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Alternativen zu Gas aus Russland

Klaus Deuse7. Mai 2014

Deutschlands Energieversorgung hängt zu über 70 Prozent von Importen ab. Allein Russland deckt mit seiner Kohle, seinem Gas und Öl gut ein Viertel des gesamten Energiebedarfs ab. Kurzfristig gibt es keinen Ersatz.

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RWE Erdgas China Archivbild 2009
Bild: Reuters

Im Zuge der anhaltenden Ukraine-Krise hat eine neue Energie-Debatte eingesetzt. Schließlich hängt die Bundesrepublik in großen Teilen von Öl- und Gaslieferungen aus Russland ab. Nicht ohne Grund gab Bundeskanzlerin Angela Merkel unlängst die Devise aus, die "gesamte deutsche Energiepolitik neu zu betrachten". Nach Berechnungen der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen stieg die Importquote von Energieträgern im vergangen Jahr auf 71 Prozent.

An Russland führt kein Weg vorbei

Mit Abstand wichtigster Energielieferant ist Russland. Von dort stammen 38 Prozent der Erdgaseinfuhren, 35 Prozent aller Ölimporte und 25 Prozent der Steinkohleeinfuhren. Damit deckt Russland gut ein Viertel des gesamten deutschen Energiebedarfs. Taugliche Alternativen, um mögliche Lücken in ähnlicher Größenordnung zu stopfen, sind allerdings nicht in Sicht.

Lediglich 15 Prozent des Gasverbrauchs kann die Bundesrepublik nach Angaben des Bundesverbandes Energiewirtschaft durch eigene Förderung selbst decken. Noch stammt der größere Teil der Einfuhren aus Norwegen und den Niederlanden. Kurzfristig könnten diese beiden Länder ihre Lieferungen per Pipeline zwar aufstocken, doch langfristig neigen sich die dortigen Gasvorkommen nach Einschätzung von Experten allmählich dem Ende entgegen.

Fracking ist noch kein Thema

Theoretisch käme als Alternative der Import von gekühltem und verflüssigtem Erdgas per Tanker in Betracht. Etwa aus Algerien, Katar oder den USA. Allerdings gibt es in den Häfen der USA keine Anlagen zur Verladung von Flüssiggas. Und zur Entladung fehlt es in Deutschland an entsprechenden Stationen. Hinzu kommt, dass sich auf dem Weltmarkt kaum kurzfristig größere Mengen beschaffen ließen. Das Angebot gilt schon heute als knapp, da Japan nach dem Reaktorunglück von Fukushima viel Gas importiert.

Neu belebt wird mit dem Blick auf die Abhängigkeit von russischen Gasimporten auch die Gasförderung mittels Fracking. Mit einem Wasser-Chemie-Cocktail kann dabei Gas aus den Tiefen des Gesteins herausgebrochen werden. Diese Technologie, so Umweltschützer, berge aber ein hohes Risikopotenzial. Lediglich das rot-grün regierte Bundesland Niedersachsen will Fracking unter Auflagen erlauben.

Das ebenfalls rot-grün regierten Nordrhein-Westfalen hat sich bisher gegen Fracking entschieden, auch wenn es hier nach Erkenntnissen des Landesbetriebes Geologischer Dienst NRW mehr als 220 Milliarden Kubikmeter Flözgas in Tiefen bis zu 4.000 Metern gibt - deutlich mehr als die gesamten bekannten konventionellen Gasreserven Deutschlands von rund 150 Milliarden Kubikmetern. Bei einer Förderquote von jährlich zwölf Milliarden Kubikmetern reichen diese Vorräte für maximal 15 Jahre.

Mit einer Fracking-Förderung in Nordrhein-Westfalen würde sich diese Zeitspanne verdoppeln. Doch dafür dürfte es absehbar keinen politischen Segen geben. Außerdem hat die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag Fracking ausgeschlossen, so lange dabei giftige Substanzen zum Einsatz kommen. Bleibt es dabei, gilt es zu konstatieren: In 15 Jahren wäre Deutschland komplett auf Gasimporte angewiesen.

Einfluss über Firmen

An der Abhängigkeit von Energieimporten ist nicht zu rütteln, schließlich ist das Aus für die Förderung deutscher Steinkohle ab 2018 längst beschlossene Sache. Bereits heute importiert Deutschland Steinkohle, 25 Prozent dieser Einfuhren kommen wiederum auf Russland. Lediglich bei der Braunkohle verfügt Deutschland über Vorräte, die bei dem derzeitigen Abbau für mindestens noch 200 Jahre reichen.

Nicht nur die deutsche Abhängigkeit von Importen ist Teil des Energiegeflechts zwischen Deutschland und Russland, sondern auch die Beziehungen von Unternehmen. So haben sich der russische Staatskonzern Gazprom und die BASF-Tochter Wintershall vor einigen Monaten auf einen nicht unbedeutsamen Anteilstausch verständigt. Demnach bekommt Gazprom die deutschen Gasspeicher plus Handelskapazitäten der BASF-Tochter, im Gegenzug gesteht Gazprom Wintershall Anteile an sibirischen Gasfeldern zu.

Gazprom Sitz in Moskau
Gazprom-Zentrale in MoskauBild: Vasily Maximov/AFP/Getty Images

Außerdem teilen sich Gazprom und Wintershall die deutsche Pipeline-Struktur "Gascade", deren Leitungen immerhin 2.300 Kilometer quer durch die Republik führen. Letztlich gelangen mit den Gasspeichern Sicherungspuffer bei der Versorgung indirekt unter die Kontrolle des russischen Staates. Beim Bundeswirtschaftsministerium bestehen nach dem Stand der Dinge keine Bedenken gegen die Freigabe des Geschäftes.

Auf grünes Licht aus Berlin wartet noch der Energieversorger RWE für den Verkauf seiner Öl- und Gasfördertochter Dea. Dea ist neben Wintershall die einzige große deutsche Firma, die über das Know-how zum Fracking verfügt. Im vergangen Jahr erzielte die RWE-Tochter einen Betriebsgewinn von 521 Millionen Euro.

Doch bei einer Schuldenlast von rund 30 Milliarden Euro benötigt der Essener Energiekonzern dringend frisches Geld. Folglich sind die 5,1 Milliarden Euro, die die Letter-One-Gruppe mit Sitz in Luxemburg auf den Tisch legen will, ausgesprochen willkommen. Hinter Letter-One steht allerdings kein Unbekannter, sondern mit Michail Fridmann der zweitreichste russische Oligarch, der über beste Beziehungen zum Kreml und zum Staatsunternehmen Rosneft verfügt.

Aktualisierte Version eines Artikels vom 16.04.2014