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Nur lauer Konjunkturfrühling in der EU

3. Mai 2016

Die Wirtschaft in der Eurozone wird langsamer wachsen als bislang gedacht, meint die EU-Kommission. Die bisherigen Konjunkturmotoren wie China schwächeln weiter. Die EU hat aber Ideen für neue Wachstumsimpulse.

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Symbolbild Deutschland Konjunkturabschwächung Archivbild
Bild: picture-alliance/dpa/Ingo Wagner

2016 werde das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 1,6 Prozent steigen und 2017 um 1,8 Prozent, das seien jeweils 0,1 Punkte weniger als noch im Winter erwartet, teilte die EU-Kommission am Dienstag in Brüssel in ihrem neuen Konjunkturgutachten mit. Beim stark exportabhängigen Deutschland erwartet die Kommission nun jeweils 1,6 Prozent Wachstum in diesem und im kommenden Jahr - in der Winterprognose waren es noch jeweils 1,8 Prozent gewesen. Die Frühjahrsprognose der Bundesregierung vom April lag bei 1,7 und 1,5 Prozent.

Die Ölpreise werden demnach wieder steigen, so dass positive Auswirkungen auf die Konjunktur nachlassen dürften. "Die wirtschaftliche Erholung setzt sich in Europa fort, gleichzeitig verschlechtern sich jedoch die globalen Rahmenbedingungen", sagte EU-Währungskommissar Valdis Dombrovskis. "Künftiges Wachstum wird deshalb zunehmend von den Möglichkeiten abhängen, die wir selbst schaffen." Nötig seien somit mehr Strukturreformen, eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und Lösungen für die hohe öffentliche und private Verschuldung.

Die Behörde warnte ausdrücklich vor Risiken. Dazu gehörten das schwächere Wachstum in China, mögliche Turbulenzen an den Finanzmärkten oder die Unsicherheit vor dem EU-Referendum in Großbritannien. Zudem ist die Zeit der Mini-Inflation noch nicht vorbei, wie es in dem Gutachten weiter heißt. Im laufenden Jahr wird mit einer sehr niedrigen Rate von 0,2 Prozent gerechnet, 2017 sollen dann 1,4 Prozent erreicht werden, womit es wieder in Richtung des Zwei-Prozent-Ziels der Europäischen Zentralbank (EZB) geht

Belgien, Symbolbild Brexit
Am 23. Juni entscheiden die Briten darüber, ob sie noch in der EU bleiben wollen.Bild: picture-alliance/dpa/L. Dubrule

Defizitsünder verfehlen wohl Ziele

Beim Staatsdefizit ließ die Kommission ihre Erwartungen für den Euroraum unverändert: Sie geht in diesem Jahr von einem Haushaltsdefizit von 1,9 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) aus und für 2017 von 1,6 Prozent. Die Gesamtverschuldung soll von 92,2 auf 91,1 Prozent im kommenden Jahr sinken. Das Gutachten zeigt auch, dass einige Defizitsünder ihre Ziele nicht einhalten werden. Portugal, Spanien und Frankreich hinken beim Schließen ihrer Haushaltsdefizite weiter hinterher.

In Frankreich werde das strukturelle Defizit im kommenden Jahr sogar auf 2,7 Prozent steigen, wie die EU-Kommission am Dienstag in ihrer Frühjahrsprognose mitteilte. Beim strukturellen Defizit werden kurzfristige Konjunkturschwankungen herausgerechnet, so dass sichtbar wird, wie stabil und dauerhaft die Gesundung eines Staatshaushaltes ist und wie ernst es eine Regierung mit Reformbemühungen tatsächlich meint.

In Portugal steigt dieser Wert laut Berechnungen der EU-Behörde 2017 auf 2,5 Prozent von 2,2 Prozent in diesem Jahr. In Spanien, das nach dem Scheitern einer Regierungsbildung auf Neuwahlen zusteuert, wird dieses Loch im Haushalt beständig größer - von 3,1 Prozent in diesem auf 3,2 Prozent im kommenden Jahr.

Auch Italien reiht sich in die Liste der Defizitsünder ein: Dort rechnet die EU-Kommission mit einem höheren strukturellen Defizit von 1,7 Prozent für 2016 und 2017. Der Schuldenberg von rund 133 Prozent der Wirtschaftsleistung bleibt 2016 zudem genauso hoch wie 2015 und schmilzt danach nur geringfügig ab.

Laut Regeln des EU-Stabilitäts- und Wachstumspakts muss das strukturelle Defizit pro Jahr um 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung gesenkt werden, bis der Haushalt nahezu ausgeglichen ist oder einen Überschuss aufweist. Die Verschuldung soll unter 60 Prozent gehalten werden.

Lichtblicke gibt es zumindest beim Wirtschaftswachstum, das in Italien, Portugal und Frankreich 2016 und 2017 zulegen dürfe. In Spanien verlangsamt sich das Wachstum zwar in diesem Zeitraum von 2,6 auf 2,5 Prozent, das Königreich weist damit von den vier Staaten aber trotzdem die höchsten Zuwachsraten auf.

Ifo-Institut: Kein Frühjahrsaufschwung

Für die Wirtschaft der Euro-Zone zeichnet sich kein kräftiger Frühjahrsaufschwung ab, das meint auch das Ifo-Institut aus München. Das Konjunkturbarometer für das zweite Quartal fiel um 6,2 auf 112,7 Punkte, wie das Institut am Dienstag zu seiner vierteljährlichen Umfrage unter 320 Experten mitteilte. Es sank damit nicht nur das vierte Quartal in Folge, sondern liegt nunmehr auf dem niedrigsten Niveau seit mehr als einem Jahr. Wie die EU-Kommission rechnet das Ifo-Institut mit 1,6 Prozent Wirtschaftswachstum in 2016.

Am positivsten beurteilt wird die Lage in Deutschland und Irland. Am ungünstigsten fielen die Urteile in Griechenland und Finnland aus, trotz einer leichten Verbesserung zum Vorquartal. "Die wirtschaftlichen Aussichten für das kommende halbe Jahr sind in den meisten Ländern etwas weniger positiv als noch vor drei Monaten", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. "Die Dynamik des konjunkturellen Aufschwungs wird damit verhalten bleiben."

Clemens Fuest
"Eine durchgreifende konjunkturelle Erholung im Euro-Raum lässt weiter auf sich warten", sagte Clemens Fuest.Bild: picture-alliance/dpa

EZB warnt vor Risiken

Auch die EZB warnt vor anhaltenden Risiken für die Weltwirtschaft wegen der unsicheren konjunkturellen Aussichten in den Schwellenländern. Langsameres Wachstum in diesen Ländern habe die Weltwirtschaft bereits erheblich gebremst, hieß es im aktuellen Monatsbericht, den die Europäische Zentralbank (EZB) am Dienstag veröffentlichte. "Eine weitere großangelegte und ausgeprägte Abkühlung der Wirtschaft in den Schwellenländern könnte beträchtliche negative Folgen für die Aussichten der globalen Wirtschaft haben", schreiben die Experten.

Dem EZB-Bericht zufolge hat eine schwächere Nachfrage in Schwellenländern bereits die Exporte aus der Euro-Zone gedämpft. Negative Folgen seien zwar durch gesunkene Rohstoffpreise teilweise wettgemacht worden. Denn die verfügbaren Einkommen seien dadurch gestiegen, schreiben die Experten. Insgesamt würden bei der Betrachtung der Schwellenländer aber die Gefahren überwiegen.

Seit dem Jahr 2000 trugen Schwellenländer im Schnitt etwa drei Viertel zum globalen Wachstum bei. Doch die einstige Konjunkturlokomotive ist inzwischen beträchtlich ins Stottern geraten. In China - immerhin die zweitgrößte Volkswirtschaft nach den USA - betrug 2015 das Wachstum lediglich 6,9 Prozent. Damit wuchs die Wirtschaft im Reich der Mitte so langsam wie seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr.

iw (dpa, rtrs, afp)