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Nuklearisierung der Weltpolitik

Klaudia Prevezanos2. Mai 2004

Libyen will Atomkontrollen zulassen, der Iran vielleicht auch. Doch die Bedrohung durch Nuklearwaffen nimmt zu. Heimlich rüsten Staaten ihre Arsenale nach. Ist der Atomwaffensperrvertrag nur noch ein Papiertiger?

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Pakistanische AtomraketeBild: AP

Als Libyens Staatschef Muammar el Gaddafi am Dienstag (27.4.2004) bei der Europäischen Union in Brüssel empfangen wurde, war das auch eine politische Belohnung. Sein Land hat im März 2004 das Zusatzprotokoll des Atomwaffensperrvertrages unterschrieben und damit Kontrollen durch Waffeninspekteure der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) zugelassen. Der Iran hat sich dazu auch bereit erklärt, doch wird noch verhandelt, wie viel Kontrolle das bedeutet. Das sind gute Nachrichten aus Wien, dem Sitz der IAEA. Doch der Schein trügt.

Zwei Topthemen

Libyen Präsident Moammar Gadhafi Muammar al-Gaddafi Porträtfoto
Muammar el Gaddafi: Libyen hat das Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag unterschriebenBild: AP

Seit Montag (26.4.2004) trifft sich das Vorbereitungskomitee der Vertragspartner für zwei Wochen in New York, um die nächste Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages (Treaty on the Non-Proliferation of Nuclear Weapons - NPT) im Jahr 2005 vorzubereiten. Ein Ergebnis der Vorbereitungskonferenz wird wohl sein, dass das Komitee weitere Staaten auffordert, das Zusatzprotokoll zu unterschreiben.

Ansonsten hat das Treffen zwei andere Topthemen: Die offiziellen atomaren Großmächte (USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien) rüsten nicht weiter ab - im Gegenteil. Vor allem die USA mit dem größten Arsenal an A-Waffen erweitern dieses zum Beispiel durch die Entwicklung neuer Atomwaffen - wie den so genannten Mininukes. Andere Nuklearstaaten wie die zweitgrößte Atommacht China könnten sich dadurch gezwungen fühlen, nachzuziehen.

Drei Klassen von Staaten

Zweites Thema sind nukleare Schwellenländer, die sich solche Waffen zulegen wollen oder dies schon heimlich getan haben. Besonders aktuell sind Nordkorea, das seit Jahren aus dem Atomwaffensperrvertrag ausgetreten ist und sich somit nicht mehr daran halten muss, sowie Pakistan, das das Dokument nie unterschrieben hat.

Doch auch in Brasilien, Taiwan oder Japan gibt es Stimmen, die sagen: Wenn die Nachbarstaaten aufrüsten, müsse man das auch tun. Teil des Problems ist, dass der NPT drei Klassen von Staaten geschaffen hat: Die fünf offiziellen Atommächte, die inoffiziellen Atomstaaten wie Nordkorea, Pakistan oder auch Israel. Sowie die dritte Klasse der Nicht-Atommächte, die sich an den NPT halten.

Technologisches Wettrüsten

Lösungen werden von Abrüstungsexperten auf dem Vorbereitungstreffen in New York nicht erwartet, da die Vertreter der meisten anwesenden Staaten sich gegenseitig selbst blockieren. Götz Neuneck vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik hat ein Beispiel: "Die USA und Russland haben beide bis zu 15.000 taktische Nuklearwaffen. Diese alten Waffen abzuschaffen wäre nicht nur ein Symbol, sondern echte Abrüstung." Aber es werde nichts getan, sagt der Leiter des Arbeitsbereichs Rüstungskontrolle und Abrüstung des Hamburger Instituts. Solange die Atommächte nicht abrüsten, so das Signal, scheinen Nuklearwaffen der einzige wirkliche Schutz zu sein.

Die Gefahr dabei ist nach Ansicht von Neuneck eine Nuklearisierung der Weltpolitik: Atomwaffen als Mittel der Politik. "Das bedeutet vor allem ein technologisches Wettrüsten, nicht unbedingt ein Aufrüsten, bei dem die Anzahl der Waffen erhöht wird", sagt der Wissenschaftler. Die Situation heute wird von Experten für gefährlicher gehalten als während des Kalten Krieges. Denn heute findet die Aufrüstung mit Nuklearwaffen heimlich statt und von Staaten, die niemand kontrolliert.

Ausweitung des NPT

Ist der Atomwaffensperrvertrag fast 35 Jahre nach seinem Inkrafttreten nur noch ein Papiertiger? Neuneck meint nein, denn es gebe viele Staaten, die sich daran halten würden. Eine Ausweitung des NPT - die Universalisierung - wäre jedoch wichtig: Dies würde bedeuten, dass auch die fünf offiziellen Atommächte abrüsten müssten. Zudem würde die Gültigkeit des Vertrages auf Staaten ausgeweitet, die ihn nicht unterschrieben haben. Auch sie könnten dann kontrolliert werden.

Auf der Vorbereitungskonferenz in New York ist mit einem Vorstoß zur Ausweitung nicht zu rechnen. Ob sich die Situation bis zur Überprüfungskonferenz des NPT im nächsten Jahr (2005) noch einmal ändern wird, ist ebenfalls fraglich. Neuneck meint: "Es würde sicher helfen, wenn die US-Regierung von George W. Bush abgewählt würde und sich die Erkenntnis durchsetzen würde, dass Nuklearwaffen nicht weiterführen."