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Tagung zur Raubkunst

Heike Mund2. Juli 2014

Die Forderung, die Herkunft aller Raubkunstbestände offen zu legen, wurde auf einer Fachtagung nochmal aktuell. Eine von vielen Ideen: Mit einem Kunstraubfonds könnte die Provenienzforschung langfristig gesichert werden.

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Thema Raubkunsttagung in München 01.07.2014 EINSCHRÄNKUNG
Bild: DW/H. Mund

Geschichtsträchtiger hätte der Tagungsort nicht sein können: In dem wuchtigen Säulenbau gleich neben dem ehemaligen "Führerbau" residierte bis 1945 das Parteizentrum der NSDAP in München. Nach dem Krieg richteten die amerikanischen Besatzungsbehörden hier den "Central Art Collecting Point" (CCP) ein, einen zweiten gab es in Wiesbaden. Von hier aus wurde ab Mai 1945 die NS-Beutekunst aus den besetzten Gebieten und geraubte jüdische Kunstgegenstände an die ehemaligen Eigentümer zurückgeführt.

Kunstraub auch nach dem Krieg

Aber nicht alles wurde zurückgegeben. Der Kunsthändler Hildebrandt Gurlitt bekam von den Amerikanern Gemälde aus dem CCP zurück, die er sich unrechtmäßig bei seinen Aufkäufen im besetzten Frankreich angeeignet hatte. Die Listen lagern heute im Staatsarchiv in Düsseldorf. 2013 wurde der "Fall Gurlitt" zum viel diskutierten Kulturpolitikum. Und auch nach dem Tod von Cornelius Gurlitt, der die Kunstsammlung seines Vaters geerbt hatte, bleiben für Provenienzforscher und Juristen offene Fragen nach der Herkunft von Kunstwerken aus jüdischem Besitz.

Die aktuelle Tagung zum Thema Raubkunst befasste sich auch mit dem Stand der Provenienzforschung in Deutschland. Veranstaltet wurde das Kolloquium vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte (ZI) in München, das gleich 1946 im ehemaligen Verwaltungsgebäude der NSDAP eingerichtet wurde. Um ein Zeichen im Sinne der amerikanischen "Reeducation" der Deutschen zu setzen. Heute sind dort auch Universitätsinstitute untergebracht.

Lehren aus dem Fall Gurlitt

Zum fünften Mal hatten die Münchner Kunsthistoriker Experten für Raubkunst, Kunsthandel und Provenienzforschung aus Deutschland, Österreich, Frankreich und den USA zum Austausch eingeladen. Beim letzten Mal hatte die Brisanz der Entwicklung im Fall Gurlitt für reichlich Diskussionsstoff gesorgt. Diesmal war dafür das Medieninteresse groß: Allein drei Fernsehteams aus Frankreich und Deutschland waren angereist, um den Stand der Dinge zu dokumentieren.

Auktions-Hammer im Auktionshaus Peter Karbstein
Auktions-Hammer kurz vor dem Zuschlag - Symbol für den lukrativen Handel mit KunstBild: picture-alliance/dpa

Isabel Pfeiffer-Poensgen, die Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder, zog mit sehr gemischten Gefühlen ein Fazit: "Es war eine Berg- und Talfahrt: Es gab eine Zeit vor Gurlitt, wo auf internationalen Tagungen ausländische Wissenschaftler und auch Vertreter von Opferverbänden deutlich machten, wie vorbildlich sie die Forschung in Deutschland finden." Sie habe da persönliche Erfahrungen: "Ich habe zum Beispiel einen New Yorker Anwalt der Jewish Claims Conference getroffen, der sich sehr, sehr positiv geäußert hat. Und das war durch Gurlitt mit einem Wisch weg!"

Für die Kulturpolitikerin gibt es seitdem allerdings einen klaren Zugewinn: In Deutschland ist mittlerweile ein Netzwerk von über 90 Kunsthistorikern und Provenienzforschern entstanden, die intensiv die Ergebnisse ihrer jahrelangen Recherchen austauschen. Erfreulich sei auch die gestiegene Nutzung international zugänglicher Datenbanken, wie "Lost Art" zum Beispiel. "Der Fall Gurlitt hat geholfen, das Thema endlich dahin zu bringen, wo es schon lange hingehörte," fügte Pfeiffer-Poensgen mit leichter Ironie hinzu. "Das hätten wir schon vor zehn Jahren haben können."

Mitverantwortung des Kunsthandels

Eine wichtige Erkenntnis der Tagung ist, dass weitaus mehr Museumsdirektoren davon überzeugt werden müssen, ihre Depots und Sammlungsbestände zu öffnen und sie systematisch nach NS-Raubkunst durchforsten zu lassen. Aber dafür fehlt an kleineren Häusern in Deutschland oft das Geld, mehr als kurzfristige Zeitverträge werden in der Regel nicht vergeben. Nur 285 Museen von insgesamt 6000 hätten bislang ihre Bereitschaft zu detaillierter Provenienzrecherche erklärt. Zu wenig für eine fundierte Forschung, war die Meinung der Tagungsteilnehmer. Ein weiterer Faktor zur historisch umfassenden Erforschung der Raubkunstthematik sei auch die Einbeziehung des Kunsthandels, kam in München zur Sprache.

Der Leiter der Berliner Arbeitsstelle für Provenienzforschung, Uwe Hartmann, warf einen brisanten Vorschlag in die Runde: einen Raubkunstfonds - analog zum Entschädigungsfonds der deutschen Wirtschaft für Zwangsarbeiter. Gerichtet an die Adresse des Kunsthandels und privater Kunstsammler könnten davon dringend notwendige Stellen für Provenienzforscher bezahlt werden.

Uwe Hartmann
Viel Erfahrung: der Berliner Provenienzforscher Dr. Uwe HartmannBild: picture-alliance/dpa

"Vom Grundsatz her ist das übertragbar," unterstützte die Kulturpolitikerin Pfeiffer-Poensgen diese Idee. "Der Kunsthandel hat sehr stark von der Enteignung der jüdischen Kunsthändler und Sammler profitiert. Und hat sich auch bereichert am Verkauf der Raubkunst, so dass er auch etwas dafür tun könnte, dieses Unrecht auszugleichen. Soweit man das mit Geld überhaupt machen kann.“ Als Geste, auf diese Weise historische Verantwortung zu übernehmen, sei es durchaus denkbar.

Der in den USA lebende Jurist und Historiker Willi Korte, anerkannter Experte in Sachen Raubkunst, brachte den Hinweis in die Debatte ein, dass im Staat New York eine zentrale Stelle frühere Eigentümer von Raubkunst und ehemals jüdischen Kunstbesitz ermittelt - kostenlos und unbürokratisch. Privatleute könnten das genauso in Anspruch nehmen, wie Museen und öffentliche Sammlungen, sagte Korte. Auch die Vorträge der Fachleute aus europäischen Nachbarstaaten zeigten, dass durchaus unterschiedlich mit Raubkunst umgegangen wird. In Österreich betreibt der Staat die Provenienzforschung, in Frankreich wird alles zentral ausgewertet.

2015 werde sich das auch in Deutschland ändern, führte Ingeborg Berggreen-Merkelaus, die Leiterin der Taskforce zum "Schwabinger Kunstfund". Im geplanten Zentrum für Kulturgutverluste sollen dann die unterschiedlichen Forschungsinstitute unter einem organisatorischen Dach zusammenarbeiteten. Bedenken, damit würden Gelder abgezogen, konnte Isabel Pfeiffer-Poensgen entkräften: "Zentralisiert wird nur die Koordination der Forschung."

NS-Raubkunsttagung in München
Am Rande der Tagung: Angeregte Diskussionen im Foyer des ZentralinstitutesBild: DW/H. Mund

In Zukunft müssen die aufwendigen Recherchen nach "verfolgungsbedingten Kunstgegenständen" auf jeden Fall grenzüberschreitend funktionieren, vielleicht auch mit Ländern wie Israel. "Nur gemeinsam können wir die Masse an Informationen bewältigen, nur im Austausch können wir die richtigen Schlüsse ziehen", sagte Dr. Meike Hopp vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte zum Abschluss der spannenden Tagung.