus von Klitzing erhielt 1985 den Nobelpreis fuer Physik. Der Professor am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart wurde für die Entdeckung des sogenannten Quanten-Halleffektes ausgezeichnet. (Foto: AP)
Klaus von Klitzing (1985)Bild: AP

Das Besondere: von Klitzing setzte die Elektronen bei seinen Versuchen Temperaturen von minus 272 Grad Celsius und einem starken Magnetfeld aus. Der Effekt, den er feststellte, ist heute die Basis für die Nano- oder Mikroelektronik, die in zahlreichen Gebieten unverzichtbar geworden ist. So werden Autolacke mit nanometergroßen Partikeln angereichert und kratzfest. Die Farben für Hauswände können Graffiti-Sprüher "abwehren". Auch Handy-Displays sind dank Nanotechnik relativ robust. Nanoroboter sollen schon bald in den menschlichen Organismus eingeschleust werden können, um dort Krebszellen und Viren zu zerstören.

Weltweit arbeiten Forscher an der Entwicklung und Miniaturisierung elektrischer, mechanischer und optischer Bauelemente, um Produkte leistungsfähiger, widerstandsfähiger, kleiner und billiger zu machen. Die Technik funktioniert, weil die Teile so klein sind. Aber die Nanotechnik ist auch mit Gefahren verbunden. Die Nanopartikel in Sonnencreme zum Beispiel, die den Menschen besser als jemals zuvor vor schädlicher UV-Strahlung schützen, können über Haut und Atemwege in den Körper eindringen. Ob die Kleinstteile dort Entzündungen oder sogar Krankheiten auslösen, ist noch unklar. Aber irgendwo in einem abgeschotteten Labor versuchen Forscher auch eine Lösung für dieses Problem zu finden.

Autorin: Karin Jäger
Redaktion: Hartmut Lüning und Sandra Petersmann