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Nofretete: Die Schöne läßt sich feiern

Birgit Görtz6. Dezember 2012

Es war eine Sensation, als man vor 100 Jahren die Büste im Wüstensand fand. Doch die 'berühmteste Berlinerin' ist eine unbekannte Schöne geblieben: Die reale Person der Nofretete gibt noch immer Rätsel auf.

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Die Büste der altägyptischen Königin Nofretete steht in ihrer Vitrine im Alten Museum in Berlin (Foto dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Eigentlich war es ein Tag wie jeder andere: An jenem 6. Dezember 1912 waren die rund 150 Arbeiter der Expedition des deutschen Ägyptologen Ludwig Borchardt auf ihre jeweiligen Grabungsgebiete verteilt. Eine Gruppe grub im Hause eines Bildhauers, der in Diensten von Pharao Echnaton stand. In Thutmosis' Werkstatt, so hieß der Künstler, fanden sich zuerst Bruchstücke einer Büste des Pharaos.

Es folgten viele hochkarätige Kunstwerke und schließlich, sozusagen als Höhepunkt, die Nofretete-Büste. Die Umstände, wie die Statue gefunden wurde, kenne man sehr genau, sagt Friederike Seyfried, Direktorin des Ägyptischen Museums und Papyrussammlung der Staatlichen Museen zu Berlin. Seit 1913 ist Nofretete in Berlin beheimatet, doch über ihre Person weiß man wenig. Sie wird auf Tempelreliefs und auf Stelen erwähnt, doch ihre Herkunft bleibt nach wie vor ein Rätsel. "Wir nehmen an, dass sie eine Bürgerliche aus einer ägyptischen Familie war. Sie hatte eine ägyptische Amme, deren Name Tii war. Aber wir kennen nicht den Vater", schildert Seyfried.

Was man über Nofretete weiß…

Was man weiß: Nofretete war eine Schönheit. Ihr Name ist Programm, denn er bedeutet: Die Schöne ist gekommen - man wird sie nicht umsonst so genannt haben. So extraordinär ihr Aussehen, so herausgehoben war ihre Stellung an der Seite ihres Mannes, Echnaton. Der verordnete kraft seines Amtes eine neue Lehre: Er erklärte den Glauben an Aton, den Gott des Lichts, zur allein gültigen Lehre, zur Staatsreligion. Aton zu Ehren gründete Echnaton um 1346 vor Christus eine neue Hauptstadt: Achet-Aton, den "Horizont des Lichts", jene Stadt, die heute Tell-el-Amarna heißt. Dort bildeten Gott Aton, Pharao Echnaton und Nofretete eine Triade, eine Art göttliches Dreigestirn. "Innerhalb dieser Triade von Amarna erfüllt Nofretete den weiblichen Part. Sie nimmt am Kultgeschehen teil, sie ist an der Seite ihres Mannes dargestellt, in ganz bestimmten kultischen Handlungen agiert sie alleine", erläutert Ägyptologin Seyfried.

… und was man nicht weiß

Doch damit erschöpfen sich auch schon die gesicherten Erkenntnisse. Man weiß nicht, ob Nofretete von Echnaton zur Mitregentin erhoben wurde, wie manche vermuten, und wann sie starb. Kein Mensch weiß, ob Nofretete wirklich ihren Mann, der 1334 vor Christus starb, überlebt hat. Theorien ranken sich um die rätselhafte Gestalt des Semenchkare, der womöglich nach Echnatons Tod regiert hat. Eine These besagt, dass Nofretete sich in Wahrheit hinter Semenchkare verberge. "Alles Spekulation", sagt Friederike Seyfried, die die Ausstellung zusammengestellt hat, die jetzt zum 100. Jahrestag des Fundes der Büste im Berliner Neuen Museum eröffnet.

Der Mangel an Fakten wirke geradezu wie eine Einladung zur Spekulation, findet Carola Wedel, die sich als Dokumentarfilmerin seit Jahren mit der unbekannten Schönen beschäftigt. "Es gibt Romane in allen Sprachen der Welt über Nofretete." Archäologen sind bis heute fasziniert, wollen das Geheimnis von Amarna entschlüsseln, eben weil man nichts Genaues weiß. Urheber für die vielen Fragezeichen sind die Nachfolger Echnatons, die versuchten, dessen 18 Jahre währende Herrschaft vergessen zu machen. Echnaton galt ihnen als Ketzer, der Hauptstadt Achet-Aton kehrten sie den Rücken. Erst mit Napoleons Ägyptenfeldzügen sei man erstmals wieder in die Gegend von Amarna vorgedrungen, schildert die Publizistin.

Eine Kopie für den Kaiser

Das Thema Nofretete lässt Carola Wedel nicht los. Ihr aktueller Film aus Anlass des 100. Jahrestages des Fundes beleuchtet die Figur des Kunstmäzens James Simons und den Weg der Büste nach Berlin. Der jüdische Baumwollhändler und Millionär finanzierte nämlich jene Expedition, bei der die Nofretete gefunden wurde. "Als er hörte, man habe den Kopf Echnatons in der Werkstatt des Thutmosis gefunden, wurde eifrig hin und her telegrafiert. Als dann die spektakuläre Entdeckung der damals sogenannten bunten Büste gelang, da wusste man, dass man ein wunderbares Kunstwerk gefunden hat", schildert die Filmemacherin. Im Januar 1913 holte Simons Sohn Heinrich die Büste im Koffer ab und brachte sie nach Berlin. "Dort stand sie bei ihm in der Villa auf dem Kaminsims", erläutert Wedel.

James Simon ließ zwei Kopien anfertigen. Die eine behielt er für sich, die andere schenkte er dem Kaiser. Wilhelm II. nahm seine Kopie übrigens sogar mit ins Exil nach Doorn in den Niederlanden. Die originale Büste schenkte Simon schließlich mit allen 5.500 Objekten, die nach der Aufteilung des Fundes mit der zuständigen ägyptischen Behörde in seinen Besitz gegangen waren, der Ägyptischen Abteilung der königlich preußischen Kunstsammlungen.

Das Rätsel der Schönheit

Das Faszinosum Nofretete haben schon viele zu ergründen versucht, durch radiologische Untersuchungen, durch Computertomographie oder durch Vermessung. Für die Ägyptologin Friederike Seyfried ist die Büste ein perfekt gemachtes Stück altägyptischer Handwerkskunst. "Es ist unglaublich präzise und fein gearbeitet, ausgesprochen symmetrisch. Die Darstellung ist sehr detailliert, bis zu den kleinsten Fältchen unter den Augen und trotzdem sehr idealisierend." Für Carola Wedel liegt der besondere Reiz darin, dass Nofretete jeden Moment von ihrem Sockel herabzusteigen scheint, dass sie so lebendig wirkt. Sie zitiert Thomas Mann, für den Nofretete der Inbegriff von Ruhe und Ebenmaß war, sowie die Kunsthistorikerin Camille Paglia, die die Schöne als streng und unnahbar beschreibt. Carola Wedel selbst erblickt in Nofretete große Menschlichkeit, Würde und Schönheit gleichermaßen vereint. Wie man es auch immer nennen mag, eines steht fest: Nofretetes Glanz überdauert jeden Zeitgeist.

1932 besitzt James Simon nur noch eine Kopie, Filmszene
Ein Ausschnitt aus Carola Wedels Film: James Simon behielt eine Kopie der Büste für sich.Bild: ZDF/Stephanie Paersch

"Der Mann, der Nofretete verschenkte – James Simon der vergessene Mäzen“ von Carola Wedel ist am 8.12.2012 um 20:15 auf 3sat zu sehen.