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Norwegen-Attentäter sieht sich nicht schuldig

25. Juli 2011

Drei Tage nach dem Doppelanschlag in Norwegen hat der festgenommene Verdächtige die Tat vor Gericht gestanden, eine strafrechtliche Verantwortung aber abgelehnt. Die Polizei korrigierte die Zahl der Toten nach unten.

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Attentäter Anders Breivik im Polizeiwagen, neben ihm ein Polizist (Foto: AP/dapd)
Wird auf seine Zurechnungsfähigkeit untersucht: Attentäter BreivikBild: dapd

Der mutmaßliche Attentäter von Oslo muss für acht Wochen in Untersuchungshaft, vier Wochen davon in Isolationshaft. Das entschied ein Osloer Gericht nach dem Haftprüfungstermin am Montag (25.07.2011). Der 32-jährige Anders Behring Breivik dürfe weder Besuch empfangen noch Briefe schreiben oder empfangen.

Breivik spricht von weiteren Zellen

Zwei schwarze Fahrzeuge auf dem Weg ins Osloer Gericht (Foto: AP/dapd)
Breivik auf dem Weg ins GerichtBild: dapd

Von dem Attentäter gehe weiter ein großes Risiko aus, hieß es auf der Pressekonferenz des Gerichts. In einer Anhörung bekannte sich Breivik nicht schuldig des Vorwurfs, eine der folgenschwersten Massentötungen in Friedenszeiten begangen zu haben. Er hat aber laut Gericht den Bombenanschlag und die Schüsse auf Jugendliche zugegeben. Breivik habe ausgesagt, er habe Norwegen und Westeuropa vor einer Übernahme durch Moslems schützen wollen. Ziel des Angriffes sei es gewesen, ein starkes Signal an das Volk zu senden.

Menschen vor dem Osloer Gericht (Foto: AP/dapd)
Viele Menschen warteten vor dem Osloer Gericht auf die Ankunft des AttentätersBild: dapd

Der regierenden sozialdemokratischen Arbeiterpartei wollte er größtmöglichen Schaden zufügen. Sie sei für die massenhafte Einwanderung von Muslimen verantwortlich und habe dafür bezahlen müssen. Während des Gerichtstermins sprach Breivik von "zwei weiteren Zellen in unserer Organisation". Weitere Einzelheiten wollte der Gerichtssprecher aus der Verhandlung nicht mitteilen. Polizeiankläger Christian Hatlo kündigte an, dass Breivik rechtspsychiatrisch auf seine Zurechnungsfähigkeit untersucht werde.

Schweigeminute für die Opfer

Die Verhandlung, von der die Öffentlichkeit ausgeschlossen worden war, dauerte rund 40 Minuten. Als der Polizeiwagen um kurz vor 14 Uhr mit Breivik beim Gericht vorfuhr, herrschte eine aggressive Stimmung. Wütende Passanten schlugen auf die Scheiben und schrien "verdammter Verräter". Nach Angaben seines Anwalts wollte Breivik in Uniform erscheinen, was das Gericht aber ablehnte.

Zuvor stand das öffentliche Leben im ganzen Land um punkt 12 Uhr still. Menschen schlossen sich überall einer Schweigeminute für die Opfer des Attentäters an. Ministerpräsident Jens Stoltenberg stand dabei im Beisein von König Harald V. und Königin Sonja auf den Stufen eines Universitätsgebäudes in Oslo neben einer Flamme. Auch in den skandinavischen Nachbarländern Dänemark und Schweden wurde eine Schweigeminute eingelegt.

Menschen bei der Schweigeminute für die Opfer in Oslo (Foto: AP/dapd)
Ganz Norwegen erinnerte mit einer Schweigeminute an die OpferBild: dapd

Am Montagabend nahmen Hundertausende Norweger in Oslo und anderen Städten an Trauermärschen teil. Kronprinz Haakon rief am Rathaus in Oslo die Bürger auf, sich aktiv für ein Norwegen einzusetzen, in dem "Verschiedenheit als Chance begriffen wird".

Verheerende Dum-Dum-Geschosse

Am vergangenen Freitag hatte der Beschuldigte das Regierungsviertel in Oslo mit einem verheerenden Bombenanschlag verwüstet und anschließend auf der nahe gelegenen Fjord-Insel Utöya auf Teilnehmer eines Ferienlagers gefeuert. Bei dem Massaker auf Utöya setzte Breivik nach Angaben eines Chirurgen sogenannte Dum-Dum-Geschosse ein. Das sind spezielle Projektile, die im Körper des Getroffenen zerfallen und besonders schwere innere Verletzungen anrichten. Der Arzt sagte, er habe solche schrecklichen Verletzungen so noch nie gesehen. Die Kugeln seien im Körper der Opfer noch einmal explodiert.

Unterdessen teilte die Polizei mit, dass bei den Anschlägen weniger Menschen getötet wurden als zunächst angenommen - nämlich insgesamt 76: acht bei dem Bombenanschlag in Oslo und 68 auf der Insel Utöya. Bisher war die Zahl der Todesopfer mit 93 angegeben worden.

Autorin: Pia Gram (dpa, dapd, afp, rtr)
Redaktion: Reinhard Kleber