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Gesellschaft

Nordkorea kulinarisch

Esther Felden
13. März 2018

Wie schmeckt die Küche Nordkoreas? Wie wird in einem Land gekocht, in dem Zutaten begrenzt und nicht immer alles vorrätig ist? Markus Arnold hat es vor Ort ausprobiert – gemeinsam mit nordkoreanischen Auszubildenden.

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Schweizer Sternekoch Markus Arnold mit nordkoreanischen Kochschülern in der Küche
Bild: Anders Stoos

Eigentlich war alles ein großer Zufall. Dass Markus Arnold die Chance bekam, in Nordkorea in der Küche zu stehen. Das Angebot erreichte ihn über einen Freund, der als Veranstalter für Individualreisen arbeitet und schon mehrfach in Nordkorea war. Dieser Freund bekam irgendwann eine Anfrage – aus Pjöngjang. "Es ging um ein ungewöhnliches Projekt, um Know-How-Transfer in der Gastronomie. Die Nordkoreaner wollten wissen, ob er zufällig jemanden kennen würde, der sich vorstellen könnte, für ein paar Tage vor Ort gemeinsam mit Koch-Schülern zu arbeiten und ihnen etwas Neues beizubringen."

Markus Arnold an einem Marktstand
Auf den Märkten in Pjöngjang werden sämtliche Lebensmittel oder Gewürze angeboten Bild: Anders Stoos

Markus Arnold muss nicht lange überlegen. Mit eigenen Augen einen Eindruck zu bekommen, wie die traditionelle nordkoreanische Küche aufgebaut ist - und gleichzeitig den dortigen Kollegen neue Rezepte oder Zubereitungsmethoden zeigen zu können, diese einmalige Gelegenheit will er sich auf keinen Fall entgehen lassen. Er ist immer neugierig auf fremde Gerichte, Gewürze, Garungsarten. Und er reist leidenschaftlich gern, sammelt auf seinen Trips jedes Mal Ideen für die eigene Arbeit. Seit dem vergangenen Herbst führt er sein erstes eigenes Restaurant, die "Steinhalle" in Bern. Mit Mitte Dreißig zählt er schon zu den Top-Köchen des Landes, ist  ausgezeichnet mit einem Michelin-Stern und einer Spitzenbewertung beim Restaurantführer Gault-Millau.

Kochen mit dem, was da ist

Vor der Reise schickt Markus Arnold eine Liste nach Nordkorea: Zutaten, die schon vor seiner Ankunft besorgt werden sollen. "Wir haben schon darauf geachtet, dass wir mit den nordkoreanischen Köchen Gerichte zubereiten, die preisgünstig sind. Und die aus Zutaten bestehen, die vor Ort erhältlich sind." Er möchte die Nordkoreaner auf keinen Fall in Verlegenheit bringen. Bei seiner Ankunft in Pjöngjang Ende Januar ist aber erst einmal nichts von den bestellten Zutaten parat. "Wir sind dann zusammen auf den Markt gegangen und haben gezeigt, was wir brauchen. Wenig später hatten die Nordkoreaner alles organisiert."

Schweizer Sternekoch Markus Arnold vor einem Fischstand
Auch Fisch ist ein fester Bestandteil der koreanischen Küche - in Nord und Süd Bild: Anders Stoos

Die nordkoreanische Küche an sich ist sehr ursprünglich und regional geprägt, erzählt der Sternekoch. "Importe aus dem Ausland gibt es ja kaum, alles basiert auf den Produkten, die im Land selbst wachsen und einfach anzubauen sind. Es gibt beispielsweise viel Kohlgemüse, Pilze, Reis und Kartoffeln." Doch auch damit lässt sich viel machen. Trotz der begrenzten Zutaten sei es eine sehr schmackhafte Küche, findet Arnold.

Kartoffeln mal anders

Insgesamt drei Tage steht er mit seinen nordkoreanischen Schülern in der Küche. Besonders interessiert seien sie an Kartoffelrezepten gewesen, erzählt er. Aus einem ganz einfachen Grund. Seit der Hungerkatastrophe in den 1990er Jahren hat der Kartoffelanbau im Land immer weiter zugenommen. Zum Einen, weil Kartoffeln so nahrhaft sind. Zum Anderen, weil sie mehrfach pro Jahr geerntet werden können, häufiger beispielsweise als Reis. "In Nordkorea werden Kartoffeln traditionell meist frittiert. Deshalb wollten die Köche von uns alternative Zubereitungsmethoden lernen, um einfach ihr Repertoire zu erweitern."

Markus Arnold wendet ein Rösti in der Pfanne
Besonders interessiert waren die nordkoreanischen Köche an neuen KartoffelgerichtenBild: Anders Stoos

Markus Arnold ist beeindruckt von den Kochkünsten seiner nordkoreanischen Schüler. "Die beherrschen ihr Handwerk", sagt er anerkennend. "Das waren keine Anfänger. Sie konnten extrem schnell und exakt alles kopieren und nachkochen, was wir ihnen gezeigt haben. Sie sind wirklich gut ausgebildet." Fast nur Frauen hätten in der Küche gearbeitet, anders als beispielsweise in der Schweiz. Nur der Chef sei ein Mann gewesen.

Verstehen ohne Worte

Die Stimmung in der Truppe beschreibt der Sternekoch als angenehm locker und gelöst. Er habe sich wohl gefühlt. "Ich hatte nicht das Gefühl, dass die nordkoreanischen Kollegen nur Marionetten waren, die nichts sagen durften. Sie hatten Spaß, haben viel geredet und gelacht." Natürlich ist Arnold nie allein mit seinen Schülern. Drei offizielle Begleiter sind die ganze Zeit mit dabei. "Sie haben fließend deutsch gesprochen und immer zwischen uns übersetzt. Alle drei waren sehr nett zu uns. Aber in der Küche kann man sowieso auch vieles mit Händen und Füßen erklären. Da kommt man mit non-verbaler Kommunikation schon recht weit." 

Markus Arnold umgeben von vier koreanischen Köchinnen und einem Koch
Das Küchenteam: Die Verständigung klappte oft auch ohne Worte, mit Händen und FüßenBild: Anders Stoos

In den drei Seminartagen kocht Arnold in verschiedenen Restaurants, die alle eher von der Mittel- und Oberschicht besucht würden, schätzt er. Vor allem Gruppen seien dort gewesen, beispielsweise reine Männerrunden oder auch Hochzeitsgesellschaften. Die Köche selbst hätten sich im Hintergrund gehalten. Überhaupt: Der Stellenwert des Berufs an sich sei in Nordkorea in keiner Weise zu vergleichen mit dem, was man in Europa erleben könne - wo Spitzenköche manchmal einen regelrechten Promistatus innehaben. "Etwas Ähnliches gibt es dort natürlich nicht."

Markus Arnold an einem Streetfood-Stand, isst aus einer Schüssel
Auch Street Food gehört dazu: So macht sich Markus Arnold einen Eindruck von der Küche des LandesBild: Anders Stoos

Andere Welt auf der anderen Seite der Grenze

Zweite Reisestation dann: Südkorea. Um den direkten Vergleich zu haben. Ein Kulturschock, auch kulinarisch. Der Kontrast zum Norden sei überdeutlich gewesen, berichtet der Sternekoch. "Wir wollten ja wissen: Wie ist die koreanische Küche? Und ich denke, da sind wir in Nordkorea sehr nah am Ursprung gewesen. Die Küche hat sich aufgrund der politischen Situation und die mangelnden Einflüsse von außen kaum verändert. Seoul dagegen ist eine Weltstadt, die auch kulinarisch sehr international geprägt ist, vor allem durch Japan oder die USA. Wenn man direkt aus dem Norden kommt, erschrickt man fast, so unterschiedlich ist es."

Tisch mit angerichteten Speisen
Sehr ursprüngliche Küche, aber lecker - so fällt das Fazit des Sternekochs ausBild: Anders Stoos

Er persönlich mag beides, sagt er. Und die Eindrücke, die er in Korea sammeln konnte, nutzt er jetzt auch in seinem Restaurant in der Schweiz. "Bis Ende April haben wir ein "Korea-Menu" im Programm. Wir kombinieren Schweizer Produkte mit Elementen aus der koreanischen Küche. Manches haben wir eins zu eins übernommen, anderes ein bisschen abgewandelt. Es ist einfach eine koreanische Note drin." Die Resonanz bisher sei jedenfalls gut. Arnold selbst hat zwei koreanische Lieblingsgerichte: Marinierte Kimchi-Gurken und Bibimbab, einen traditionellen Reiseintopf mit Gemüse, Ei und wahlweise Fleisch oder Tofu. "Besonders diese Kimchi-Gurken haben mir außerordentlich gut geschmeckt. Die servieren wir jetzt auch genauso im Restaurant." Ein Hauch Nordkorea, mitten in Bern.