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Dopingverdacht in Nordkoreas Team

7. Juli 2011

Erneut überschattet ein Doping-Skandal die Frauen-WM. Zwei Nordkoreanerinnen wurden positiv auf ein Steroid getestet. Nach dem letzten Gruppenspiel musste das komplette Team zum Test – und reiste danach überstürzt ab.

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Die Frauenfussball- Nationalmannschaft Nordkoreas in Deutschland (Foto: AP)
Bild: picture alliance / Sven Simon

Zufall oder nicht? Die Nachricht, dass die beiden nordkoreanischen Nationalspielerinnen Song Jong Sun und Jong Pok Sim einen positiven Doping-Test abgeliefert haben, kam erst nach dem letzten Auftritt Nordkoreas bei der Frauenfußball-WM. Sehr kurzfristig war das Duo aus der Aufstellung für das letzte Gruppenspiel in Bochum gegen Kolumbien (0:0) gestrichen worden. Auf dem Spielberichtsbogen hatte lediglich "abwesend" beziehungsweise "nicht einsetzbar" gestanden.

Nadine Angerer: "Wir haben es schon lange vermutet"

Erst nach der Partie in der Nacht zum Donnerstag (07.07.2011) informierte der Fußball-Weltverband FIFA die Öffentlichkeit: FIFA-Chefmediziner Jiri Dvorak erklärte, bei Song Jong Sun und Jong Pok Sim sei jeweils ein anaboles Steroid der Gruppe S1B gefunden worden. Die A-Proben aus den Partien gegen die USA (0:2) und Schweden (0:1) seien positiv gewesen, die B-Proben stünden noch aus. "In 99 Prozent aller Fälle bestätigt das Ergebnis der B-Probe das der A-Probe", merkte Dvorak aber an.

Die deutsche Nationaltorhüterin Nadine Angerer war vom positiven Fall "nicht überrascht". Denn: "Vermutet haben wir es schon lange. So lange es aber keine Beweise gab, konnte man es nur nicht aussprechen", sagte Angerer: "Geholfen hat es ja aber ohnehin nicht - sie sind ja schon ausgeschieden."

Song Jong Sun (r.), hier im Duell mit Okoyino da Mbabi (Foto: dapd)
Unter Verdacht: Song Jong Sun (r.), hier mit Okoyino da MbabiBild: dapd

Die Konsequenz aus dem Doppel-Dopingfall: Nach dem Spiel gegen Kolumbien wurden auch die übrigen 19 Spielerinnen des nordkoreanischen Kaders zur Dopingprobe gebeten - wie es die Statuten vorsehen. Es ist allerdings ein einmaliger Vorgang in der WM-Geschichte, dass eine komplette Mannschaft zur Dopingkontrolle muss. "Heute ist ein sehr trauriger Tag. Aber wenn es zwei positive Proben in einer Mannschaft gibt, schreiben die Regularien dieses Prozedere vor", sagte FIFA-Chefmediziner Dvorak.

"Sehr leicht nachzuweisen"

Die positiven Proben wurden im Labor der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) in Kreischa untersucht und anschließend an das Institut für Biochemie der Deutschen Sporthochschule Köln unter Leitung von Wilhelm Schänzer weitergereicht, "um eine zweite Meinung einzuholen", wie Dvorak sagte.

Schänzer gilt als einer der renommiertesten Dopingforscher weltweit und erklärte im Gespräch mit DW-WORLD.DE, worum es sich bei der nachgewiesenen Substanz-Gruppe handelt: "S1B steht für anabole Steroide, die der Körper auch selbst herstellen kann, zum Beispiel Testosteron. Diese Substanzen sind in der Regel sehr leicht nachzuweisen." Dass solche Mittel trotzdem auch in Wettkampfphasen, in denen mit Dopingtests gerechnet werden muss, eingenommen werden, überrascht Schänzer nicht. Wir beobachten seit einigen Jahren, dass Substanzen wie Testosteron auch im Wettkampf verwendet werden, weil man glaubt, dass das die Regeneration verbessert." Gefragt, ob solche Substanzen auch im Fußball zu einer Leistungssteigerung führen, verweist Schänzer auf eine "Verbesserung im Kraftbereich" sowie "eine höhere Schnelligkeit".

Nordkoreas Team ist enttäuscht nach Rachel Buehlers (Mitte) Treffer im WM-Spiel (Foto: dapd)
Dem "Klassenfeind" unterlegen: Nordkoreas Mannschaft enttäuschte im ersten Spiel gegen die USABild: dapd

Sportlich sind die beiden Dopingfälle zwar ohne Bedeutung, da Nordkorea schon vor dem letzten Gruppenspiel keine Chance mehr auf das Viertelfinale hatte. Doch sportpolitisch ist die Angelegenheit brisant. Denn sollte sich der Dopingverdacht in den B-Proben bewahrheiten, würde die Abschottung des nordkoreanischen Teams vor der Öffentlichkeit während des Turniers in einem neuen Licht erscheinen. Dann ging es dabei vermutlich nicht mehr nur um die Verhinderung von Kontakten der Spieler mit dem westlich-kapitalistischen Umfeld in Deutschland. Die Abschottung könnte auch Teil eines systematischen Doping-Plans gewesen sein, der wohlmöglich das gesamte Team umfasste. Auf Seiten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) hatte man sich vor der WM mit einer Reise nach Nordkorea um eine sportpolitische Annäherung an das kommunistische Land bemüht. Angesichts des Dopingfalles sprach DFB-Präsident Theo Zwanziger jedoch von einem "menschenverachtenden System" in Nordkorea.

Der "geliebte Führer" am Revers

Hintergrund ist der große Ehrgeiz, mit dem das totalitär geführte Land seine Fußball-Frauen ins WM-Turnier geschickt hat. Als Geheimfavorit waren die dreifachen Asien-Meisterinnen nach Deutschland gereist. Öffentliche Auftritte untersagte Nationaltrainer Kwang Min seinem Team aber strikt. Der Coach, der oft einen kleinen Anstecker mit dem Bild des "geliebten Führers" Kim Jong Il trägt, zog nach dem sang-, klang- und vor allem torlosen Ausscheiden seiner Mannschaft dennoch eine positive Bilanz. "Wir haben bei der WM viele Erfahrungen gesammelt und wollen uns künftig weiter verbessern."

Schwedens Lisa Dahlkvist (2.v.l.) trifft gegen Nordkoreas Torhüterin Myong Hui Hong (2.v.r.) zum 0:1 (Foto: dapd)
Auch gegen Schweden war Nordkorea chancenlosBild: dapd

Seine Spielerinnen verließen das WM-Stadion in Bochum mit hängenden Köpfen und sollen sofort danach die Heimreise angetreten haben. Die Ankunft in der kommunistischen Heimat dürfte allerdings nur wenig Freude auslösen. Denn neben dem noch offenen Doping-Verfahren droht den Kickerinnen auch der Unmut des Regimes. Die nordkoreanische Führung soll schon öfters in der Vergangenheit gescheiterte Sportler bestraft haben – im schlimmsten Fall sogar mit einem Arbeitslager.

Bei der laufenden Fußball-WM waren die positiven Proben der Nordkoreanerinnen bereits die Dopingfälle zwei und drei. Zuvor hatte die kolumbianische Nationaltorhüterin Yineth Varon einen positiven Test abgeliefert und war früh abgereist. Laut Auskunft des kolumbianischen Verbandes FCF hatte die Spielerin dem Teamarzt eine Hormonbehandlung verschwiegen.

Autor: Joscha Weber

Redaktion: Arnulf Boettcher