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Getrennte Bänke

Susanne Henn10. Mai 2008

Seit der Gründung Nordirlands 1921 gibt es zwei unterschiedliche, nach Religionen getrennte Schulwesen. Erst 1981 wurde die erste integrative Schule eröffnet. Nur wenige Schüler besuchen gemischtkonfessionelle Schulen.

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Klassenraum im Ulidia College. Nur sechs Prozent der nordirischen Schüler besuchen eine integrative Schule.
Ulidia College, Carrickfergus, eine der wenigen integrative SchulenBild: DW/Susanne Henn

Schuldirektor Eugene Martin
Schuldirektor Eugene MartinBild: DW/Susanne Henn

In seinen ersten Berufsjahren als Lehrer in Belfast musste Eugene Martin seinen Vornamen verheimlichen. Zu katholisch sei dieser für ein protestantisch-loyalistisches Viertel in der nordirischen Hauptstadt, warnte sein damaliger Direktor. Heute ist Martin selbst Schuldirektor und die Zeiten, in denen er Angst vor protestantischen Paramilitärs haben musste, sind in Nordirland vorbei. Doch die Gesellschaft bleibt - auch zehn Jahre nach dem Karfreitagsabkommen - gespalten; was sich im Alltag, in den Wohnvierteln und auch im Schulwesen widerspiegelt.

Gemeinsam für mehr Toleranz

Martin leitet heute das Ulidia College im Küstenort Carrickfergus, eine offziell integrative Schule. Im Jahr 1997 eröffnet zieht sie mittlerweile über 500 Jugendliche unterschiedlicher Glaubensrichtungen an. Mindestens 30 Prozent von ihnen müssen der katholischen Minderheit in der Region angehören, so will es eine bildungspolitische Regel.

Doch bis heute besuchen nur vergleichsweise wenige Kinder und Jugendliche offiziell gemischtkonfessionelle Schulen, erklärt Deborah Girvan vom nordirischen Rat für integrative Erziehung (NICIE): "Die erste Schule dieser Art ging im Jahr 1981 mit 28 Schülern in Betrieb. Jetzt haben wir 62 integrative Schulen in Nordirland, an denen 19.000 Kinder ausgebildet werden. Das klingt nach richtig guten Fortschritten, aber es sind nur sechs Prozent aller Schüler."

Fokus auf Neutralität

Das Ulidia College empfängt seine Besucher - Plakat an der Fassade der integrativen Schule in Carrickfergus, Nordirland.
Das Ulidia College empfängt seine BesucherBild: DW/Susanne Henn

"Ich finde den Unterricht richtig gut, weil unsere Lehrerin immer den Mittelweg findet und nicht parteiisch ist. So gehen wir nicht nach Hause mit dem Gefühl, ich hasse Protestanten oder ich hasse Katholiken." erzählt die 15-jährige Protestantin Rachel. In ihrem Wohnviertel wurde ihren katholischen Freunden dagegen schon mal die Nase gebrochen.

Der Gedanke, dass gemischtkonfessionelle Erziehung zu Frieden und Stabilität in der Region beiträgt, ist weit verbreitet. Studien belegen, dass Absolventen offiziell integrativer Schulen toleranter sind und moderatere politische Ansichten haben.

Elterninitiative ist gefragt

Umfragen zufolge würden Dreiviertel aller nordirischen Eltern ihr Kind gern in eine integrative Schule schicken. Doch eine integrative Schule in Nordirland aufzumachen ist nicht so einfach: Immer muss es im Vorfeld eine Elterninitiative geben, die interessierte Schüler und Geld auftreibt. Ein weiteres Hindernis sind die 50.000 freien Plätze an bestehenden, konfessionsgebundenen Schulen, sagt Deborah Girvan von NICIE: "In jedem nordirischen Ort gibt es immer mindestens eine protestantische und eine katholische Schule, die ihre Klassen füllen müssen!"

Die bevorzugte Methode der nordirischen Politik ist es deshalb, bereits bestehende Schulen in integrative Schulen umzuwandeln. Doch momentan werden an den integrativen Schulen in Nordirland noch jedes Jahr aus Platzmangel mehrere hundert interessierte Schüler abgelehnt.