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NPD-Verbot

8. Dezember 2011

Sorgfalt vor Schnelligkeit: Viele deutsche Politiker sprechen sich für ein Verbot der rechtsextremistischen NPD aus. Doch es gibt Zweifel, ob ein solches Verfahren diesmal Erfolg haben könnte.

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NPD-Wahlkampf in Hamburg (Foto: dpa)
Bild: picture alliance/dpa

Noch immer diskutiert die deutsche Politik kontrovers über ein mögliches Verbotsverfahren der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD). Vor wenigen Tagen hatte die Verhaftung eines ehemaligen hochrangigen NPD-Funktionärs dazu geführt, dass Politiker euphorisch von einem baldigen Verbotsverfahren sprachen. Der festgenommene Ralf Wohlleben steht im Verdacht, eine Neonazi-Terrorzelle aus Zwickau unterstützt zu haben. Diese soll nach ersten Ermittlungen für eine Mordserie an zehn Menschen verantwortlich sein. Die meisten Opfer waren Türken. Mit der Festnahme von Wohlleben könnte eine direkte Verbindung zwischen der NPD und gewalttätigen Rechtsradikalen nachgewiesen werden, so die Hoffnung.

Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) erklärte im Deutschlandfunk, wenn dies stimme, sei ein Verbot "unumgänglich". Und auch der Innenexperte der CDU, Wolfgang Bosbach, meinte, das Verbotsverfahren werde kommen. Nach den Diskussionen der vergangenen Tage könne der Staat es sich kaum noch leisten, auf einen entsprechenden Antrag beim Bundesverfassungsgericht, die NPD zu verbieten, zu verzichten.

Den zweiten Schritt nicht vor dem ersten tun

Hans-Jürgen Papier, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts (Foto: dpa)
Skeptischer Jurist: Hans-Jürgen Papier, ehemaliger Präsident des BundesverfassungsgerichtsBild: dpa

Mittlerweile drücken sich viele Politiker und Fachleute aber vorsichtiger aus. Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, warnte eindringlich vor einem voreiligen Verfahren: "Ich habe die Befürchtung, dass sich die Politik für einen neuen Antrag entscheidet, ohne vorher die Erfolgsaussichten zu prüfen", sagte er am Dienstag (06.12.2011) bei der Herbsttagung des Bundeskriminalamtes in Wiesbaden. Die Politik sei dabei, wieder in eine "unsägliche Falle" hineinzulaufen. Sollte ein Verbotsantrag erneut scheitern, würde das einen "fatalen Schaden" für Deutschland bedeuten. Es reiche nicht aus, wenn - wie im Fall Wohlleben - ein einzelnes Mitglied der NPD gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung verstoßen haben könnte.

Erst müsse einwandfrei bewiesen sein, dass die NPD als Ganzes verfassungswidrig sei, und erst dann könne über ein neues Verfahren entschieden werden. Die Grünen forderten Bund und Länder auf, die Warnung von Papier ernstzunehmen. Ein erstes Verbotsverfahren war 2003 vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert, seitdem waren viele Politiker äußerst vorsichtig mit einem neuen Vorstoß.

Drohender "Ritterschlag" für die NPD

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (Foto: dpa)
Warnt vor Schnellschüssen: Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU)Bild: picture alliance/dpa

Ähnlich sieht es auch Bundesinnenminister Hans Peter Friedrich (CSU). Er lehnt ein vorschnelles NPD-Verbotsverfahren ab und betonte, voreiligen Aktionismus werde es mit ihm nicht geben: "Das Gegenteil von gut gemacht ist gut gemeint."

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) mahnte ebenfalls Geduld an. Die Innenministerkonferenz von Bund und Ländern berät von Donnerstag bis Freitag (08./09.12.2011) in Wiesbaden über ein mögliches Verbotsverfahren. Der derzeitige Vorsitzende der Konferenz, Boris Rhein (CDU), warnte, ein erneutes Scheitern wäre der "Ritterschlag" für die NPD: "Dann hätten wir alles falsch gemacht, was man falsch machen kann." Deshalb dürfe man nichts überstürzen.

"In Ruhe, aber schon zügig"

Allerdings treten nicht alle Innenminister auf die Bremse: Bayerns Ressortchef Joachim Herrmann (CSU) wolle zwar auch nicht "Hals über Kopf in ein Abenteuer stolpern", wie er in München sagte. Trotzdem mahnte er zur Eile und betonte, bis zum nächsten Sommer könne man alles zusammenhaben, um ein neues Verfahren starten zu können. Deshalb plädierte er für den Mittelweg "in Ruhe, aber schon zügig".

Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) sagte in Mainz, dass man schon im März 2008 eine Dokumentation vorgelegt habe, die die verfassungsfeindliche Ausrichtung der NPD dokumentiere: "Wir glauben, dass bereits dieses Material juristisch für ein Parteiverbot ausreicht." Die neuen möglichen Verbindungen der NPD zur Zwickauer Terrorzelle würden die Wucht der Dokumentation nur noch verstärken. Lewentz gab an, er rechne deshalb mit einer breiten Mehrheit für ein neues NPD-Verbotsverfahren. Die Linke-Vorsitzende Gesine Lötzsch fordert ebenfalls erneut ein Verbot.

Verbot schwierig und nicht unbedingt sinnvoll

Der Chemnitzer Politikwissenschaftler Eckhard Jesse (Foto: dpa)
Verbote bringen nichts - Der Chemnitzer Politikwissenschaftler Eckhard JesseBild: picture-alliance/dpa

Unter Experten ist jedoch umstritten, ob ein Verbot der Partei auch sinnvoll wäre. Der Extremismus-Fachmann Hajo Funke von der Freien Universität Berlin spricht sich zum Beispiel dafür aus. Er hält die Gefahr, dass die NPD in anderen Organisationen aufgehen könnte, für begrenzt. Denn schon heute gebe es solche kriminellen Vereinigungen. Sein Kollege Eckhard Jesse von der TU Chemnitz argumentiert dagegen, die rechtsextreme Gesinnung würde mit einem NPD-Verbot nicht verschwinden. Er sagte gegenüber DW-WORLD.DE, viele Mitglieder würden sich dann in neuen Organisationen formieren und im schlimmsten Falle untertauchen und radikalisieren.

Der Direktor des Kriminologischen Instituts Niedersachen, Christian Pfeiffer, sieht das ähnlich. Zwar halte er es für ärgerlich, dass die Partei mit Hilfe der ihr rechtlich zustehenden Steuergelder ihr rechtsextremes Gedankengut verbreiten könne. Allein im vergangenen Jahr sei das eine knappe Million Euro gewesen. Mit einem Verbot mache man es sich aber zu einfach. Vielmehr müsse man die Propaganda als "dummes Zeug" entlarven und damit überzeugen.

Autor: Klaus Jansen
Redaktion: Friederike Schulz