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Null-Rupien-Scheine gegen Korruption

18. März 2010

Wenn korrupte Beamte oder Polizisten in Indien Bestechungsgelder fordern, dann drücken ihnen einige Inder seit neuestem wertlose Null-Rupien-Scheine in die Hand. Erstaunlich, aber die Kampagne funktioniert. Im Kleinen.

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Halten gerne die Hand auf: Indische PolizistenBild: UNI

Für viele Inder ist die Bestechung korrupter Beamter ein alltäglicher Vorgang. Fast jede öffentliche Dienstleistung kostet eine inoffizielle Zusatzgebühr. Wirtschaftsexperten schätzen die Summe, die jährlich für Bestechung ausgegeben wird, auf mehr als 50 Milliarden Dollar. Auf dem Index Transparency International, der 180 Länder erfasst, rutschte Indien im vergangenen Jahr um 13 Plätze auf Platz 85 ab. Studien zufolge sind es vor allem Polizisten, Justizbeamte und Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung, die die Hand aufhalten. "Rund 95 Prozent aller Bürger in Indien haben schon einmal Bestechungsgeld gezahlt", sagt Anupama Jha von der Anti-Korruptions-Organisation Transparency International. "Doch wirklich Sorgen macht uns, dass die Korruption die Armut vergrößert. Menschen, die unterhalb der Armutsgrenze leben, sind am härtesten betroffen."

Korruption vergrößert Armut

Bevölkerung in Indien
Schätzungen zufolge zahlen Inder pro Jahr rund 50 Milliarden US-Dollar nur für BestechnungsgelderBild: dpa

Transparency International rechnete aus, dass allein die Armen in einem Jahr knapp 200 Millionen US-Dollar Bestechungsgeld aufbringen mussten. "Sie zahlen für Gesundheit, Bildung, Wasser- und Elektrizitätsversorgung oder die Vermittlung von staatlich garantierten Landwirtschaftsjobs. Für alle öffentlichen Basis-Dienstleistungen, die ihnen per Gesetz zustehen und die sie eigentlich kostenlos erhalten sollten, müssen sie erst Beamte bestechen", klagt Anupama Jha.

Wertlose Scheine als Bestechungsgeld

Die indische Organisation "Fifth Pillar" will der Korruption auf den Leib rücken und begann deswegen vor zwei Jahren, Null-Rupien-Scheine herzustellen. Diese Geldscheine ähneln den gängigen 50-Rupien-Noten, sind aber nichts wert. Auf der Vorderseite steht der Satz: "Ich verspreche, weder Bestechungsgeld zu akzeptieren, noch welches zu geben". Inzwischen wurden knapp eine Million dieser Scheine verteilt, erklärt Fifth Pillar-Geschäftsführer Vijay Anand. Und die Menschen setzen sie durchaus auch ein.

Die Studentin Marie aus der südindischen Stadt Pondicherry, die mit ihrem Motorroller unterwegs war, hatte vorsichtshalber einen Null-Rupien-Schein eingesteckt. Sie wurde von einem Verkehrspolizisten gestoppt. Obwohl Marie einen Führerschein und gültige Papiere vorweisen konnte, forderte er ein Schmiergeld von 50 indischen Rupien. Die Studentin weigerte sich zu zahlen, sagte aber, sie könne ihm eine "Zero-Rupee-Note" geben. "In dem Moment, wo sie ihm den Schein reichte, wurde der Polizist rot und ließ sie weiterfahren", berichtet Vijay Anand. Die Korruption sei so tief in der Gesellschaft verwurzelt, dass die meisten Menschen kaum glauben, dass es auch anders geht, sagen Aktivisten. Doch wer sich traue, den Schein tatsächlich abzugeben, mache häufig die positive Erfahrung, dass seine Angelegenheit erledigt wird.

Zivilcourage durch Rückendeckung

Indien Anti-Korruptions Geld 0 Rupien
Wer Bestechungsgelder will, läuft Gefahr, derzeit diesen wertlosen Null-Rupien-Schein in die Hand gedrückt zu bekommenBild: 5th Pillar

Die Null-Rupien-Note trägt einen Hinweis auf die Organisation "Fifth Pillar", die hinter dieser Kampagne steht. Diese Rückendeckung sei der Grund, warum die meisten Beamten plötzlich unsicher werden, weiß Fifth-Pillar Geschäftsführer Anand: "Sie erfahren, dass die Bürger ungeduldig werden und nicht mehr bereit sind, Schmiergeld zu zahlen. Und sie lernen die Organisation kennen." Zur Unterstützung verbreitet Fifth Pillar gleichzeitig seine Anti-Korruptions-Botschaft über große öffentliche Medienkampagnen. Auch Informationsveranstaltungen in Schulen sollen dazu beitragen, junge Menschen für korruptes Verhalten zu sensibilisieren und zu mehr Zivilcourage zu ermutigen.


Doch der Weg ist noch weit. Angesichts von rund 1,2 Milliarden Menschen in Indien sind eine Million verteilter Null-Rupien-Noten eine verschwindend geringe Zahl. Leider hat "Fifth Pillar" kein Geld, um noch mehr von diesen wertlosen Scheinen zu drucken.

Autorin: Ana Lehmann

Redaktion: Silke Ballweg