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Nur auf den ersten Blick

Heinz Dylong26. Mai 2003

Bremen hat gewählt - und ein Ergebnis präsentiert, das beim Blick auf den gegenwärtigen Bundestrend überrascht. Heinz Dylong kommentiert.

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Bürgerschaftswahlen in Bremen stehen immer unter besonderen Vorzeichen: Denn zum einen handelt es sich um Landtagswahlen, zum anderen aber spielen im kleinsten Bundesland mit seinen kaum 660.000 Einwohnern auch immer lokale und kommunale Faktoren eine erhebliche Rolle bei der Wahlentscheidung. An diesem Sonntag (25.5.) war es wieder soweit. Bremen wählte einen neuen Landtag und setzte die SPD - wie seit mehr als 50 Jahren - an die Spitze. Damit wird im kleinsten Bundesland voraussichtlich die seit 1995 bestehende Große Koalition von SPD und CDU fortgesetzt. Denn Bremens Bürgermeister Henning Scherf (SPD) will genau das, obwohl die Sozialdemokraten auch mit den klar gestärkten Grünen koalieren könnten.

Kein Zweifel, das Wahlergebnis erklärt sich in einem hohen Maß aus der großen, parteiübergreifenden Popularität Scherfs. Das hat die Wähler motiviert, zumal Scherf erklärt hatte, dass er aus der Bremer Politik ausscheiden werde, wenn die SPD hinter der CDU liegen würde. Ohne Scherf aber wäre ein rot-grünes Bündnis wahrscheinlicher als die Fortsetzung der SPD/CDU-Koalition. Insofern haben die Wähler Scherf persönlich und als Repräsentant der Großen Koalition gewählt - um sie dem Land zu erhalten. Das Bremer Wahlergebnis widerspricht also nur auf den ersten Blick dem Bundestrend, zumal sich die Bremer SPD im Wahlkampf auffallend gemüht hatte, einen eigenständigen, auf die Hansestadt bezogenen Kurs zu fahren. Die Bundespolitik, Kanzler Gerhard Schröder und die rot-grüne Koalition wurden dabei möglichst ausgespart. Allerdings können die Sozialdemokraten darauf hoffen, dass sich ihr Bremer Ergebnis auf der psychologischen Ebene positiv bei den eigenen Anhängern auswirkt. Die SPD kann noch gewinnen - das könnte sie unter Umständen stärker motivieren.

Die Verluste der CDU erklären sich geradezu spiegelbildlich. Die von ihr gewünschte Fortsetzung der Großen Koalition war nur mit einer stärkeren SPD machbar. Wenn man aber auf Platz zwei setzt, stärkt man in der Regel die Nummer eins - also die SPD.

Für die Grünen hat der Wahlausgang einen besonders bitteren Akzent: Trotz deutlicher Zugewinne und der abermals rechnerisch möglichen rot-grünen Koalition bleiben sie voraussichtlich von der Regierungsverantwortung ausgeschlossen. Sie können sich allenfalls damit trösten, dass sie in ihrer Hochburg Bremen ein verlässliches Wählerfundament haben.

Die FDP kommt landesweit nicht über die Fünf-Prozent-Hürde. Natürlich lässt sich das auch mit lokalen Besonderheiten erklären. Dennoch sehen sich die Liberalen auch auf ihre "klassische" Rolle zurückgeworfen. Sie werden eben vielfach vor allem als möglicher Koalitionspartner einer der beiden großen Parteien gewählt. Und diese Funktion hatte die FDP in Bremen eben nicht, da SPD wie CDU erklärtermaßen weiter gemeinsam arbeiten wollten.

Das werden sie nun wohl auch. Für das Land hat das den Vorteil, dass die finanziellen Wünsche des nach wie vor hochverschuldeten Bundeslandes in Berlin parteiübergreifendes Wohlwollen findet. Bremen hat eine starke Lobby in Berlin und wird sie behalten. Das entspricht offensichtlich dem Willen der Wähler im kleinsten Bundesland.