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Not-Telefon für Missbrauchsopfer in der katholischen Kirche

13. März 2010

Nach dem Missbrauchsskandal um katholische Priester und Ordensleute haben die deutschen Bischöfe angekündigt, den Opfern mit einer bundesweiten Hotline zu helfen. Die Kritiker der Amtskirche tun das schon lange.

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Mitglieder der katholischen Laienbewegung 'Wir sind Kirche' halten vor dem Münster in Freiburg Transparente mit der Aufschrift 'Keine Vertuschung sexualisierter Gewalt in der Kirche' (Foto: dpa)
Mitglieder der katholischen Laienbewegung "Wir sind Kirche"Bild: picture-alliance/ dpa

"Wir sind Kirche - Notruf, hallo?", mit diesen Worten begrüßt Katharina B. immer mehr Anrufer, die über Missbrauchserfahrungen in der katholischen Kirche reden wollen. Seit acht Jahren macht sie diese Arbeit von zuhause aus. Sie will anonym bleiben, weil sie Anfeindungen wegen ihres Einsatzes für die Opfer sexueller Gewalt in der katholischen Kirche fürchtet.

Bischöfe wollten 2002 nicht handeln

Eine Frau hält einen Telefonhörer in der Hand (Foto: AP)
Offenes Ohr für MissbrauchsopferBild: AP

Das Not-Telefon wurde 2002 eingerichtet. Damals wurden die Fälle sexueller Gewalt von katholischen Priestern und Ordensleuten an Kindern und Jugendlichen in den USA bekannt. Die Kirchenvolksbewegung hatte die deutsche Bischofskonferenz zum Handeln aufgefordert, doch der damalige Vorsitzende Kardinal Lehmann wiegelte ab. Da beschlossen die Initiatoren von "Wir sind Kirche", selber etwas für Opfer in Deutschland zu tun, unter anderem mit dem Not-Telefon. Anfänglich gab es Proteste aus Kirchengemeinden.

"Sie sind die Erste. Glauben Sie mir?"

Plakat: Wir sind Kirche - Not-Telefon

Mit etwa 300 Opfern hat Katharina B. seitdem gesprochen. Ein Anruf hat sie besonders bewegt. Eine fast 80-jährige Frau erzählte ihr, dass sie mit sechs Jahren von einem Pfarrer vergewaltigt worden war: "Ich hab nie mit jemandem darüber reden können. Sie sind die Erste. Glauben Sie mir?" Katharina B. hat ihr geglaubt, erschüttert, dass die Frau 70 Jahre lang ganz allein unter der schlimmen Erfahrung litt.

Auch andere Opfer haben vergeblich versucht, Hilfe zu finden. Ein Kind wurde von seiner Mutter heftig geohrfeigt und wegen seiner "bösen Fantasie" getadelt. Sexueller Missbrauch kann Menschen zerstören, das haben Betroffene Katharina B. immer wieder erzählt: "Da war nur noch mein Körper, der das ausgehalten hat, ich war weg."

Opfer noch einmal vergewaltigt

Porträt von Annegret Laakmann, Mitbegründerin des Not-Telefons für Missbrauchsopfer
Annegret Laakmann, Mitbegründerin des Not-TelefonsBild: Annegret Laakmann

Annegret Laakmann ist Mitbegründerin des "Wir sind Kirche"-Not-Telefons für Opfer sexueller Gewalt. Sie beklagt, wie die Amtskirche die Opfer lange Zeit behandelt hat: "Man hat ihnen nicht geglaubt, die Täter sind versetzt worden und man hat sie im Grunde genommen damit noch einmal, ja, vergewaltigt".

Seit den Medienberichten über die Missbrauchsfälle in Schulen und Internaten rufen täglich drei bis sechs Menschen das "Wir sind Kirche"-Notruftelefon an. Mehr Menschen wagen, über ihre Erfahrungen zu reden. Im vergangenen Jahr hatte es viel weniger Anrufe gegeben. Auch die deutschen Bischöfe wollen bald eine bundesweite Hotline für Missbrauchsopfer einrichten.

"Beschämend und erschütternd"

Bischof Stephan Ackermann in einer ZDF-Talkshow neben Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (Foto: picture alliance)
Bischof Ackermann in einer TalkshowBild: picture alliance/zb

Bischof Stephan Ackermann, der neue Beauftragte für Missbrauchsfälle in der Katholischen Kirche, sagte in der ZDF-Talkshow Maybrit Illner: "Die letzten Wochen sind für uns nun wirklich beschämend und erschütternd. Wir haben ja von den Bischöfen her deutlich gemacht, dass wir alles tun werden, was zur Aufklärung beiträgt und insofern sind wir auch dankbar, ist es gut, dass die Opfer den Mut finden, sich zu melden." Annegret Laakmann begrüßt die Ankündigung und sieht die Bischöfe grundsätzlich auf einem guten Weg. Allerdings wünscht sie sich, dass die Ansprechpartner für Missbrauchsopfer in den deutschen Bistümern unabhängig von der kirchlichen Hierarchie eingesetzt werden.

Je nach Bistum: abwiegeln oder handeln

Die Hand eines Priesters hält einen Rosenkranz und eine bischöfliche Erklärung zu Missbrauchsfällen (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/ dpa

Auch Katharina B. hat die Erfahrung gemacht, dass nicht alle Missbrauchs-Beauftragten angemessen auf Hinweise reagieren. Sie meldet auf Wunsch der Opfer die Täternamen an das zuständige Bistum weiter: "Erst heute morgen habe ich einen Täter gemeldet, der zudem noch sein Opfer bedroht." Zur Antwort bekam sie, der zuständige Generalvikar sei nicht da, der Computer defekt und alle überlastet. Richtig zornig wurde sie, als man ihr sagte: "An den meisten Fällen ist ja eh nichts dran." Allerdings kann sie auch von sehr positiven Erfahrungen berichten: "Dann gibt es auch Ombudsleute, die sofort aufstehen und handeln. Wo ich einen Tag später weiß, der Täter ist sofort abgeholt worden und ist in einem Kloster eingeschlossen worden, bis der Prozess läuft."

Was wollen die Opfer?

Die Opfer wollen vor allem, dass man ihr Leid anerkennt, sie wollen darüber sprechen und sie wollen, dass man ihnen glaubt. Viele wünschen sich auch, dass der Täter selbst sich bei ihnen entschuldigt. Das Not-Telefon hat schon einige solche Begegnungen unter Zeugen vermittelt. "Aber es gibt natürlich auch welche, die sagen, ich hab in meinem Leben überhaupt nichts erreichen können, ich bin von einer Therapie zur anderen gegangen. Da kann man mich doch jetzt nicht mit alleine lassen. Da wird dann schon auch von einer finanziellen Entschädigung gesprochen", berichtet Annegret Laakmann.

Wünsche an Kirche und Papst

Papst Benedikt im Gespräch mit dem deutschen Erzbischof Zollitsch (Foto: dpa)
Papst Benedikt im Gespräch mit dem deutschen Erzbischof ZollitschBild: picture alliance/dpa

Sie warnt davor, dass die Aufmerksamkeit für das Thema Missbrauch zu schnell wieder abflauen könnte: "Von der Kirche und auch vom Papst wünsche ich mir, dass sie nicht nur klare Worte reden, sondern auch klare Taten folgen lassen. Und dass sie eben, wenn die alten Fälle aufgearbeitet sind, nicht meinen, es wäre alles vorbei. Es wird auch noch heute Fälle geben und da müssen wirklich geschulte Leute ran, um zu gucken, was passiert heute? Nicht dass wir erst in 20, 30 Jahren erfahren, was heute passiert."

Autorin: Andrea Grunau
Redaktion: Frank Wörner