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NSA: "Aggressivste Macht im Cyber-Krieg"

Marcel Fürstenau28. Januar 2014

Die Teilnehmer des Europäischen Datenschutztages sind sich einig: Mit ihrer Internet-Spionage unterhöhlen die USA demokratische Grundrechte. Von der Politik sind die Datenschützer schwer enttäuscht.

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Das Schattenbild eines Mannes und das NSA-Logo symbolisieren die Abhöraffäre.
Bild: picture-alliance/dpa

James Bond, der berühmteste Geheimagent aller Zeiten, ist ein Held. Jedenfalls in der Fantasie des Schriftstellers Ian Fleming, der die Romanfigur 1953 erfunden hat. Im Buch wie im Film verkörpert Bond alias "007" stets das Gute. Beim 8. Europäischen Datenschutztag am Dienstag (28.01.2014) in Berlin ist er der böse Bube. "Big Data für Bond 2.0" lautet das Motto der Veranstaltung. Der Name des Meisterspions steht stellvertretend für den globalen Datenmissbrauch durch Geheimdienste - insbesondere der US-amerikanischen National Security Agency (NSA).

Es ist der erste Europäische Datenschutztag nach den Enthüllungen des ehemaligen US-Geheimdienst-Mitarbeiters Edward Snowden. Daran erinnert die Bremer Landesbeauftragte für Datenschutz, Imke Sommer, in ihrer Begrüßungsrede. Das Verhalten der politisch Verantwortlichen empfindet sie als "Zurückweichen vor der Macht des Faktischen". Damit meint Sommer die ihres Erachtens viel zu laschen Reaktionen der Bundesregierung, aber auch der anderen vom NSA-Skandal betroffenen Staaten. "Das darf sich Europa nicht gefallen lassen", fordert die Bremerin.

Bundeskanzlerin Merkel blickt skeptisch richtung US-Präsident Obama (Foto: getty images)
Das Vertrauen zwischen Bundeskanzlerin Merkel (l.) und US-Präsident Obama ist erschüttertBild: SAUL LOEB/AFP/Getty Images

Die Europäische Union müsse die Grundrechte gegenüber den USA durchsetzen. Ein transatlantisches Freihandelsabkommen dürfe es nur geben, "wenn sich die USA an unsere Regeln halten". Zugleich mahnt Sommer eine weitreichende europäische Datenschutzreform an und bedauert, dass die bis zu den Europa-Wahlen Ende Mai auf keinen Fall zustande kommen wird.

Prantl: "Wo bleibt die deutsche Souveränität?"

Als "staatsgefährdend" geißelt Heribert Prantl von der "Süddeutschen Zeitung" die Praktiken der NSA und anderer Geheimdienste. Vertrauen sei die "Währung der Demokratie", dieses Vertrauen sei ins Wanken geraten. Das Ausspähen ausländischer Botschaften oder das Abhören des Handys der deutschen Bundeskanzlerin belege eine "unterirdische Überheblichkeit" der NSA, empört sich der Grundrechtsexperte Prantl. Und er betont: "Eigentlich müssten Datenschutz und Verfassungsschutz identisch sein." Eigentlich - denn in der Praxis kann er keine Übereinstimmung feststellen. "Wo bleibt die deutsche Souveränität, wenn sich die Generalbundesanwaltschaft kein Verfahren einzuleiten traut?", fragt Prantl.

Die Privatsphäre, meint der Journalist, sei "notleidend" geworden. Politiker würden verantwortungslos handeln, wenn sie im Zusammenhang mit der Internet-Ausspähung auf die millionenfache freiwillige Preisgabe von Daten im Internet verwiesen. "Wer sein Fenster aufmacht, erteilt doch auch nicht die Erlaubnis, einzusteigen und die Wohnung auszuräumen", hält Prantl den Beschwichtigern und Abwieglern entgegen.

Internet-Experte Möchel träumt vom "Goldenen Zeitalter"

Erich Möchel kann die Empörung seines Berufskollegen nachvollziehen, teilt aber dessen Skepsis nicht. Der Journalist aus Österreich glaubt an eine gute Zukunft des Internets. Zwar hält er die USA für die "aggressivste Macht im Cyber-War", aggressiver als China, es gebe aber keinen Grund für Pessimismus. Sichere Kommunikation sei möglich. Als ersten Schritt empfiehlt Möchel sogenannte "End-to-End"-Verschlüsselungen, also lückenlose Verschlüsselungen vom Absender bis zum Empfänger. Die technischen Voraussetzungen dafür seien schon lange vorhanden, man müsse nur Gebrauch davon machen. Der Internet-Experte glaubt fest an das "Goldene Zeitalter", worunter er das Ende der digitalen Ausspähung durch Geheimdienste versteht.

Gerüchte über einen "Quantencomputer" der NSA

Weniger euphorisch als Möchel, aber trotzdem zuversichtlich ist die stellvertretende Datenschutzbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein, Marit Hansen. Als gelernte Informatikerin ahnt sie, dass die NSA schon an der nächsten Generation von Spionage-Software bastelt. Meldungen über angebliche Superrechner, "Quantencomputer" genannt, machen bereits die Runde.

Bild eines Supercomputers (Foto: dpa)
Totale Kontrolle endloser Datenströme - davon träumen GeheimdiensteBild: picture-alliance/dpa

Im Fokus stehe dabei eine Technik namens "Kryptoanalyse", mit der die Computer-Kommunikation in Echtzeit entschlüsselt werden könne, vermutet Hansen. Bisher habe das Sammeln von Daten im Vordergrund gestanden, künftig ginge es mehr denn je um die zeitnahe Auswertung des Materials.

Dabei hat die NSA schon jetzt mehr als genug zu tun. Von 200 Millionen SMS, 20 Millionen Telefonverbindungen und zehn Millionen Internetdatensätzen spricht Hansen unter Verweis auf Zahlen des Whistleblowers Edward Snowden. Trotz dieser gigantischen Mengen glaubt die Datenschützerin an eine Trendwende zum Guten. So habe die US-amerikanische Behörde "Privacy and Civil Liberties Oversight Board" die Überwachung von Telefonverbindungen durch die NSA im eigenen Land als unrechtmäßig eingestuft. Und der britische Geheimdienst GCHQ müsse bis Anfang Mai beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eine Stellungnahme über seine Lauschaktionen abgeben.

Hoffen auf den Europäischen Gerichtshof

Eine wegweisende Entscheidung in ihrem Sinne erhoffen sich die meisten Datenschützer vom Europäischen Gerichtshof, dessen Urteil zur Vorratsdatenspeicherung im Frühjahr erwartet wird. Wäre es nach den Konservativen in der deutschen Bundesregierung gegangen, wäre die verdachtslose massenhafte Erfassung der digitalen Kommunikation schon seit Jahren Praxis. Das Vorhaben scheiterte aber am Widerstand der Liberalen, mit denen CDU und CSU bis Dezember 2013 eine Koalition bildeten.

Inzwischen regieren die Unionsparteien mit den Sozialdemokraten, die nicht grundsätzlich gegen die Vorratsdatenspeicherung sind. Sogar unter den Datenschützern gibt es Befürworter, die im Dezember vom Parlament gewählte Bundesbeauftragte Andrea Voßhoff (CDU) ist die bekannteste. Beim Europäischen Datenschutztag in Berlin hörte sie aufmerksam zu, machte sich zahlreiche Notizen - und schwieg.