1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

NSU-Prozess: Grenzen der Aufklärung

Marcel Fürstenau (mit dpa)24. Februar 2015

Neue Berichte über die fragwürdige Rolle des Verfassungsschutzes mehren die Zweifel an dem Versprechen, die rechtsextremistische Mordserie aufzuklären. Für die Politik ist das mehr als ein Armutszeugnis.

https://p.dw.com/p/1EgdA
Protest-Aktion vor dem Oberlandesgericht München NSU-Prozess. Auf dem Transparent steht: "Das Schweigen brechen! NSU-Terror: Staat und Nazis Hand in Hand"
Bild: DW/M. Fürstenau

Am 186. Verhandlungstag im Münchener Strafverfahren gegen den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) sollte es wieder einmal um den deutschen Inlandsgeheimdienst gehen. Doch der Präsident des sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz, Gordian Meyer-Plath, wurde dann doch nicht als Zeuge vernommen. Am frühen Nachmittag unterbrach der Vorsitzende Richter Manfred Götzl den Prozess, weil die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe gesundheitliche Probleme hatte. Vor zwei Wochen war sogar ein kompletter Verhandlungstag wegen Erkrankung der Hauptangeklagten ausgefallen.

Der schleppende Fortgang des seit Mai 2013 geführten Prozesses steht sinnbildlich für den gesamten NSU-Komplex, der eine strafrechtliche und eine gesellschaftspolitische Dimension hat. Kritik und Protest sind ständige Begleiter des Geschehens (siehe Artikelbild).

Die Aufklärung der zehn rassistisch motivierten Morde sowie zahlreicher Bombenanschläge und Banküberfälle ist Sache des Münchener Oberlandesgerichtes (OLG). Um das staatliche Versagen kümmern sich mehrere Parlamentarische Untersuchungsausschüsse. Einige haben ihre Arbeit längst beendet, andere stecken noch mitten in der Aufklärung. Darunter befindet sich der in Hessen. Er beschäftigt sich mit dem besonders rätselhaften Mord an Halit Yozgat am 6. April 2006.

NSU-Zeugen aus Hessen dürfen oder wollen nicht viel sagen

Der 21-Jährige wurde in seinem eigenen Internetcafé erschossen. Ins Blickfeld der Ermittler geriet schnell ein zwielichtiger Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes, der mehrmals im NSU-Prozess als Zeuge geladen war. Jüngsten Medienberichten zufolge soll die Behörde tiefer in den Fall verwickelt sei, als ohnehin schon bekannt.

Ein Gedenkfoto des NSU-Opfers Halit Yozgat.
Halit Yozgat starb vor knapp neun Jahren in den Armen seines Vaters.Bild: picture-alliance/dpa

Dass sich Andreas T. zur Tatzeit am Tatort oder in unmittelbarer Nähe aufgehalten hat, ist längst nachgewiesen. Nun aber gerät der damalige Innenminister Volker Bouffier, inzwischen Ministerpräsident der schwarz-grünen Landesregierung, mehr denn je in Bedrängnis. Der Christdemokrat ließ seinerzeit Akten sperren, die im Zusammenhang mit polizeilichen Ermittlungen gegen den Verfassungsschützer T. stehen.

Recherchen der Zeitung "Welt am Sonntag" legen die Vermutung nahe, der hessische Verfassungsschutz könnte neben dem Mord an Halit Yozgat auch Kenntnis von anderen mutmaßlichen NSU-Taten gehabt haben.

Besonders ergiebig waren aus Hessen stammende Zeugen im NSU-Prozess bislang nie. Viele Fragen blieben unbeantwortet, weil Mitarbeiter und V-Leute des Verfassungsschutzes nur eine beschränkte Aussagegenehmigung hatten. Verantwortlich auch dafür: Volker Bouffier.

Im Lichte der jüngsten Meldungen schlussfolgert die Linken-Politikerin Petra Pau, dass parlamentarischen Untersuchungsausschüssen "entscheidende Beweismaterialien vorenthalten" worden seien. Bundestagsvizepräsidentin Pau war Obfrau ihrer Fraktion im NSU- Untersuchungsausschuss.

Bouffier: "Ich habe nichts zu verbergen"

Hessens Ministerpräsident reagierte empört auf die Vorwürfe. "Ich habe nichts zu verbergen", sagte Bouffier in Wiesbaden. Es sei eine ungeheuerliche Unterstellung, dass der hessische Verfassungsschutz den rechtsterroristischen Hintergrund der Morde gekannt und er dies in seiner damaligen Funktion als Innenminister gedeckt habe. Er sei auch bereit, als Zeuge im NSU-Prozess auszusagen, wenn er geladen werde.

Bouffier wäre der erste amtierende Politiker, der in München aussagen würde. Die Anwälte der Opfer-Familien würden es ebenso begrüßen wie Petra Pau. Deren Bilanz gut drei Jahre nach dem Auffliegen der rechtsextremistischen Terrorgruppe ist ernüchternd: "Von bedingungsloser Aufklärung, wie von Bundeskanzlerin Angela Merkel versprochen, kann nach wie vor keine Rede sein."