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Zwischenetappe

Bernd Riegert6. Mai 2009

Tschechiens Senat hat den EU-Vertrag abgesegnet. Sein Inkrafttreten wird nun etwas wahrscheinlicher. Revolutionieren wird das neue Regelwerk die Europäische Union trotzdem nicht, findet Bernd Riegert.

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Bild: DW

Einen Monat vor den Wahlen zum Europäischen Parlament hat der tschechische Senat, die zweite Kammer in Prag, den EU-Reformvertrag von Lissabon gebilligt. Damit fällt den allermeisten EU-Abgeordneten ein Stein vom Herzen. Der Wahlkampf für eine weitere europäische Integration und eine Fortsetzung der Reformbemühungen wäre sonst in der gesamten Europäischen Union vom möglichen Nein aus Prag doch arg überschattet worden. Jetzt kann das Werben für den Reformvertrag, der Europa demokratischer und führbarer machen soll, also weitergehen.

Bernd Riegert, DW-Experte für Europa, Foto: DW
Bernd Riegert, DW-Experte für Europa

Der Vertrag ist nicht tot, aber ratifiziert ist er in allen 27 Mitgliedsstaaten eben auch noch nicht. Zunächst muss der europa-kritische tschechische Präsident Vaclav Klaus die Ratifizierungsurkunde noch unterschreiben. Danach liegt der Ball im Feld der Iren. In Irland ist eine zweite Volksabstimmung nötig, nachdem der Vertrag von Lissabon vor einem Jahr in Irland durchgefallen war. Zu erwarten ist jetzt, dass die irische Regierung beim nächsten EU-Gipfel im Juni in Brüssel erklärt, wie und wann sie das Volk erneut abstimmen lassen will.

Der irische Wind hat sich gedreht

Durch die galoppierende Wirtschaftskrise in Europa hat sich der Wind in Irland gedreht. Glaubt man Meinungsumfragen, würden die Iren jetzt dem Vertrag von Lissabon zustimmen, weil sie erkannt haben, dass Europa in Zeiten der Krise wohl doch mehr Schutz bietet, als man sich vor einem Jahr ausmalen konnte. Je früher die Abstimmung also kommt, umso besser.

Danach will dann auch der polnische Präsident, ebenso wie sein Kollege auf der Prager Burg, ein eher skeptischer Europäer, die polnische Ratifizierungsurkunde unterschreiben.

Dann fehlt nur noch die Unterschrift des deutschen Bundespräsidenten Horst Köhler. Der will ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts abwarten, dass das Ratifizierungsverfahren in Deutschland gerade überprüft. Ein Urteil wird noch in diesem Monat erwartet. Es ist vielleicht mit strengen Worten von den Verfassungshütern zu rechnen, aber wohl kaum mit einer Ablehnung des EU-Vertrages. Wenn man annehmen würde, dass der Reformvertrag von Lissabon, das deutsche Grundgesetz aushebelt, traut man dem Vertragswerk zu große Kraft zu, das es nicht hat.

Keine Revolution

Wenn dann irgendwann im Sommer alle 27 Staaten tatsächlich ihre Ratifizierungsverfahren abgeschlossen haben, könnte der Vertrag, der als Ersatz für die ohnehin gescheiterte EU-Verfassung ausgehandelt wurde, Anfang kommenden Jahres in Kraft treten. Würde er eine europäische Revolution auslösen? Nein. Er würde dem Europäischen Parlament mehr Rechte einräumen, die Zuständigkeiten in der EU klarer regeln und die Institutionen reformieren. Am gesamten Kurs der Integration würde der Vertrag von Lissabon nichts ändern. Auch zu den Grenzen der EU macht er keine neuen Aussagen.

Dieser Vertrag ist nur eine Zwischenetappe. Für die Beitrittskandidaten hätte er aber positive Folgen. Kroatien könnte zügig in den Klub aufgenommen werden. Beitrittsverhandlungen mit den restlichen Balkanstaaten könnten, gestaffelt nach deren Leistungsfähigkeit, folgen. Das Junktim, keine Neuaufnahmen ohne neuen Vertrag, würde nicht mehr gelten.

Eine Lehre sollte die EU aus dem Drama um den Lissabon-Vertrag ziehen. Dies war vielleicht das letzte Mal, dass man mit Ach und Krach die beteiligten Völker, Regierungen und Parlamente der Mitgliedsstaaten zur Einstimmigkeit gebracht hat. Künftige Vertragsänderungen sollten nach einem Mehrheitsprinzip möglich sein. Dieses einzuführen, bedürfte aber auch einer vertraglichen, einstimmigen Regelung, die nur schwer zu bekommen sein dürfte. Eine europäische Zwickmühle.