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Viele Fragen nach Kenia-Wahl

Andrea Schmidt9. März 2013

Die Lage in Kenia bleibt unübersichtlich. Es gibt einen vorläufigen Wahlsieger, doch die Kenianer müssen klären, ob es Unregelmäßigkeiten gegeben hat. Ein Gespräch mit dem Afrikabeauftragten der Kanzlerin.

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Günter Nooke (Foto: DW/Per Henriksen)
Bild: DW/P. Henriksen

Deutsche Welle: Nachdem die Wahl in Kenia am Montag (04.03.2013) weitgehend friedlich blieb, spitzt sich die Lage jetzt zu. Die CORD-Allianz von Raila Odinga spricht inzwischen von Wahlbetrug und forderte einen Stopp der Auszählung. Die Jubilee-Allianz des Gegenkandidaten Uhuru Kenyatta will verhindern, dass ungültige Stimmen doch mitgezählt werden. Beide hatten vorab immer wieder versichert, das Wahlresultat anzuerkennen. Wie beurteilen Sie die Lage?

Günther Nooke: Für uns hier in Berlin ist es ganz schwierig, die Lage zu bewerten. Selbst mit den Kollegen der Botschaft und mit anderen Personen vor Ort in Nairobi, mit denen ich telefoniert habe, ist es nicht ganz einfach abzuschätzen, was Tatsachen sind und was speziell gestreute Gerüchte von der einen oder anderen Seite sein könnten. Von daher bleibt zu hoffen, dass die Wahlkommission wirklich unabhängig ist und die Stimmen nach besten Wissen und Gewissen ehrlich auszählt. Aber schon die Debatte um die ungültigen Stimmen, die zum Teil eben jetzt nicht mehr existieren, zeigt, dass offensichtlich doch nicht alles mit rechten Dingen zu geht.

Die Frage ist: Sind die Unregelmäßigkeiten so groß, dass sie den Wahlausgang beeinflussen oder nicht? Dazu kann ich nichts sagen. Aber für diejenigen, die das sozusagen aus westlicher Perspektive beurteilen, gibt es ein doppeltes Problem. Einerseits will ich mich nicht auf die Seite von Odinga schlagen und ihm sozusagen vorbehaltlos glauben, wenn er sagt, dass die Wahlen gefälscht sind und er das zweite Mal um seinen Sieg gebracht wird. Andererseits: Wenn man sich gegen Kenyatta stellt, wird gleich unterstellt, dass wir hier nicht akzeptieren wollen, wie in Afrika gewählt wird und weil er vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag angeklagt ist. Wir hoffen, dass das, was Odinga gesagt hat, belegt oder widerlegt werden kann. Oder dass es einen Nachweis gibt, dass die Wahlen ordentlich abgelaufen sind, und sich beide Kandidaten an das Ergebnis halten.

Wahlurnen (Foto: REUTERS/Joseph Okanga)
Die Stimme ist ungültig, wenn sie in die falsche Urne eingeworfen wurdeBild: REUTERS

Gemäß der neuen Verfassung konnten die Kenianer neben einem Präsidenten und dem Parlament auch Senatoren, Gouverneure, Distriktversammlungen und Frauenvertreterinnen wählen. Sie hatten insgesamt sechs Stimmen abzugeben. Ist die Wahlkommission mit so einer komplexen Wahl und dem elektronischen System für die Stimmenauszählung überfordert?

Ich war positiv überrascht, dass fast alle, die es wollten, auch die Möglichkeit hatten, ihre Stimmen abzugeben. Dass danach einige Wahlzettel mit der falschen Farbe in einem falschen Kasten gelandet sind, zeigt, dass es eine ziemliche Herausforderung war - für alle Seiten, für Organisatoren aber auch für die Wählerinnen und Wähler - da richtig abzustimmen. Grundsätzlich muss man sagen, es ist gut, wenn die Bevölkerung die Möglichkeit hat, über möglichst viele wichtige Positionen abzustimmen - sei es auf der lokalen Ebene oder bis hin zur Frauenvertreterin.

Was kann die Internationale Gemeinschaft jetzt tun? Müsste es jetzt mehr Druck auf alle Kandidaten geben, das Wahlergebnis zu akzeptieren?

Ich glaube, dass wir uns darum kümmern sollten, wirklich zu wissen, was passiert ist. Wer hat recht von den Kandidaten? Und wer hat bewusst manipuliert? Und wenn es nicht - wie in der Verfassung verlangt - so eindeutig ist, dass ein Kandidat 50 Prozent erzielt hat, dann glaube ich, ist eine ordentliche Organisation der Stichwahl wohl das Beste, was dem Land passieren kann.

Uhuru Kenyatta hat nach vorläufigen Ergebnissen der Wahlkommission die Wahl mit 50,03 Prozent im ersten Durchgang gewonnen. Er ist mutmaßlich einer der Drahtzieher der Gewalt nach den Wahlen von 2007/08 und ihm werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Der IStGH hat seinen Prozess nun von April auf Juli verschoben. Würde die Bundesregierung mit einem kenianischen Präsidenten zusammenarbeiten, der vor dem IStGH angeklagt ist?

Die Anklage als solche ist ja noch nicht der Schuldspruch. Wie bei allen Gerichten gilt die Unschuldsvermutung natürlich auch für Kenyatta. Man muss abwarten, was bei einem Prozess herauskäme. Ich denke, dass diese Sache bis Juli für uns erstmal keine Rolle spielt.

Wie würden Sie den Stand des Demokratisierungsprozesses in Kenia einschätzen?

Ich glaube, dass Kenia ein Land ist, in dem Wahlen und das Interesse, an Wahlen teilzunehmen, sehr weit und gut im Bewusstsein der Bevölkerung verankert ist. Das haben ja auch am Montag die langen Schlangen [vor den Wahllokalen] gezeigt - und wie ordentlich und diszipliniert die Menschen versucht haben, sich an der Stimmabgabe zu beteiligen. Da kann man Kenia im Vergleich zu manch anderem afrikanischen Land ein Kompliment machen.

Trotzdem ist natürlich immer die Frage, was wir unter Demokratie verstehen. Sind das wirkliche Programme und politische Vorstellungen, die die Parteien haben - wie sie das Land regieren wollen - wie wir das hier aus Europa kennen, oder spielen andere Faktoren eine größere Rolle? Da scheint es ja so, dass in Kenia der Faktor der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie offensichtlich eher nicht an Bedeutung verliert, sondern eher gewinnt. Wenn es nur darum geht, die Mehrheitsethnie zu wählen, dann ist das nicht das Modell von Demokratie, das wir uns vorstellen.

Auszählung der Wahlstimmen (Foto: DW/ Maja Braun)
Falls kein Kandidat die absolute Mehrheit beim ersten Wahlgang erzielt, wird es eine Stichwahl gebenBild: DW/ M. Braun

Was würde die Bundesregierung den Kenianern jetzt wünschen?

Vor allem, dass alle daran interessiert sind, dass es nicht zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kommt. Wir haben das nach der Wahl 2007/08 erlebt. Und alle, die wissen, was das für die Menschen in Kenia und für die wirtschaftliche Entwicklung und das Vorankommen des Landes bedeutet hat, wissen, dass wir alles tun sollten, damit sich das nicht wiederholt. Andererseits sollten wir uns darum bemühen, dass hier nicht Gerüchte, sondern Fakten kommuniziert werden. Ich wäre sehr daran interessiert, dass auch die Wahlbeobachter und die, die vor Ort sind, ehrlich von dem berichten, was sie wissen, und die Tatsachen auf den Tisch legen.

Günter Nooke ist Afrikabeauftragter der Bundeskanzlerin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).

Das Interview führte Andrea Schmidt.