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NSA: Regierung brüskiert Abgeordnete

Marcel Fürstenau16. Oktober 2014

Fehlende Akten, ein Drohbrief aus dem Kanzleramt - das ist selbst den Gutmütigsten im Untersuchungsausschuss zu viel. Die Zeugenbefragung eines Geheimdienstmitarbeiters endet deshalb viel früher als erwartet.

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Aktenordner mit dem Bundesadler in den deutschen Farben Schwarz-Rot-Gold und dem Aufdruck "geheim" symbolisieren die umstrittene Herausgabe-Praxis der Regierung in der NSA-Affäre. (Foto: Hans Wiedl)
Bild: picture-alliance/ZB

Harmonie ist im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages eher ein Fremdwort. Dafür sind die Ansichten über Sinn und Zweck dieses seit dem Frühjahr tagenden Gremiums zu unterschiedlich. Doch bei der Befragung eines hochrangigen Zeugen des Bundesnachrichtendienstes (BND) sind sich die Abgeordneten am Donnerstag (16.10.2014) fraktionsübergreifend einig: "Unbefriedigend" nennt der Ausschuss-Vorsitzende Patrick Sensburg (CDU) das Verhalten der Bundesregierung und bricht die öffentliche Sitzung nach einer knappen Stunde ab.

Auslöser war der Umstand, dass dem Gremium "wesentliche Akten" für die Befragung des Zeugen T.B. vorenthalten worden waren. Der Zeuge war nach eigenen Angaben von 2003 bis 2007 am Aufbau der BND-Außenstelle in Bad Aibling beteiligt. Dort wird satellitengestützt die Auslandskommunikation erfasst und ausgewertet. Medienberichten zufolge sollen aber auch Daten deutscher Staatsbürger abgeschöpft und an den US-Geheimdienst National Security Agency (NSA) weitergeleitet worden sein. Der BND bestreitet das allerdings.

Zweifel am Kooperationswillen der Regierung

Von T.B. erhofften sich die parlamentarischen Aufklärer Erkenntnisse dazu, mit welchen technischen Methoden die in Bad Aibling gesammelten Daten gefiltert werden. Zur Vorbereitung hatte der Ausschuss vom Kanzleramt Unterlagen angefordert. Die waren jedoch erst einen Tag vor der Sitzung eingetroffen. Angesichts von übermittelten 500 Seiten, davon 138 als "streng geheim" eingestuft, war eine vernünftige Vorbereitung kaum möglich. Wenn dann noch die aus Sicht des Untersuchungsausschusses entscheidenden Informationen fehlen, wachsen die Zweifel am Kooperationswillen der Bundesregierung.

Peter Altmaier in einem Gespräch mit Journalisten (Foto: DW/Heiner Kiesel)
Peter Altmaiers Brief an den Vorsitzenden des NSA-Untersuchungsausschuss wird kontrovers diskutiertBild: DW/Heiner Kiesel

Vor allem die Abgeordneten der oppositionellen Grünen und Linken fühlen sich schon länger verschaukelt, weil dem Gremium viele geschwärzte Akten vorgelegt werden. Geradezu frustriert sind sie nach dem Bekanntwerden eines Briefes aus dem Kanzleramt an den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses. Darin würden dem Gremium strafrechtliche Konsequenzen für den Fall angedroht, wenn erneut geheime Unterlagen in der Öffentlichkeit landen sollten. Hintergrund des Schreibens von Kanzleramtschef Peter Altmaier sollen Presseveröffentlichungen sein.

Ströbele: "Drohschreiben" aus dem Kanzleramt

Linken-Obfrau Martina Renner bewertet den Brief als Versuch, "uns einzuschüchtern". Hans-Christian Ströbele von den Grünen spricht von einem "Drohschreiben", über das er "sehr empört" sei. Anders fallen die Reaktionen der Regierungsfraktionen aus. Unions-Obmann Roderich Kiesewetter fühlt sich "nicht angesprochen" und sein SPD-Kollege Christian Fliesek nennt den Brief aus dem Kanzleramt ein "belangloses Schreiben".

Die auffällig unterschiedlichen Reaktionen auf das Schriftstück aus dem Kanzleramt sind ein deutliches Zeichen für die wachsende Uneinigkeit im NSA-Untersuchungsausschuss. Zu Beginn war es der Streit über die von allen befürwortete Zeugenladung des Whistleblowers Edward Snowden. Seine Enthüllungen über die Spionage-Aktivitäten der NSA und ihre Kooperation mit dem BND waren der Anlass, den Ausschuss einzusetzen. Doch während die Opposition ihn unbedingt in Berlin befragen will, lehnt das die Union unter Hinweis auf ein Auslieferungsabkommen zwischen Deutschland und den USA ab. Inzwischen ist fraglich, ob Snowden überhaupt je als Zeuge befragt wird.

NSA-Whistleblower Edward Snowden auf einem undatierten Archivbild (Foto: EPA)
Edward Snowdens hat der Welt vor Augen geführt, wie total der Überwachungswille von Geheimdiensten sein kannBild: picture-alliance/dpa

Der BND-Zeuge soll nochmals als Zeuge geladen werden

Auch das Verhalten der Bundesregierung beurteilen die Fraktionen sehr verschieden. Unionsmann Kiesewetter attestiert ihr "Mut", weil Zeugen zumindest teilweise in öffentlichen Sitzungen vernommen werden können. Die Opposition hält das für selbstverständlich und wünscht sich viel mehr Öffentlichkeit. Anders als CDU/CSU und SPD lehnen Grüne und Linke zudem das sogenannte Konsultationsverfahren zwischen Deutschland und seinen westlichen Partnerländern ab. Bevor die Bundesregierung über die Weitergabe von Akten an den NSA-Untersuchungsausschuss entscheidet, holt sie sich die Meinung der USA, aber auch Großbritanniens und anderer westlicher Länder ein.

Die Union hat damit kein Problem. SPD-Obmann Fliesek betont, dass sich aus diesem Verfahren keine "Vetorechte" der befreundeten Länder ableiten ließen. Die Oppositionsfraktionen hingegen lehnen das Verfahren rundweg ab. Der Grünen-Abgeordnete Ströbele meint, es sei mit dem Grundgesetz "nicht zu vereinbaren". Immerhin in einem Punkt waren sich die Fraktionen am Ende doch einig: BND-Mann T.B. soll im November ein zweites Mal als Zeuge in den NSA-Untersuchungsausschuss nach Berlin kommen. Die Voraussetzung dafür wäre allerdings, dass die Unterlagen, die dem Gremium fehlen, bis dahin nachgeliefert werden.