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Nordkoreas Parlament der Jasager

Das Interview führte Kirsten Heppner10. April 2006

Die Oberste Volksversammlung von Nordkorea kommt am Mittwoch (11.4.2006) zu ihrer jährlichen Sitzung zusammen. DW-WORLD hat mit Nordkorea-Experte Aidan Foster-Carter über das höchste Machtorgan des Staates gesprochen.

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Den Blick nach vorn gerichtet: die Oberste Volksversammlung NordkoreasBild: AP/dpa

DW-WORLD: Herr Foster-Carter, wie kann man sich eine solche Sitzung der Obersten Volksversammlung in Nordkorea vorstellen?

Volksversammlung in Nordkorea
Über allem wacht Kim Il-Sung, der "ewige Präsident"Bild: PA/dpa

Aidan Foster-Carter: Es ist schon ein merkwürdiger Ort. Es kam mir ein bisschen wie ein Theater vor. Im House of Commons, im englischen Parlament sitzen sich die Abgeordneten gegenüber, was der Diskussion sehr zuträglich ist. Aber in Nordkorea gibt es Sitze wie im Theater und alle Abgeordneten blicken geradeaus auf die riesige weiße Marmorstatue des Staatsoberhauptes. Alle Abgeordneten haben Mikrofone, damit sie gelegentlich ihre Zustimmung äußern können.

Was genau sind die Aufgaben der Volksversammlung?

Auch wenn die Oberste Volksversammlung nominell das höchste Machtorgan des Staates ist, ist sie eigentlich nur zum "Abnicken" der Gesetze da. Natürlich liegt das auch daran, dass die Versammlung nur so selten tagt. Früher hat die Sitzung zwei bis drei Tage gedauert, aber jetzt ist es nur noch ein Tag. Und da machen die Abgeordneten einfach, was ihnen gesagt wird. Der Ablauf ist normalerweise so, dass der Premierminister zunächst den Wirtschaftsbericht für das vergangene Jahre vorlegt. Und dann präsentiert der Finanzminister den Haushaltsplan für das laufende Jahr. Dem stimmt die Volksversammlung dann zu.

Wir hoffen aber, dass es dieses Jahr anders wird. Es gibt hier und da Hinweise auf wirtschaftliche Reformen: Kim Jong-Il ist zum Beispiel zu Verhandlungen nach China gefahren. Und vielleicht könnte die Regierung die Volksversammlung nutzen, um eine radikale wirtschaftliche Veränderung bekannt zu geben. Aber das glaube ich nicht wirklich. Dafür würden sie vermutlich einen Parteitag einberufen, und einen Parteitag hat es seit 1980 nicht mehr gegeben. An den anderen 364 Tagen im Jahr gibt es ein Präsidium der Volksversammlung, das dafür zuständig ist, Gesetze zu beschließen. Formell muss die gesamte Versammlung die Gesetze ratifizieren, aber das heißt natürlich nur wieder, dass sie abgenickt werden.

Es gibt 687 Abgeordnete in der Obersten Volksversammlung. Wie werden sie gewählt?

Wir gehen davon aus, dass sie von der Regierung bestimmt werden. Zumindest auf dem Papier sind nicht alle Abgeordneten Mitglieder der regierenden Arbeiterpartei. Die Regierung versucht, einen vernünftigen Querschnitt der Bevölkerung hinzubekommen. Es gibt einen bestimmten Anteil von Arbeitern, von Akademikern, von Frauen und so weiter. Dennoch gehen Experten davon aus, dass niemand in die Volksversammlung berufen wird, der nicht tiefgehend durchleuchtet wurde und der nicht extrem loyal gegenüber der Regierung ist. Über mehrere Jahre hinweg sieht man leichte Veränderungen: Manchmal gibt es mehr Technokraten oder mehr Militärs. Es gibt tatsächlich auch Abgeordnete, die dem Militär angehören - dazu gehört auch Kim Jong-Il, der Vorsitzende der Regierungspartei.

Welche anderen Themen neben der Wirtschaft werden noch angesprochen?

Manchmal kommen auch so genannte "Organisationsfragen" zur Sprache. Und wir vermuten, dass es dabei um die Besetzung von Ämtern geht, aber auch das ist nicht sicher. Nordkorea ist eben anders als andere Länder. Entscheidungen, bei denen wir denken, dass sie ziemlich banal sind - wie zum Beispiel die Besetzung von Ministerämtern - sind in Nordkorea schon fast Geheimsache. Da stellt sich dann plötzlich heraus, dass zum Beispiel Herr Kim Bergbauminister ist und vorher war es Herr Pak. Es gibt keine amtliche Bekanntgabe.

Im vergangenen Jahr wurde die jährliche Sitzung wenige Tage vor dem Termin verschoben. Sind Gründe bekannt?

Ich habe nie eine zufrieden stellende Erklärung dafür gehört. Es ist schon ein bisschen ungewöhnlich. Für Nordkoreaner ist Politik wie Theater. Und da heißt es doch immer: Die Show muss weitergehen. Ich kann nur davon ausgehen, dass sie aus irgendwelchen Gründen noch nicht bereit waren. Soviel ich weiß, sollte die Sitzung im März stattfinden und sie haben sie dann in den April verschoben, nur um ein paar Wochen. In diesem Jahr ist die Sitzung wieder im April, so ist das fast immer. Aber die Oberste Volksversammlung ist nun mal - wie vieles in Nordkorea - ein großes Geheimnis.