1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Startups in Gaza-City

Tania Krämer Jerusalem
6. Februar 2017

Mitten in Gaza-City entwickeln junge Palästinenser die Apps von morgen. Die noch kleine Tech-Szene hat mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen.

https://p.dw.com/p/2WvAQ
Gaza - Sky Geeks
Bild: DW/T. Krämer

Bunte Graffiti und coole Sprüche zieren die Wände des Grossraumbüros der Gaza Sky Geeks mitten in Gaza-City. Tief in Gedanken versunken sitzt Nour El Khoudary mit ihrem Team vor den Laptops. "Mommy Helper" heisst die App, die die Jung-Unternehmerin entworfen hat. Die App richtet sich an junge Mütter, die Rat und Hilfe benötigen. "Als ich mein Kind bekam, habe ich im Internet über meine Erziehung geschrieben", sagt El Khoudary, die früher als Journalistin gearbeitet hat. "Plötzlich bekam ich viele Fragen von anderen Müttern, und mir wurde klar, das es offenbar Bedarf an Austausch gibt." Mit der App sollen Frauen zukünftig Beratungen bei Experten buchen können - anonym und bequem von zuhause. Dass aus der Idee nun ein Business wird, hat sie den Gaza Sky Geeks zu verdanken. "Es hilft, in einer kreativen Umgebung zu sein, und die notwendige Unterstützung zu bekommen", sagt El Khoudary.

Gaza - Sky Geeks - Nour el Khoudary
Nour el Khoudary (l) und ihr Team haben eine App für junge Mütter entwickeltBild: DW/T. Krämer

Genau das ist das Konzept der Gaza Sky Geeks, die die amerikanische Hilfsorganisation Mercy Corps ins Leben gerufen hat. Seit 2014 bietet die Orgaqnisation jungen Designern, Entwicklern und Unternehmern einen Arbeitsplatz im Großraumbüro, vermittelt Kontakte und Workshops. Google und andere Firmen aus dem Silicon Valley unterstützen den Tech-Hub, auch lokale Partner wie Paltel sind mittlerweile an Bord. "Die größte Herausforderung in Gaza ist die Isolation, die Tatsache, dass die Grenzen seit über zehn Jahren geschlossen sind", sagt Ryan Sturgill, Programmdirektor der Sky Geeks. "Hier ist eine Generation von jungen Menschen aufgewachsen, die versuchen, Software Produkte und Content zu entwickeln, die den Gazastreifen aber nie verlassen konnten."

Jahrzehntelange Isolation

Reisen und Erfahrungen sammeln bleibt für die meisten jungen Leute in Gaza nur ein Traum. Auch die Jungunternehmer der Sky Geeks bekommen nur äußerst selten Ausreisegenehmigungen der israelischen Behörden. Bei den Sky Geeks holt man deshalb die Experten nach Gaza - mit einem Mentorenprogramm. "Wir versuchen, immer ein oder zwei Mentoren vor Ort zu haben, mal von Uber, Google oder anderen Firmen", sagt Outreach-Manager Said Hassan. "Dadurch fühlen sich die jungen Leute hier im Kontakt mit der Welt. Auch das ist Teil unserer Vision: Wir wollen Designer, Entwickler und Unternehmer mit der Außenwelt verbinden." Und die Tech-Experten haben die seltene Gelegenheit, sich selbst ein Bild vom Leben in Gaza zu machen.

Gaza - Sky Geeks - Said Hassan
Manager Said Hassan koordiniert die Kontakte zu Experten im AuslandBild: DW/T. Krämer

Die Grenzen des kleinen Küstenstreifens am Mittelmeer, der de facto von der Hamas kontrolliert wird, werden seit vielen Jahren von Israel und Ägypten abgeriegelt. Sie kontrollieren, was in den Küstenstreifen hinein- und wieder hinauskommt. Experten sprechen von einer rückläufigen wirtschaftlichen Entwicklung. Drei Kriege zwischen Israel und der Hamas haben alle hier erlebt, und die Angst vor einem weiteren militärischen Konflikt hat jeder im Hinterkopf. Im Alltag bringen tägliche Stromausfälle von bis zu zehn Stunden ganz konkrete Probleme mit sich, wenn man ein Business gründen will. Die Situation zur erfolgreichen Tech-Welt im israelischen Tel Aviv, nur knappe 60 Kilometer Luftlinie entfernt, könnte nicht unterschiedlicher sein.

Kreative Umgebung für kreative Köpfe

Doch auch in Gaza sieht man den IT-Markt als enorme Chance. Denn die virtuelle Welt kennt weder Barrieren noch Grenzen. Und das kreative Potential ist da: Jedes Jahr gehen geschätzt rund 2000 junge IT-Experten von den Unis im Westjordanland und im Gazastreifen ab - ohne großen Erwartungen, im hiesigen Markt einen Job zu finden. Im Gazastreifen ist nach Einschätzung der Weltbank sogar jeder zweite junge Mensch arbeitslos.

Bei den Sky Geeks setzt man auf die kleine Tech Szene. "Du musst ein Team haben, ein fähiges Konzept, und einen Markt", beschreibt Said Hassan, Outreach-Manager der Sky Geeks die Auswahl. Jedes Jahr finden sogenannte Boot Camps statt, bei denen sich die jungen Unternehmer mit ihrer Idee und einem passenden Businessmodell durchsetzen müssen. Zunächst geht es um die Entwicklung der Idee, dann geht es darum, die Teams mit Investoren zusammen zu bringen.

Gaza - Sky Geeks - Mohammed Halimy
Der 13jährige Mohammad Halimy ist der jüngste im Team der App-EntwicklerBild: DW/T. Krämer

Die Gaza Sky Geeks bieten auch Platz für junge Menschen, die noch ganz am Anfang stehen. In einer Ecke sitzt Mohammed Halimy, gerade mal 13 Jahre alt, ganz versunken in seinem Laptop. Er entwickelt eine Webseite, um Photographen besser mit ihren Kunden zu vernetzen. "Ich komme jeden Tag nach der Schule hierher und arbeite an meinen Ideen", sagt Mohammed Halimy. "Mein großes Vorbild ist Steve Jobs." An den habe auch am Anfang keiner geglaubt, und "er hat die Welt verändert", meint Mohammed ganz selbstbewusst.

Ziel-Region: Arabisch-sprachiger Markt

Gleich nebenan hat eine der bislang größten Erfolgsgeschichten der Sky Geeks ihr Büro: das Start Up "Baskalet". Das heißt Fahrrad auf Arabisch. "Wir sind ein bisschen nostalgisch", erklärt Mohammed Almadhoun mit einem breiten Lächeln, einer der Gründer des Start-Ups. "Früher war es unser größter Wunsch, ein Fahrrad zu haben, heute wollen alle nur noch ein Smart-Phone." Der 29-Jährige macht sich das zu nutzen und entwickelt Spiele. Mit einem speziell für den Fastenmonat Ramadan konzipierten Game gelang der Durchbruch. Die Charaktere müssen verschiedene Herausforderungen meistern, die eng mit dem Fasten verbunden sind. Das Spiel wurde ein Hit im letzten Sommer - mit rund 500.000 Downloads in Saudi-Arabien.

Gaza - Sky GeeksMohamed Almadhoun
Erfolgreich mit Spielen speziell für den arabischen Sprachraum: Startup-Gründer Mohamed AlmadhounBild: DW/T. Krämer

Das ist auch der Markt, den sich "Baskalet" weiter erschließen will. "Wir kennen die Mentalität, und das ist unser Vorteil", sagt Almadhoun. "Spiele, die nur von einer Sprache und einem anderen Kulturraum übersetzt werden, funktionieren dort nicht." Und auch von Land zu Land im arabischen Sprachraum gibt es viele Unterschiede. Auch das neuste Spiel von "Baskalet" richtet sich auf den Markt in Saudi Arabien aus: In einem Restaurant, das traditionell in verschiedene Sektionen für Frauen, Männer und Familien aufgeteilt ist, müssen die Charaktere darauf achten, ihre Privatsphäre zu erhalten. Der Nachfrage für arabisch-sprachige Inhalte im Internet sei sehr groß. Und trotz aller Schwierigkeiten, sieht man das hier als Chance.

 

Porträt einer Frau mit dunklen Haaren
Tania Krämer DW-Korrespondentin, Autorin, Reporterin