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"Nur wer sich anpasst, hat eine Chance"

Jonathan Sachse11. September 2013

Zwei Trainer haben als Entwicklungshelfer über 100 Klubs auf fünf Kontinenten trainiert. Die Erfahrungen von Holger Obermann und Otto Pfister zeigen: Der Fußball wird weltweit unterschiedlich gelebt.

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Rudi Gutendorf, Dettmar Cramer und Holger Obermann bei der Preisverleihung zum Deutschen Fußball Botschafter.
Bild: picture-alliance/Initiative Deutscher Fußball Botschafter

"Das, was man Ängste nennt, das habe ich nicht“, meint Holger Obermann. Im November 2003 saß er mit seinem Team-Kapitän und einem Spieler aus Turkmenistan in einem Hotel. Nach Jahrzehnten wollte Afghanistan wieder ein Länderspiel auf heimischen Boden austragen. Als die Spielfarben besprochen wurden, schlug auf der anderen Seite des Hotels eine Rakete ein. Zweimal hatte Obermann bei Anschlägen Glück gehabt. Seine Arbeit als Entwicklungshelfer in Afghanistan hat er deswegen nicht abgebrochen. Auch nicht 2003 als er das zertrümmerte Hotel verließ. Das Länderspiel fand statt. Afghanistan verlor "nur 0:2" gegen Turkmenistan. Obermann war stolz.

Auch wenn es weitere zehn Jahre dauerte bis Afghanistan vor wenigen Wochen wieder einen offiziellen Fußballgast zum Länderspiel empfing, sind Fortschritte im Land erkennbar. In diesem Jahr ging die heimische Fußballliga in ihre zweite Saison. Acht Mannschaften kämpfen in Kabul um die nationale Meisterschaft. Obermann freut sich über die sportliche Entwicklung im Land. Als Trainer arbeitet er dort seit einigen Jahren nicht mehr, besucht aber jedes Jahr Afghanistan. "Der deutsche Trainer lässt euch nicht im Stich", möchte er vermitteln. Etwa 180 Trainer hat er in dem Land ausgebildet, darunter auch den aktuellen Nationaltrainer Yousef Kargar. "Den habe ich auch zu einer Ausbildung nach Deutschland geschickt", erinnert sich Obermann.

Vom Journalisten zum Entwicklungshelfer

Am letzten Wochenende reiste Afghanistans Nationalmannschaft nach Nepal zu einem Freundschaftsspiel. Dort in Südostasien begann Obermann 1990 sein erstes Langzeitprojekt als Entwicklungstrainer. Als ihn das Auswärtige Amt anrief, beendete er seine Laufbahn als TV-Journalist. Wenige Monate später saß er mit einem Ballnetz über der Schulter auf einem Roller und fuhr zum Training. Heute spricht Obermann von seiner zweiten Heimat Nepal. "Verdammt schwer und wunderschön" sei der Beginn gewesen. Immer wieder stand er vor der Herausforderung "mit den politischen Unruhen klarzukommen." Die mächtigen Nachbarn aus Indien und China nahmen Einfluss. Die Ansprechpartner - und Geldgeber - in der Politik wechselten ständig.

Preis Deutscher Fußballbotschafter

In diesem Jahr wurde Obermann für seine Entwicklungsarbeit in über 60 Ländern von der Initiative "Deutscher Fußball Botschafter" ausgezeichnet. Etwa 5000 Euro stehen ihm nun zur Verfügung mit denen er in Nepal einen Fußballplatz bauen lässt. Bei einer Ehrung im Auswärtigen Amt in Berlin traf er auf seinen befreundeten Kollegen Otto Pfister, der ebenfalls für seine Aufbauarbeit ausgezeichnet wurde. Noch in diesem Jahr werden drei Trainer für den Preis des Deutschen Fußballbotschafters für das kommende Jahr nominiert. Am 5. Mai 2014 werden sie vom Initiator Roland Bischof mit Hilfe von Partner wie dem Goethe Institut und der Deutschen Welle an gleicher Stelle ausgezeichnet.

Otto Pfister (Foto: dpa)
Trainer-Urgestein: Otto PfisterBild: picture-alliance/dpa

Steiniger Weg zum Fußballprofi

Das kleinliche Regelwerk "dieser Gesellschaft" ärgere ihn, meint Pfister, als er sich in der Nicht-Raucherzone im Auswärtigen Amt eine Zigarette anzündet. Bevor das Gespräch beginnt betont er dreimal, dass er viel Zeit habe. Die afrikanische Mentalität hat der 75-Jährige einverleibt - möchte man meinen, als das Gespräch beginnt. Kürzlich begegnete er bei Werder Bremen einem Nachwuchsspieler, der sich über eine Unterkunft ohne vernünftiges W-Lan beschwerte. Pfister erklärte ihm daraufhin seine Sicht der Fußballwelt: "Wenn Du keine persönlichen Opfer bringst, wirst du nie Fußballprofi werden."

Samuel Eto'o - ein Vorzeigeprofi?

Er nennt Samuel Eto'o als Beispiel. Ihn hat Pfister während seiner Zeit als Nationaltrainer Kameruns schätzen gelernt habe. Eto'o kann weder Computer noch ein Smartphone bedienen. Der Fußballprofi ohne Facebook-Profil setze andere Prioritäten Auch Eto'o gehe es um das große Geld. Aber nicht aus Eigennutz, meint Pfister. Der Kameruner ernährt mit seinem Einkommen eine ganze Gemeinde in seiner Heimat. Das sei seine Motivation. Ein idealistischer Weg eines Fußballers vom Straßenkicker zum Millionär, der ganz oben immer noch an ganz unten denke. "Sicherlich kauft er sich auch mal einen Ferrari", was er aber bei 30 Millionen im Jahr als in Ordnung empfinde.

Der Kameruner Samuel Eto´o ist für Pfister ein Vorbild. (Foto: imago)
Der Kameruner Samuel Eto´o ist für Pfister ein VorbildBild: imago/Ulmer

Acht von zehn Trainern scheitern im Ausland

"Von zehn scheitern acht Trainer im Ausland, weil sie einfache Fehler machen", berichtet Pfister. Die sogenannten deutschen Tugenden würden keine Rolle spielen. Man müsse sich an die Mentalität im jeweiligen Land anpassen. Andere Probleme, andere Sprache, andere Religion, anderes soziales Umfeld - Nur wer sich "anpasst" und allein "auf das Fachliche konzentriere", hätte eine Chance.

Mannschaften in über 20 Ländern hat Pfister in den letzten 50 Jahren trainiert. Zwischendurch viele Nationalmannschaften, die meisten aus Afrika. In über 146 Länder hätte er sich mehr als vierzehn Tage aufgehalten. Die persönliche Statistik hat Pfister schnell parat. Aktuell trainiert er das A-Team von Trinidad und Tobago. Nach der verpassten WM-Qualifikation könnte seine Trainerreise aber schon bald weiter gehen.