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Norbert Walter

Raus aus Nadelstreifen und grauem Flanell – rein in den Blaumann. Made in Germany schickt Deutschlands Topökonomen ins Arbeitsleben.

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Bei uns dürfen die Experten ihre Analysen und Prognosen einmal an der Wirklichkeit überprüfen. Das Who is Who der Volkswirtschaft macht mit.

Und Sie dürfen abstimmen. Wer ist Deutschlands Volkswirt des Jahres?

Folge 1: Norbert Walter auf dem Wochenmarkt

Für Made in Germany macht Norbert Walter den Praxistest. Seit 15 Jahren Chefökonom der größten Deutschen Bank, beklagt er häufig die Dienstleistungswüste Deutschland, in der niemand mehr gerne verkaufen will. Nun kann er zeigen, wie es besser geht. Der Chefvolkswirt der deutschen Bank arbeitet am Obst- und Gemüsestand auf einem Frankfurter Wochenmarkt. MIG-Reporter Ralf Jaeckel hat ihn begleitet.

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Bild: DW-TV

Er ist hier der Chef aller Volkswirte. Seit 15 Jahren schon. Wenn es um Zinsen, Konjunktur und Währungen geht, macht ihm niemand etwas vor. Der Anzug bleibt diesmal im Büro. Norbert Walter muss heute richtig mit anpacken - am Obst- und Gemüsestand von Schecker, einer der ältesten Firmen auf dem Frankfurter Schiller-Markt.

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Bild: dw_tv

Die Deutschen können einfach nicht verkaufen, klagt Norbert Walter immer wieder. Jetzt muss er zeigen, dass er's besser kann. Eine kurze Einweisung. Das sollte reichen. Jetzt muss er Umsatz machen. Erst Übung macht den Meister.

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Bild: DW-TV

Immerhin: 3 Euro 90 gleich im ersten Versuch. Walter ist zufrieden: "Ich fühl mich wohl. Aber das ist auch nicht so richtig überraschend. Mein Vater war Handelsvertreter. Von Natur aus verkäuferisch interessiert. Allerdings von Natur aus gehandicapt, weil die Frau der viel bessere Verkäufer ist als ich."

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Bild: DW-TV

Dienst am Kunden - das heißt für ihn: allen Wünschen nachkommen und nicht jammern. Eine Auszeit ist gestattet. Verkaufen ist gar nicht so leicht - kaufen schon eher. Das weiß auch der Chefvolkswirt: "Meine Frau weiß, ich bin gefährlich, wenn ich einkaufe. Ich kaufe zu viel ein. Immer das, was schon da ist, weil ich sehr spontan bin. Ich kaufe dann erst der Nase nach und dann den Augen nach. Die Konsequenz ist, dass sie sagt: ‚Wir sind keine Familie von Zehn, wir kriegen keinen Besuch. Du bist zum Frühstück und sonst sowieso nie da. Warum kaufst Du so viel ein?‘

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Bild: DW-TV

Zurück am Schecker-Stand, Banker-Dünkel hat hier nichts zu suchen. Umsatz machen - und dabei immer freundlich sein. Am Schecker-Stand zeigt man es ihm. "Hier kann man nicht nur rechnen, sondern auch fühlen. Und das macht einen Unterschied. Macht die Kommunikation leichter. Wenn man dann wieder was Abstraktes zu erzählen hat. Beispiele gehen viel besser von der Hand."

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Bild: DW-TV

Norbert Walter muss gehen. In einer Stunde hat er 30 Euro Umsatz gemacht. Das ist eher Durchschnitt am Gemüsestand. Verkaufen ist eben kein Kinderspiel.

Und so hat Norbert Walter selbst seinen Auftritt auf dem Wochenmarkt erlebt. Ein Erfahrungsbericht:

Ich konzentriere mich mit Vorliebe auf Aufgaben, die ich als wichtig, aber vernachlässigt ansehe. Deutschland ist gut im Erfinden und im systematisch Produzieren, aber weniger engagiert beim Marketing und lausig im Verkauf. Da Reden Silber und Vorbild Gold ist, habe ich mich über die Idee als Verkäufer für den Schillermarkt aufzutauchen, richtig gefreut. Als Volkswirt ist man leider in einem Beruf, wo es wenig zum Anfassen gibt, und wo die Ergebnisse der Arbeit erst mit großer Zeitverzögerung und meist auch nur sehr indirekt zu messen sind.

Der Rollentausch ins Konkrete, ins "hands on" mit schmutzigen Händen und unmittelbarem Erfolg in klingender Münze in der Kasse tat dem Schreibtischmann gut. Überrascht hat mich, wie überrascht jene Passanten und Käufer waren, die mich erkannten. Offenkundig hatten sie nicht gedacht, den Mann aus den Türmen beim italienischen Verkäuferkollegen und beim Animieren, doch ein paar mehr rote Beete zu kaufen, zu finden. Dass ich als Lions solches regelmäßig tue - Kunden bedienen, bei unserem Jazz-Frühschoppen, wissen halt nur die Bad Sodener.

Die größte Herausforderung war es, die Dreingabe von Kräutern beim Salatverkauf vor lauter Konzentration aufs richtige Herausgeben, nicht zu vergessen. Denn Verrechnen darf sich der Chefvolkswirt ja wirklich nicht! Das Marktengagement - fast 2 Stunden - verging im Fluge. Ich hätte die Rolle durchaus länger durchgehalten. Meine Frau - die beste Verkäuferin in der Familie - beobachtet meine Aktivitäten mit souveräner Distanz. Zu dieser "Eskapade" hatte sie - weise - genau keinen Kommentar.