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"Nur Haufen von Trümmern"

Das Interview führte Pushp Ranjan18. Oktober 2005

Sardar Sikandar Hayat Khan, Regierungschef des pakistanisch kontrollierten Teils von Kaschmir, über die Lage im Katastrophengebiet.

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Sardar Sikandar Hayyat KhanBild: AP

DW: Herr Khan, es herrscht viel Unmut unter den vom Erdbeben betroffenen Menschen wegen der immer noch schleppenden Hilfsmaßnahmen. Was läuft falsch?

Khan: Natürlich sind sie wütend. Aber die Sache ist folgende: Muzaffarabad, die Hauptstadt des pakistanisch kontrollierten Teils von Kaschmir ist nun einmal zerstört. Dadurch starben Minister wie Mitglieder des Parlaments, Sekretäre, hochrangige Beamte, deren Ehefrauen und Kinder. Vom kleinsten Dienstboten bis hin zum ranghöchsten Beamten, bis hin zu den Ministern - sie alle sind entweder tot oder obdachlos.

Es herrscht noch immer Unklarheit über die Zahl der Todesopfer. Was können Sie dazu sagen?

Die Zahl 40.000 im pakistanischen Teil Kaschmirs ist eine vorsichtige Schätzung aufgrund der bisher geborgenen Leichen. Wir haben noch die Orte Bagh und Muzaffarabad, mit ehemals 60.000 bis 70.000 Einwohnern, die beide nur noch Haufen von Trümmern sind. Zählt man die Toten, die wir hier gefunden haben und die bestätigten Informationen, die wir aus den entlegenen Gegenden von der Armee oder von unseren anderen Mitarbeiten bekommen haben, zusammen - könnten es sicherlich noch mehr Tote sein. Hier in Muzaffarabad sind es bisher 20.000 bis 22.000 Tote und man muss ja auch noch die Trümmer wegräumen. Ich habe bisher leider nur vorsichtige Schätzungen abgegeben.

Indien hat abgelehnt, die Line of Control, die Grenzlinie zwischen dem pakistanisch und indisch kontrollierten Teil Kaschmirs zu öffnen - mit der Begründung, dass immer wieder Terroristen vom pakistanisch kontrollierten Teil nach Indien gelangen. Verstehen Sie diese Haltung?

Auch im indisch kontrollierten Teil hat es große Schäden gegeben. Die Menschen sind nicht so grausam, dass sie in der Stunde solcher Not so etwas tun würden. Das ist nur ein Vorwand. Die Grenze aufzumachen ist ja noch eine weit entfernte Sache. Viel wichtiger wäre es, dass den Menschen im indisch-kontrollierten Teil Kaschmirs erlaubt werden würde, in den pakistanisch kontrollierten Teil zu telefonieren. Diese Möglichkeit gab es früher, aber seit etwa sechs Monaten wurde dieses Zugeständnis zurückgenommen. Von unserer pakistanischen Seite können wir dorthin telefonieren, umgekehrt aber nicht. Durch Telefongespräche können doch Militante nicht auf die andere Seite gelangen. Das sind nur Vorwände, die ich nicht beurteilen will in solch tragischen Zeiten. Wenn ihnen das so heilig ist, dann kann man auch fragen: Warum hat die Kontroll-Linie das Erdbeben nicht aufgehalten, den Regen auf beiden Seiten und die Luft nicht aufgehalten, die Zugvögel, die über die Grenze fliegen. Nur die Menschen, die können sich einfach nicht gegenseitig helfen.