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NSU-Prozess: Dissonanzen zum Jahresausklang

21. Dezember 2016

Ursprünglich sollte es an den beiden letzten Verhandlungstagen 2016 um ein psychiatrisches Gutachten zu Beate Zschäpe gehen. Darum drehte sich dann auch alles - aber anders, als erwartet.

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Deutschland Verteidiger lehnen Zschäpe-Gutachter im NSU-Prozess ab (picture alliance/dpa/A. Gebert)
Beate Zschäpe zwischen zwei ihrer fünf Verteidiger: Hermann Borchert (l.) und Mathias Grasel (r.)Bild: picture-alliance/dpa/A. Gebert

Kurz vor zehn Uhr beantragt Wolfgang Heer am Mittwoch im NSU-Prozess vor dem Münchener Oberlandesgericht eine Verhandlungspause bis zum Mittag. Der  Grund: Er will gemeinsam mit seinen Kollegen Wolfgang Stahl und Anja Sturm ein "Ablehnungsgesuch" gegen den 6. Strafsenat unter dem Vorsitzenden Richter Manfred Götzl formulieren. Die drei verteidigen seit Mai 2013 die Hauptangeklagte, Beate Zschäpe. Allerdings hat die mutmaßliche Rechtsterroristin schon lange kein Vertrauen mehr zu dem Trio, weshalb sich inzwischen zwei weitere Verteidiger um sie kümmern: Hermann Borchert und Mathias Grasel. Ob die beiden den Vorstoß ihrer Kollegen unterstützen, bleibt zunächst offen.

Der Befangenheitsantrag gegen die Richter wird damit begründet, dass sie mehrere am Dienstag gestellte Anträge ablehnten. Diese Anträge waren gegen den vom Strafsenat bestellten Sachverständigen Henning Saß gerichtet. Der hatte den Prozess-Beteiligten im Oktober ein vorläufiges psychiatrisches Gutachten zu Zschäpe vorgelegt. Darin geht es vor allem um die Schuldfähigkeit und die Frage nach einer möglichen Sicherheitsverwahrung. Zschäpes Verteidiger werfen dem von ihnen abgelehnten Sachverständigen "schwere methodische Fehler" vor. Deshalb solle er abberufen werdenoder erst dann mündlich vortragen dürfen, nachdem ein Gegengutachten in den NSU-Prozess eingeführt worden wäre.

Zschäpe-Verteidiger werfen dem Gericht "reine Scheinargumentation" vor

Weil der Strafsenat diesem Ansinnen letztlich nicht folgt, kommt es zu dem Befangenheitsantrag. Als "reine Scheinargumentation" bezeichnen Zschäpes Verteidiger die Entscheidung des Gerichts, als die Verhandlung nach mehrstündiger Unterbrechung fortgesetzt wird. Nun aber beantragt Zschäpe-Verteidiger Borchert die nächste Unterbrechung. Er will mit seiner Mandantin klären, ob der Befangenheitsantrag gegen das Gericht auch in ihrem Namen gestellt soll. Daran ist natürlich auch der Vorsitzende Richter interessiert.

Die letzte Beratungspause am letzten Verhandlungstag 2016 dauert dann nur wenige Minuten. Zschäpe-Verteidiger Borchert erklärt in deren Namen: "Ich lehne die Richter aus den dargelegten Gründen aus Besorgnis der Befangenheit ab." Am Ende sind sich also alle fünf Verteidiger der Hauptangeklagten einig. Das ist keinesfalls immer der Fall - im Gegenteil. Erst mit Borchert und Grasel an ihrer Seite hat Zschäpe im Dezember 2015 ihr jahrelanges Schweigen gebrochen. Die anderen drei Verteidiger - die von Anfang an dabei sind - hatten empfohlen, nicht auszusagen.

So endet das vierte Jahr, in dem gegen die Terrorgruppe NSU verhandelt wird, mit erheblichen Dissonanzen zwischen dem Strafsenat und den Verteidigern Zschäpes. Richter Götzl kündigt noch an, das Verfahren werde am 10. Januar 2017 fortgesetzt.